.12 - Mein Prinz (?)

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Nachdem lauwarmen Bad begab ich mich ins Wohnzimmer und ruhte mich vor dem Fernseher aus. Mein Knöchel schmerzte nicht mehr, aber trotzdem war diese Schwellung zu sehen. Sollte ich kurz Seyma anrufen und nachfragen, warum diese Schwellung noch da war, aber dann müsste ich die unerträgliche Gestalt wieder sehen.

Ich schlich mich leise auf den Balkon und entdeckte ihn schlafend auf einem Liegestuhl. Offenbar hatte er sich auch eine Dusche gegönnt, denn seine Haare glänzten durch die Nässe unter der Sonne und er hatte sich auch umgezogen. Seine Gesichtszüge widerspiegelten ein Gesicht eines neugeborenen Babys. Er sah friedlich beim Schlafen aus und lächelte ab und zu. Was er wohl träumte. Er würde mich sicherlich hassen, wenn ich ihn jetzt aufwecken würde. Also Asli, möchtest du das Risiko eingehen oder es lieber sein lassen? Ich müsste doch sicherlich eine Feder im Zimmer haben, fiel mir der Gedanken ein. Kurz lief ich in mein Zimmer und kehrte anschließen wieder zurück auf den Balkon. Unter meinen tausend Stiften hatte ich mir eine Feder aufbewahrt, die eher zum Schreiben gedacht war und nicht um Leute aus dem Schlaf zu erwecken. Diesmal war ich diejenige, die vorsichtig über den Balkon kletterte und mich leise vor ihm auf die Hocke ging.

Sein pulverweiches Gesicht sah zum Bemalen schön aus und die ersten Stoppeln seines Bartes waren zu erblicken. ‚Los Asli, fang an', forderte mich eine Stimme auf. Mit der weichen Federseite fing ich an, ihn erst an seinem Kinn zu kitzeln und stoppte das Verfahren, als er seine Hand hob und an der Stelle kratze. Ich musste mich zusammen reißen, damit ich nicht in ein lautes Gelächter fiel. Nachdem er wieder beruhigt weiterschlief, wedelte ich die Feder über seine rechte Gesichtshälfte.

Wieder einmal hob er seine Hand hoch und kratzte sich nicht an der Stelle sondern ergriff nach meinem Handgelenk. „Hey! Lass mich los", brachte ich lachend los. Er blinzelte durch ein Auge zu mir und holte sich eine weitere Sekunde dazu, bis er ein Wort erbrachte.

„Was suchst du hier?!"

„Seyma meinte gestern, dass ich sie anrufen könne, falls ich Fragen hätte. Wärst du so lieb und gibst mir die Nummer?", fragte ich und klimperte unschuldig mit den Wimpern. „Hmm", brummte er und schloss seine Augen.

„Hallo, steh doch mal auf."
„Lass mich schlafen. Nicht mal in meiner eigenen Wohnung gibst du Ruhe. Warte-"Abrupt öffnete er seine Augen und richtete sich auf. „Wie-", machte eine kurze Pause und führte seine Frage fort. „Wie bist du hierhin gekommen? Geht's dir denn wieder so brillant?"

„Mir geht's bestens. Und was du kannst, kann ich rückwärts und auf High Heels."

„Sieht man dir an. Du bist schon wieder so fit, sodass du wie ein Affe von einem Baum auf den anderen springen kannst. Ich rufe sie kurz an und frage sie, ob es in Ordnung wäre, dir die Nummer zu übergeben. Man weiß nie, was du mit der Nummer anfangen würdest."

Blöd. Blöder. Am blödesten.

„Erstens bist du hier der Affe! Im Gegensatz zu dir, bin ich ersten Mal über den Balkon geklettert! Zweitens, frag sie bitte, ob sie eventuell einen Platz in einer Klinik auffinden kann. Ich kenne da jemanden, der dringend die Klinik aufsuchen muss."

„Nicht das ich lache. Wenn du scharf auf die Klinik bist, könnte ich dich auf der Stelle fahren. Sie würden dich sicherlich für einige Zeit in eine Klapse einsperren."
„Ha-ha-ha. Deine Witze werden von Tag zu Tag besser", warf ich ihm auf den Kopf und stand allmählich auf. Zögernd gelang ich wieder auf die Beine und betrachtete zum letzten Mal meinen unfreundlichen Nachbar, ehe ich in meine Wohnung zurückkehrte.

Wieder einmal begab ich mich ins Wohnzimmer und streckte mich gemütlich auf dem Sofa aus. In ein paar Tagen würden die ersten Vorlesungen des neuen Semesters anfangen und eventuell wäre es angebracht, wenn ich morgen wieder arbeiten würde.

Nicht ohne dichWhere stories live. Discover now