.38 - Metallgeschmack Teil 1

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Stunden vergingen und Yigit tauchte immer noch nicht auf. Weiter konnte ich nicht mehr still in meiner Wohnung sitzen, während die Polizisten und die Notärzte die Leiche aus der Wohnung raustrugen. Immer wieder ging ich durch den Flur entlang und spielte nervös mit meinen Fingern rum. Bis endlich die Tür läutete und ich stürmisch die Tür öffnete.

Yigit erschien vor mir und ich schmiss mich in seine Arme. „Wieso hat das so lange gedauert?", fragte ich ihn und blickte in seine Augen. Er sah aus, als hätte er die letzten Tage nicht in Ruhe in seinem Bett schlafen können. So fertig sah er gerade aus. Die tiefen Augenringe versetzten ihn in eine erschöpfte Lage. „Die Leiche wird gerade ins Krankenhaus getragen. Die haben mich ausgefragt und du musst gleich auch ins Revier, um deine Aussage abzugeben." „Und seit wann ist er schon tot?"

„Das wissen wir nicht, aber Autopsie wird es herausfinden und die Kinder müssen noch benachrichtigt werden." Wieder kamen einige Tränen hoch. Wie sensibel ich bei solchen Themen sein konnte. Stets hasste ich mich dafür. Denn nie konnte ich stark wirken, wie traurig die Situation auch sein mag. Diese schwache Stelle an mir, hasste ich. Peitschte mich sogar selbst aus.

Yigit umschloss mich mit seinen Armen und streichelte beruhigt über meinen Körper. Ich liebte ihn, kam mir in den Sinn. Und er mich. Diese Liebe machte mir indirekt Angst. Jagte mir eine höllische Furcht ein. Was wenn eines Tages auch wir uns trennen würden? Falls er mich eines Tages verlassen würde, wüsste ich, dass kein anderer so wie Yigit sein würde. Zwar war es noch früh so etwas zu beurteilen, zu festzustellen, aber mein Instinkt. Und mein Instinkt verriet mich nie, ließ mich nie im Stich. An demselben Abend fuhr ich mit Yigit gemeinsam zur Polizeistation und sagte vor dem Beamten aus. Zu meinem Glück fragte mich der bekannte Beamte aus, der vor einigen Monaten Yigit und mich ausgefragt hatte, als wir an dem Abend mitgenommen wurden, da sein Freund, Umut, ein Theater verunstaltete und die Nachbarn die Polizisten alarmiert hatten. Am Ende, als ich aufstehen wollte, stand der Beamte auch auf und öffnete mir gentlemanlike die Tür. Eine kurze Erinnerungsszene tauchte gerade vor meinen Augen auf, wie ich damals schon Yigit fasziniert, anziehend fand. Der Beamte begutachtete Yigit. Und ich konnte deutlich seine Gedanken lesen.

„Stört ihr immer noch eure Nachbarn?", fragte er uns lachend und wechselte seine Augenrichtung einmal hin her. Mal ruhten seine Augen auf Yigit und Mal auf mir. Yigit stand vom Besucherstuhl auf und kam lächelnd auf uns zu. „Ja, stören wir", antwortete er frech und reichte dem Beamten seine Hand. „Hoffe, dass die Dame nicht unter Ihrem Einfluss leidet", sprach er seine Gedanken laut aus und sah sich Yigit genauer an. „Nein, natürlich nicht, Sir. Nur ich halte sie in meiner Hierarchie, wo nur meine Regeln gelten und sie mich bekochen muss, all meine Wünsche befriedigen muss."

Meine Augenbrauen rutschten in die Stirn und ich schaute Yigit skeptisch an. „Hören Sie mal, die Dame guckt schon schief. Wenn Sie gleich nicht unter Ihrem Wahn leiden möchten, lassen Sie am besten dieses Prahlen aus, sonst wird Ihre Freundin gleich Sie an prahlen." „Ach, Quatsch! Dafür liebt sie mich zu stark", sagte er selbstsicher und legte seinen Arm um meine Schulter. Ich rüttelte seinen Arm weg und verabschiedete mich höflich von dem Polizisten. „Frau Pamuk, wenn was ist, können Sie mich jederzeit gerne anrufen", meinte der Beamte und reichte mir noch seine Visitenkarte. Ich steckte die Karte in meinen bordeaux-roten Parka und lief schon los, ohne auf Yigit warten. „Asli, warte doch!", rief er hinter mir her, während ich empört den Flur entlang ging und mit jedem Schritt dem Ausgang näherte.

„Asli", sagte er hautnah an meinem Körper und drehte mich an meinem Arm nach hinten, sodass ich kurz gegen sein Körper an stoß. Er blickte verwirrt in meine Augen. Anscheinend hatte er eine große Angst in dem Moment etwas Falsches zu sagen, das sein Leben gefährden würde. „Als Gutmachung darf ich dein Auto fahren", platze es urplötzlich aus meinem Mund und ein breites Lächeln zeichnete sich auf meinem Gesicht. Er erschauderte und hielt mich wieder zurück, als ich einen Schritt vorwärts machen wollte. „Nein, Asli. Also... Ich lasse nicht mal meine Freunde mein Auto fahren... Dann soll ich dich lassen?" „Mir doch egal", äußerte ich mich und zuckte leicht mit meinen Schultern. Verloren kratzte er sich am Hinterkopf und seine Augen verloren sich im Nirgends.

Nicht ohne dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt