.45 - Herzinfarkt

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Seit dem unglaublichen Hochzeitsantrag verstrichen unzählige Stunden, abenteuerliche Tage, bedeutungsvolle Monate, sogar einmalige Jahre. Die Zeit flog, während ich nicht jede Sekunde mit Yigit genießen konnte.

Die Zeit flog aus den Händen weg, während man die Zeit gern festgehalten hätte und sie vernünftig ausgenutzt hätte. Die Zeit flog, schneller als gedacht. Schneller als ausgesprochen. Schneller als gefühlt. Die Zeit flog und das drastisch.

Inzwischen hatte Yigit sein Studium mit erfolgreichem Bachelor absolviert und arbeitete seit einem Jahr in einem Industrieunternehmen. Ich hatte meine Thesis, die mein Studium vervollständigte abgegeben und wartete gespannt auf das Ergebnis. Einen sicheren Arbeitsplatz hatte ich auch schon in einem Architektenbüro.

Zwar verflog die Zeit aus unseren Händen, aber dafür verstärkte sich unsere Liebe. Sie wurde stabiler. Machtvoller.

Es ergaben sich zwei Besuche. Yigits Familie besuchte meine und schließlich wir ihre.

Daraufhin folgte der salzhaltige Mokka und die Verlobung.

All das passierte in einem ziemlich kurzen Zeitintervall.

Wir wurden zu einem unerreichbaren Stern im Himmel. So klar, so entfernt von allen anderen.

Unsere Welt baute sich mit jedem Schritt, den wir gemeinsam traten, mehr auf. Unsere kleine Welt, die jeden Tag unzerstörbarer wurde. Die Berge zwischen ihm und seinem Vater bestand immer noch.

Weder der Vater noch Yigit gaben heranreichende Mühe diese Berge zu überwinden. Zwar versuchte ich mehrmals den Vater zu überreden, aber er war festentschlossen, dass Yigit ihm niemals verzeihen würde. Mein Herz blutete beim Anblick der Beziehung zwischen Yigit und seinem Vater. Doch die Hoffnung starb zuletzt.

Es war spätnachmittags im Hochsommer, als ich aus der Bahn ausgestiegen war und mit einigen Tüten in der einen Hand nach Hause schlenderte. Die Straße war sehr ruhig und ich hörte die Baumblätter rascheln. Die grüne Farbe, der babyblauer Himmel, die wärmestrahlende Sonne, bereitete in mir eine gute Laune aus.

Gedankenverloren trat ich einen Schritt auf den anderen auf dem Bürgersteig, bis ein Hupen mich aus meinen alltäglichen Traum herausholte. Ein schwarzer Mercedes fuhr mit einem Schneckentempo neben mir und ließ das Fenster der Beifahrerseite herunter gleiten.

Yigit hatte seine übliche Ray Ban Brille aufgesetzt und strahlte mich an. „Steig ein!", forderte er mich grinsend auf, jedoch zuckte ich gleichgültig mit den Schultern. Ich ging fort, er fuhr weiter.

„Möchtest du unbedingt, dass ich dich hochhebe und dich wie ein Kind anschnalle?", fragte er mich. „Eventuell", antwortete ich gelassen, drehte meinen Kopf nach rechts und lächelte. Er sollte mein Lächeln nicht mitbekommen.

„Wenn du unbedingt in meinen Armen liegen möchtest. Gerne!", sagte er und schaltete den Motor aus. Er stieg aus dem Auto aus, kam auf mich zu und hob mich mit den Tüten hoch.

„Hey, lass mich wieder auf die Beine!", sagte ich lachend und taumelte mit meinen Beinen hin und her.

Im Park standen einige Jungs, die ihre Augen in unsere Richtung gerichtet hatten und uns kritisch beobachteten.

„Hey, lass das Mädchen runter", rief einer von ihnen und kam mit großen Schritten auf uns zu. Yigit setzte seine Brille auf dem Kopf ab und schaute den Jungen verachtend an.

„Und wieso sollte ich es tun?!", fragte er ihn in einer ziemlich defensiven Ton. „Weil das Mädchen es möchte!"

„Möchten Sie runter?", stellte Yigit mir die Frage und schaute mich an. „Ja", antwortete ich frech und hielt mein Lachen schwer zurück.

Nicht ohne dichWhere stories live. Discover now