.15 - Erinnerungen

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Wieso war dieses Fach so stupide langweilig? Oder kam es mir nur so vor? Ich mochte von Anfang an Mathematik, aber ausgerechnet heute kam es mir trocken vor. Vielleicht weil meine Gedanken um dieses Theaterstück herumkreisten. Welches Stück würden die Leiter aussuchen? Welche Charaktere würden von welchen Studenten besetzt werden? Würden denn viele mitmachen?

„Asli, Asli-i", stupste mich Cemre von der Seite an und neigte ihren Kopf. „Wir können gehen, hörst du dem Dozenten überhaupt zu?!", fragte sie mich, gleichzeitig hob sie ihre Tasche vom Boden ab und stand von dem unbequemen Klappstuhl auf. Verplant versuchte ich meine Arbeitsblätter in die richtige Reihenfolge zu bringen und erhob mich ebenfalls von meinem Platz. Wir liefen beide durch die langen, engen Sitzreihen und verließen den großen Hörsaal, der für mehr als dreihundert Studenten gedacht war. Auf dem Weg zu der großen Kantine, die sich hinter der Universität, als eigenständiges Gebäude befand, flitzte Cemre auf Bulut, der ganz ruhig auf einer Holzbank saß, zu. Ich schlenderte genüsslich meinen Weg und traf einige Sekunden später meinen Freunden an.

„Na, du Schlafmütze", begrüßte ich Bulut und umarmte ihn. Er ließ mich los und zog kurz an meiner Nase. „Ich bin keine Schlafmütze so wie du", meinte er, dabei wuschelte er meine Haare, woraufhin ich sauer wurde und ihn an der Seite zwickte. „Wo warst du dann?", fragte Cemre neugierig neben uns. „Musste etwas klären."

„Erzähl schon, müssen wir dir denn alles aus der Nase ziehen?" Er seufzte laut und überlegte. „Hatte einen Termin bei dem Chef des Clubs Havanna, wo ich meinen Geburtstag feiern werde", erzählte er und als er den Mund aufmachte, um weiterzuerzählen, unterbrach ich ihn kurz: „Gut, dass du mich daran erinnerst. Ich muss mir dir wohl ein paar ernste Worte austauschen, aber erzähl du erst Mal weiter."

„Was habe ich denn schon wieder getan?", fragte er ernst nach, ich schüttelte kräftig mit meinem Kopf und forderte ihn zunächst einmal weiter zu reden auf. „Na gut, bevor gleich Asli Hackfleisch aus mir macht, führe ich Mal fort. Wir haben die Plätze festgemacht, beziehungsweise schon die Plätze für den kommenden Samstag reserviert. Und die ganzen Kleinigkeiten, was für Getränke und Snacks serviert werden etc. Reicht das fürs Erste?"

„So, nun kommen wir zu dir!"

„Oh, nein, lieber nicht Asli. Ich weiß schon, was für einen Anschein das Ende annehmen wird. Es war nicht meine Idee. Also zunächst am Anfang. Kaan hatte mir den Vorschlag gemacht und in erster Linie hatte ich auch daran gezweifelt, aber letztendlich hatte er mich überzeugt und nun ziehen wir das durch. Du kannst mich anschreien, schlagen, alles Mögliche mit mir machen, je nachdem wozu du Lust hast, aber ich bitte dich Asli. Lass mich an meinem Tag nicht allein. Nur das Eine Mal."

Nach dieser kurzen Rede hielt er inne und schaute mich gespannt an.

„Du bist blöd. Nein, ihr alle seid mir zu blöd! Zunächst werde ich mir diesen Kaan zuknöpfen. Und ihn zur Rede stellen! Wie soll ich das meinem Vater erzählen? Er wird mich töten, verdammt noch Mal!" „Reg dich ab. Wenn du möchtest kann ich mit ihm reden", versuchte mich Cemre in dem Moment zu beruhigen, aber das brachte eher den Fass zum Überlaufen. „Und was wirst du ihm sagen? Ihn etwa fragen, ob Asli nachts auf einer Party feiern darf? Nicht das mir mein Vater kein Vertrauen haben würde. Er vertraut mir und das ohne Zweifel, aber die Welt da draußen vertraut er nicht."

„Allerdings gibt es eine Alternative, zwar keine schöne, aber immerhin", sagte Cemre zurückhaltend. „Los raus mit der Sprache", bat ich sie. Sie lehnte sich ruhig an die Bank und schweifte ihre Blicke hin und her. „Wie wär es, wenn wir es deinem Vater nichts erzählen würden? Wir würden ihn doch nicht anlügen, nur es nicht erzählen...", sprach sie ganz leise. So leise, sodass man es als Flüstern wahrnehmen konnte.

Nicht ohne dichWhere stories live. Discover now