.13 - Seyma

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Sein Körper leicht angespannt. Er wartete, dass ich verschwand. Wenn er dachte, dass er nur in der Lage sei, mich mit bösen Blicken durchzubohren, täuschte er sich aber gewaltig. Meine Beine führten mich zum Balkon und ich atmete tief ein und aus. Wieso sah der Abstand, von hier aus betrachtete größer aus, als aus meinem Balkon? Oder bildete ich mir das nur ein? Einen unüberhörbaren Seufzer setzte ich aus, ehe ich die Balkonstange festhielt und einige Sekunden wartete, bis ich mein Bein über die Balkonstange herausstreckte.

Unerwartet, tauchte Yigit neben mir auf und hielt mich grob an meinem Arm fest.

„Pass auf!", dröhnte seine Stimme barsch. War er etwa sauer? Wütend? Ich konnte es nicht entziffern. Mit seiner Hilfe gelang ich auf die andere Seite und blickte ihn zum letzten Mal an, bevor ich in die Wohnung lief und aus seiner Nähe zurücktrat.

So, Asli. Nun überlege dir eine überzeugende Ausrede aus, warum du Bulut die Tür nicht aufgemacht hast!

Hastig flitzte ich ins Zimmer, holte mir meine Dr. Dre Kopfhörer, dazu meinen Ipod aus der Schublade heraus. Ich verunstaltete mein Bett, sodass es aussah, als ob ich die letzten Minuten dort verbracht hätte und in Ruhe meine Musik gehört hätte. Nachdem ich die technischen Geräte auf dem Bett verteilt platziert hatte, flanierte ich wieder zum Flur. Atmete zuletzt noch einmal tief ein und öffnete daraufhin die Haustür. „Bulut", sprach ich leicht überrascht. Zumindest hoffte ich innerlich, dass es überrascht vorkam.

„Asli, wo steckst du?!", fragte er gerade nicht ruhig nach und trat in die Wohnung hinein. „Ähm, Zuhause?", erwiderte ich und schaute ihn erwartungsvoll an und schloss die offene Tür zu.

„Du weißt nicht was für Sorgen ich mir gemacht habe", klang seine Stimme wieder etwas ruhiger als zuvor und trat ein Schritt auf mich zu. Er nahm mich herzlich in die Arme und streichelte meine Haare durch. Langsam löste sich auch seine Körperspannung auf und trennte sich von mir. „Willst du etwas zum Trinken haben?", fragte ich ihn und zeigte ihm mein wunderschönes Lächeln. „Ein Glas Wasser wäre nicht schlecht", antwortete er wieder mit einem Grinsen im Gesicht und lief in meine Küche.

Ich beobachtete ihn, wie er die Balkontür öffnete und die frische Luft in sich hineinzog. Das mit Wasser gefülltem Glas stellte ich auf den Esstisch ab und schlich mich leise an ihn heran. „Hu-hu, wovon träumst du wieder?", flüsterte ich dicht an seinem Ohr und tippte ihn leicht an seiner Schulter. „Nichts", antwortete er kurz und knapp und seine Augen wanderten über meinen Balkon.

Wir setzten uns an den Esstisch und quatschten eine Weile, bis er mich auf das Thema, das ich versucht hatte zu vermeiden, ansprach.

„Sag Mal, warum hattest du eben solange gebraucht die Tür aufzumachen?" „Die Tür?", fragte erst fassungslos nach, „Ach ja, ich habe die Tür nicht gehört", klärte ich ihn auf.

„Die Tür nicht gehört? Asli, du solltest, wenn du Zeit dazu haben solltest, einen Ohrarzt aufsuchen. Weißt du wie lange ich vor der Tür stand?"

„Ähm, lange?", ich hob eine Augenbraue und machte große Augen. Schließlich sollte es überzeugend rüber kommen und außerdem, wusste ich doch gar nicht, wie lange er vor der Türe auf mich gewartet hatte... „Ich war im Zimmer und war vertieft in den Gedanken, als ich Musik gehört habe", versuchte ich ihn weiter zu erweichen. Er schaute mich etwas verwirrt oder auch irritiert an, jedoch lächelte er am Ende, sodass ich als Schlussfolgerung ziehen konnte, dass er mir meine Lüge abgekauft hatte. ‚Gut', lobte mich die Stimme in mir.

„Ach, ich habe es total aus dem Gedächtnis verloren. Wie geht's deinem Fuß? Hast du noch Schmerzen?", meldete sich wieder die bekannte, fürsorgliche Stimme. „Bu-lut", meinte ich gelassen und verdrehte mir dabei die Augen, „Ich fühle mich wohl, glaub mir."

Nicht ohne dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt