DAY 1

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Das helle Licht der Sonne weckt mich aus meinem eh schon unruhigen Tag. Ich drehe mich verschlafen auf die Seite. Es ist bestimmt schon Mittag.
Das spüre ich an vereinzelten Sonnenstrahlen die mich durch meine geschlossen Lieder blenden. Ein bekannter Geruch steigt mir in die Nase. Jayden.
Aber warum?
Ich öffne meine Augen und sehe einen nackten Oberkörper neben mir liegen. Erschrocken fahre ich hoch und sehe mich um.
Tisch, Stühle, Fernseher, Wald aber nicht mein Zimmer.
Entführung... fällt es mir wieder ein.
Ich sehe noch mal zu Jayden. Er hat nichts bemerkt. Vorsichtig krabble ich ans Bettende und stehe auf. Ich strecke mich und muss mir ein lautes Gähnen verkneifen. Langsam öffne ich die Tür und schließe sie hinter mir wieder. Etwas entspannter gehe ich dann ins Badezimmer und ziehe mich nachdem ich abgeschlossen habe aus. Ich steige in die Badewanne, die auch als Dusche dient und öffne den Wasserhahn. Zuerst bekomme ich lange Zeit nur kaltes Wasser raus, doch nach und nach wird es wärmer. Ich schließe die Augen und stelle mich unter den Strahl. Mit den Händen massiere ich meine Kopfhaut.
Wie das befreit.
Nach einer gefühlten Ewigkeit stelle ich es fest, dass es von Vorteil wäre mich auch ein zu shampoonieren. Nur habe ich nichts hier. Ich schiebe den Duschvorhang auf und strecke mich nach der Reisetasche von Jayden. Wenn er mir Sachen mitgebracht hat dann bestimmt auch Shampoo.
Natürlich hat der Idiot das vergessen.
Seufzend sehe ich mich um. Am Badewannenrand ist ein Duschgel für Männer. Höchstwahrscheinlich seins. Ich ziehe den Vorhang wieder zu und nehme es zögernd in die Hand. Es riecht wirklich gut.
Einfach nach ihm.
Ich schüttele den Kopf über mich selbst und drücke mir einen Klecks auf die Hand, ehe ich es in meinen Haaren und meinem Körper einmassiere. 

Nach dem Duschen trockne ich mich ab und entdecke eine Waschmaschiene hinter einem davor befestigtem, rot- weiß, karierten Vorhang. Ich schaue in die Ecke wo Jayden seine Sachen einfach liegen lassen hat.
Jungs und ihre Unordnung.
Seufzend stecke ich meine Unterwäsche rein und mustere dann wieder seinen kleinen Wäschehaufen. Da ich keine Anzeichen finde, die mich vielleicht erschrecken könnten, stecke ich auch seine Wäsche in die Maschiene. Später werde ich die Ladung waschen. Zufrieden richte ich mich auf. Nun muss ich mich nur noch anziehen. Es wäre blöd nur mit einem Handtuch umwickelt raus zu gehen. Sofort erinnere ich mich an den Vorfall Ende letzer Woche. Ich muss schmunzeln und wühle in der Tasche nach Unterwäsche. Alles nur Unterwäsche mit Spitze.
Das ist doch keine normale Unterwäsche?
Das sind Dessous!
Kopfschüttelnd schlüpfe ich in ein schwarzes Set, welches erstaunlich gut sitzt. Eins muss ich ihn lassen, - er hat Geschmack.
Ich drehe mich im Spiegel und versuche ein Gesamtbild von mir in der Spitzenunterwäsche zu kriegen. Natürlich klappt es nicht weil der Spiegel viel zu klein ist. Schmollend schlüpfe ich wieder in das Top und in die Shorts und verlasse das Bad.
Mein Magen knurrt. Ich schaue in den Kühlschrank doch bis auf eine Packung Butter die abgelaufen ist, ist da nichts drin. Mit einem kleinen Schimmer von Hoffnung sehe ich auch in den zwei vorhandenen Küchenschränken nach. Ebenfalls nichts. Seufzend gehe ich zurück in den Eingangsberreich. Aus der großen Haustür scheint die Sonne herein. Ich gehe auf sie zu, schlüpfe in meine Schuhe und schließe die Tür auf. Eine warme Briese umhült mich und ich habe den Geruch von Natur in der Nase. Ich gehe das Geländer der Terrase ab und lehne mich gegen.
Es ist so schön ruhig.
Ein Hase, der erschrocken umher sieht, weckt meine Aufmerksamkeit. Der Hase macht ein paar Sprünge nach vorne und wiederholt dann seine Geste. Schmunzelnd schließe ich die Augen und atme noch einmal tief die frische Luft ein. "Regel Nummer eins, verlass' das Haus nicht ohne mir Bescheid zugeben." Erschreckt Jayden mich. Ich zucke zusammen. "Ich bin doch nur kurz an die frische Luft gegangen." Antworte ich und verdrehe die Augen ehe ich mich zu ihm drehe. Jayden mustert mich für einen Moment. Seine Miene ist ernst.
Kann der Junge nicht einmal entspannen? „Wer würde sich denn die Mühe machen mich hier aufzusuchen? Sind wir überhaupt noch in Amerika?" Er verdreht die Augen und kommt auf mich zu. „Bethy, das ist kein Spaß." Ich seufze. "Ist ja nicht so, dass du mich in einen Wald verschleppt hast." Murmle ich und gehe an ihm vorbei, wieder ins Haus. Jayden schließt die Tür als ich mir die Schuhe abstreife. "Wir haben nichts zu Essen." Teile ich ihm mit und betrete unseren neuen Wohnbereich. Jayden folgt mir und fährt sich verschlafen durch die Haare. "Ich mache mich fertig und dann fahr ich los. Hast du irgendwelche Wünsche?" Ich denke kurz nach. "Vielleicht wäre Shampoo angebracht? Ich musste vorhin deins benutzen." Aus Reflex rieche ich an mir. Jayden schmunzelt "Und das ist schlimm, weil?" Ich weite die Augen. "Es ist nicht schlimm, nur würde ich gerne nicht nach dir riechen, sondern vielleicht mehr weiblich?" Er nickt. „Und was hast du dir dabei gedacht als du mir die Wäsche gekauft hast? Das ist doch nicht normal." Frage ich immer noch etwas gereizt.  „Ich habe die Unterwäsche ausgesucht in der ich mich dich gerne vorstelle." Sprachlos sehe ich ihn an. „Geh." bitte ich ihn Kopf schüttelnd. Lachend verlässt er den Raum. Ich setze mich seufzend auf das Bett und sehe unsere Schlafplätze an. Kurz danach höre ich das Wasser neben an laufen. Ich lege mich hin und schaue an die Decke. Wie kann er so etwas sagen?
Er stellt sich mich in Unterwäsche vor?

Jayden ist nun schon vier stunden Weg.
Ich habe alles mögliche versucht zu machen um die Zeit zu vertreiben. Im Küchenflur habe ich eine Schlaufe an der Decke gefunden. Nach einem kurzen ziehen, knallte eine Deckenplatte gegen meinen Kopf. Nach minimaler Bewusstlosigkeit habe ich eine ausfahrbare Leiter gefunden. Im oberen Geschoss war nur ein einziger großer Raum, mit verschiedenen Krempel. Ich entdeckte einen alten CD Spieler mit CDs aus den 80gern, ein Brautkleid in einer Kiste und alte Bücher. Eins von ihnen schien ganz interessant zu sein also schnappte ich es mir und ging wieder nach unten. Ich fuhr alles wieder ein und setzte mich zurück auf das Bett.

Mittlerweile habe ich das Buch fast zur Hälfte durch. Erst das klacken der Haustür macht mich aufmerksam. Ich klappe das Buch mit der gemerkten Seitenzahl zu und gehe in den Flur. Jayden steht mit zwei großen Tüten die fast seinen Kopf überdecken einfach nur da. "Anstatt so blöd zu gucken, könntest du mir mal helfen." Nuschelt er und schreitet wackelig Richtung Küche. "Du hättest auch zwei mal laufen können." Er wirft mir einen vernichtenden Blick zu. „Okay, okay." Gebe ich schnell von mir und nehme ihm eine der Tüten ab. "Was hast du gekauft? Die Tüte wiegt ja Tonnen." Erschöpft lege ich sie neben die andere auf die kleine Küchenplatte. Jayden lehnt sich an die Wand hinter uns und atmet erleichtert aus.
Er sieht gut aus.
"Genug um die nächste Zeit davon leben zu können." Ich schaue in die Tüten und dann wieder zum erschöpften Jayden. "Geh schon, ich räume das aus." Dankend geht er in den Wohnbereich und schließt die Tür.
Nachdem die Tüten ausgeräumt sind und ich alles an seinen neuen Platzt sortiert habe fange ich uns an was zu kochen. Jayden hat den Raum nicht mehr verlassen. Was er wohl macht?

Mit Besteck und zwei Tellern betrete ich das Zimmer in dem er sich befindet. Jayden liegt im Bett. Der Fernseher läuft doch Jayden schaut auf einen Notizblock. "Essen ist fertig." Murmle ich und decke den Tisch. "Ich bin am verhungern." Seufzt er und setzt sich an den Tisch. Ich hole unser Essen und verteile es auf die Teller. "Hast du nicht da wo du warst was gegessen?" Frage ich nachdem ich meinen ersten Bissen runter geschluckt habe. Jayden schüttelt den Kopf. "Wieso nicht?" Er wischt seinen Mund mit einer Serviette ab und grinst mich an. "Weil ich das nicht fair fand. Außerdem wollte ich nicht länger als nötig dort Zeit verbringen." Ich hebe die Augenbrauen.
Er hat mich berücksichtigt?
Wie nett von ihm.

Nach dem Essen sitzen wir uns schweigend gegenüber. Ich bin total satt und fahre mir durch die Haare. "Wo hast du eigentlich alles her?" Er schmunzelt. "Aus einem Supermarkt." Ich verdrehe die Augen. "Und wo befindet sich dieser?" Jayden wischt sich mit beiden Händen müde durch sein Gesicht. "Das werde ich dir nicht verraten aber ich musste lange fahren." Ich ziehe eine Schnute und verschränke die Arme ineinander. "Warum nicht?" Er erhebt sich. "Denk an die Regeln, Bethy." Seufzt er und nimmt unsere Teller. "Lass gut sein ich mach das." Murmle ich und will ihm die Teller ab nehmen doch er zieht sie zurück. "Nimm du lieber den Rest." Er nickt Richtung Tisch. Ich tu was er sagt und folge ihm in den Küchenbereich. "Überlass den Abwasch mir." Weise ich ihn an. "Wirklich?" Ich nicke und beginne schon mit dem ersten Teller. „Du musst das nicht machen." Ich zucke mit den Schultern. „Wozu hast du mich denn sonst entführt." Er legt den Kopf schräg. „Zu früh, für solche Witze?" Er lächelt. „Ich will dass du weißt, dass ich nie sowas tun würde wenn es nicht dringend wäre. Es kam alles so plötzlich und es ist das beste für dich, vertrau mir bitte." Langsam nicke ich. Ich vertraue Jayden.
"Gut, dann lege ich mich mal hin." Jayden verschwindet wieder und ich bin alleine im schlecht beleuchteten Flur.

Ich gehe ins Bad und mache mich noch einmal frisch ehe ich auch ins Bett gehe. Jayden hat die Augen zu. Ich lege mich leise neben ihn und starre eine ganze Weile einfach in die Dunkelheit.
Ob jemand überhaupt bemerkt hat das ich weg bin?
Mom und Dave.
Sie drehen bestimmt durch.
Ich atme tief durch und schließe meine Augen.
Warum zur Hölle hat Jayden mich nur entführt?

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Überarbeitet am 01.01.2019

Instagram: @ vicky_vas

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