4 - Ablenkung - Teil 1

79 17 48
                                    

Sie träumte von Dereck, der über ihr stand, sie auslachte und ihr sagte, dass sie wie ein kalter, toter Fisch war und dass er sie doch lieber erwürgt oder zu Tode geprügelt hätte. Wie auf Kommando reagierte ihr Körper auf die Schmerzen im Geiste und sie meinte, jeden einzelnen Hieb erneut zu fühlen. Als Dereck seine Hand auf ihr Gesicht zu sausen ließ, wachte sie auf und sah sich panisch um.

Nur langsam drang in ihr Bewusstsein ein, dass sie in Sophies Badewanne saß. Dann spürte sie das eiskalte Wasser, das ihren Körper umspülte und sie bibbern ließ. Wie lebensgefährlich in der Wanne einzuschlafen! Das hätte richtig ins Auge gehen können! Schnell stellte sie den Wasserhahn auf heiß und füllte Flüssigkeit nach. Sie wusste allerdings nicht, ob die Kälte in ihr drin oder nur auf die Temperatur des Wassers zurückzuführen war. Panisch fing sie an, sich zu waschen. Sie schrubbte ihre Haut, bis sie rot war. Auch da war sie sich nicht sicher, ob ihre hektischen Bewegungen oder das mittlerweile heiße Wasser ihre Haut prickeln ließen. Schließlich hörte sie auf. Sie stellte den Wasserhahn aus, öffnete den Stöpsel der Wanne und stieg raus. Während sie sich abrubbelte, vermied sie es zwar, in den Spiegel zu sehen, aus Angst die Fassung völlig zu verlieren und ins Tal der Tränen abzutauchen, doch sie sah die sich verfärbenden Prellungen im Augenwinkel. Eilends zog sie sich an und verließ das Bad.

Sie hörte in die Stille hinein, die einzig von Sophies melodischen Tippen auf ihrem Laptop unterbrochen wurde. Im Moment war sie froh, dass ihre Freundin arbeitete, denn sie konnte sich nicht mit ihr auseinandersetzen. Sie ging in die Küche, machte sich eine neue Flasche Wein auf und trat damit zur Couch, um fernzusehen. Ein Glas ums andere leerte sie und als sie angenehm benebelt war, gefiel ihr sogar das gezeigte Programm immer mehr. Nach einer Weile sah sie auf die Uhr und stellte fest, dass es Zeit zum Abendessen war. Sie warf die leere Flasche in den Müll und überlegte fieberhaft, was sie sich und ihrer Freundin kredenzen konnte. Da es bei ihr nicht sonderlich weit her war mit den Kochfähigkeiten, entschied sie sich nach Sicht in den Kühlschrank für Sandwiches und Salat.

‚Das hätte Mom gefallen, dass ich brav Salat esse', dachte sie gehässig.

Wie um ihrer Gedanken Lügen zu strafen, strich sie extra viel Mayo auf die getoasteten Brotscheiben. Dann belegte sie diese großzügig, verteilte alles auf zwei Teller, schnitt die Toastscheiben noch in Dreiecke und betrat das Schlafzimmer, wo ihre Freundin konzentriert auf die Tastatur hämmerte.

„Abendessen!", verkündete sie fröhlich.

Sophie unterbrach das Tippen, schaute aus dem Fenster, dann auf die Uhr und murmelte: „Doch schon so spät."

Als sie ihren Gesichtsausdruck sah, runzelte Sophie die Stirn, entschied sich jedoch wohl, kein Wort darüber zu verlieren, und fragte stattdessen: „Wie komme ich zu der Ehre, dass du uns Abendessen machst?"

Sie zuckte grinsend mit den Schultern und meinte: „Na, wenn ich dir jetzt schon länger zur Last falle, dann kann und will ich mich nicht die ganze Zeit von dir bedienen lassen."

Ihre Zunge war etwas schwerer, was Sophie offenbar dazu bewog, die Augenbrauen in die Höhe zu ziehen, als sie den Teller und die Gabel in Empfang nahm. Ihre Freundin durchbohrte sie förmlich mit ihren Augen. Doch das störte sie gerade nicht.

„Hast du getrunken?", fragte ihre Vertraute frei heraus und nahm einen Bissen vom Sandwich.

Sie nickte friedfertig und erwiderte kauend: „Hmm, ein bisschen."

„Wie viel ‚ein bisschen'?", erkundigte Sophie sich scharf und sie zuckte mit den Schultern.

„Hmm ... so ... ich glaub eine Flasche Wein", erklärte sie freimütig, da sie sich großartig fühlte und fügte schulterzuckend an: „Mir war'n wenig langweilig."

Soundtrack des Herzens - IntroWhere stories live. Discover now