13 - Der Bruch - Teil 3

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Langsam stand Lucy auf. Sie wankte, denn die Anstrengung des Tanztrainings und die Kollision mit ihrer Mutter hatten ihr alle Kraft geraubt. Er warf sich ihre Tasche über die Schulter und stützte sie. Der Tag hatte ihr offensichtlich alles abverlangt. Sie bogen aus der Neben- auf die Hauptstraße, riefen ein Taxi, stiegen ein und Leon nannte dem Fahrer die Adresse des Hotels.

Dort angekommen, sprang sie aus dem Wagen und lief auf die Aufzüge zu, während Leon die Taxe bezahlte und sich beeilte, ihr zu folgen. Keiner sprach ein Wort und als sie im Zimmer waren, zerrte sie ihre Koffer und Taschen aus dem Schrank und fing an, in Windeseile zu packen. Auch Leon packte seine Sachen, jedoch deutlich langsamer.

„Willst du das wirklich tun, Lu?", fragte er vorsichtig und sie drehte sich wütend zu ihm.

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Sie starrte ihn an und erwiderte: „Ja. Mit dir oder ohne dich."

Sie konnte nicht bleiben, wieso mussten sie jetzt darüber diskutieren? Sie bekam keine Luft. Alles in ihr war ein einziger Eisbrocken und sie hatte das Gefühl, gleich zu brechen. Wut war das Einzige, was sie gerade noch aufrecht hielt. Doch Verzweiflung wartete schon, sie abzulösen, sie spürte es.

„Mit mir natürlich. Ich will nur, dass du dir sicher bist. Sie ist deine Mutter", antwortete er gelassener, als er sich fühlte und sie kämpfte weiter dagegen an, sich so verloren zu fühlen, wie die Verzweiflung es ihr sagte.

„Ja und was für eine! Ich habe die letzten Monate viel erduldet, Leon, und jetzt ist es genug. Sie hat mich ausgelacht und verhöhnt! Sie hat mich bloßgestellt und immer wieder bewiesen, dass nicht ich ihr wichtig bin, sondern mein Talent! Es reicht! Und zwar endgültig!", rief sie und warf den ersten Koffer zu.

Sie packte weiter alles ein, das sie in die Finger bekam. Als der Schrank leer war, betrat sie das Bad, um dort fortzufahren. Zuletzt räumte sie den Schreibtisch aus. Ihr Laptop, ihr Pass und zwei Kreditkarten landeten in einer Reise- oder ihrer Handtasche. Zuletzt nahm sie den Gitarrenkoffer, den sie in New Haven erstanden hatte, und stellte ihn neben ihre Sachen.

Die andere Gitarre musterte sie traurig, ließ sie aber stehen. Sie konnte sie nicht mitnehmen. Es war zu aufwendig, beide Musikinstrumente mitzunehmen. Dann griff sie zum Telefon. Sie bemerkte, dass Leon sie still beobachtete. Er wirkte nicht so, als wäre er sonderlich glücklich über ihre Entscheidung. Aber die stand fest. Sie würde ersticken, wenn sie bliebe, also musste sie weg. Ob mit ihm oder ohne ihn machte keinen Unterschied in diesem Moment.

„Rezeption? Bitte schicken sie uns doch einen Pagen hoch auf Zimmer 509. Wir verreisen", sagte sie, wartete die Antwort des Hotelangestellten ab und bedankte sich.

Dann sah sie Leon an und flüsterte: „Tut mir leid, dass dein Aufenthalt in Los Angeles so kurz war."

„Ist nicht wichtig, Lu. Ich gehöre da hin, wo du bist", sagte er leise und sie nickte erleichtert, weil das zumindest klärte, dass sie den weiteren Weg mit ihm gehen würde.

Was aber nicht hieß, dass sie den Hauch einer Ahnung hatte, wohin sie dieser führen sollte. Jetzt wo alles gepackt war und ihre Hände zwangsläufig zur Ruhe kamen, schlug Angst über ihr zusammen. Wie eine Monsterwelle zog sie plötzlich die Erkenntnis unter Wasser, dass dieses Hotel ihr Zuhause gewesen war.

So sehr sie sich dagegen wehren wollte, als ihre Augen jetzt über das ordentliche Bett mit der schlichten, in kühlem Türkis gehaltenen Tagesdecke und den gleichfarbigen Vorhängen vor den Fenstern glitt, die sich neben dem Zweiertisch bauschten, ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Hier hatte sie einen sehr wichtigen Song fertiggestellt und war zum ersten Mal in ihren 21 Jahren für sich selbst eingetreten. Hier hatte sie zugeben können, dass sie Leon liebte, und hatte es ihm gestanden.

Soundtrack des Herzens - IntroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt