4 - Ablenkung - Teil 2

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Sie war derart erschöpft eingeschlafen, dass sogar ihr üblicher Alptraum ausgeblieben war, also fühlte sie sich fit und beschwingt, als sie aufstand und in den Wohnbereich trat. Als Erstes wollte sie sich bei Sophie entschuldigen.

‚Schon wieder', tadelte sie sich und runzelte die Stirn.

Von Sophie war keine Spur, weder im Wohnbereich noch in der Küche. Sie zuckte mit den Schultern und betrat das Badezimmer. Nach der üblichen Morgenhygiene stieg sie unter die Dusche. Als sie danach ihr Gesicht begutachtete, fand sie, dass ihr die Regenbogenfarben besser standen als die dunkellila Flecken. Mit knurrendem Magen ging sie anschließend in die Küche, wo ihr ein Zettel auffiel, der an den Kühlschrank gepinnt war.

„Liebe Lucy, ich musste leider zur Uni - ich hatte dir von der Vorlesung erzählt. Ich werde wohl den ganzen Tag beschäftigt sein und nehme uns abends was vom Chinesen mit. Frühstück ist im Kühlschrank. Im Schrank neben dem Herd steht auch Müsli, falls du welches dazu möchtest. Viel Spaß, Sophie", stand darauf und sie zuckte mit den Schultern.

Sie öffnete das Kühlgerät und fand Obstsalat sowie cremigen Joghurt vor. Da sie wirklich Lust auf ein paar Zerealien hatte, gab sie noch ein bisschen Müsli in den den Naturjoghurt, setzte sich an den Tresen und begann zu essen.

Danach spülte sie pflichtbewusst das Geschirr und versuchte, ein wenig an ihrem Song zu feilen. Doch es schien kein guter Tag dafür zu sein, denn die Musik wollte nicht fließen. Nach zwei Stunden brach sie frustriert ab und setzte ihre Gitarre ab. Sie setzte sich aufs Sofa, wild entschlossen, sich von den immerwährenden Wiederholungen im TV bis zur endgültigen Verdummung berieseln zu lassen. Sie ließ sich im Schneidersitz nieder und folgte dem Programm.

Als sie wieder auf die Uhr sah, war es Zeit zum Abendessen, also stand sie auf und begann den Tresen einzudecken. Sie öffnete eine Flasche Wein und wartete auf Sophie, während sie lustlos eine Zeitschrift durchblätterte, die sie im Zeitungsstapel gefunden hatte. Nach einer weiteren langweiligen halben Stunde hörte sie endlich, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Sie stand auf und sah Sophie schwer bepackt durch die Tür stolpern. Sie lief zu ihrer Freundin und nahm ihr das Essen ab, das verführerisch duftete.

Als Sophie in die Küche kam, staunte sie wohl, dass sie gedeckt hatte, und meinte: „Oh wie schön. Du hast bereits alles vorbereitet. Wie lieb von dir, ich hab auch schon echt Kohldampf."

Währenddessen stand sie vor ihrer Freundin und knetete nervös ihre Hände, die sich an den Tresen setzte und offenbar darauf wartete, dass sie ebenfalls Platz nahm. Aber sie konnte nicht.

Als Sophie ungeduldig wurde, fragte sie nochmal freundlich: „Lu? Wollen wir essen?"

„Es tut mir so leid", brach es plötzlich aus ihr heraus und musste sich beherrschen nicht wieder zu flennen.

„Was tut dir leid?", meinte Sophie, die sofort zur Weinflasche sah.

Sie war dem Blick ihrer Freundin gefolgt und war verletzt, auch wenn sie es verstand, deswegen würgte sie hervor: „Wegen gestern. Ich ... ich hab mich wie ein Ekel benommen. Ich hab nichts getrunken ... ich dachte nur, dass es die perfekte Ergänzung wäre zu unserem Essen. Aber ich kann auch nur Wasser trinken."

Sophie winkte ab, goss ihnen beiden ein Glas ein und klopfte auf den Hocker neben sich. Während sie sich in Bewegung setzte, fragte Lu hoffnungsvoll: „Also ... verzeihst du mir?"

„Vergeben und vergessen. Wir können's nicht mehr ändern. Und nun komm schon, das Essen wird kalt und ich verhungere!", erwiderte ihre Freundin und wiegelte die harschen Worte mit einem Lächeln ab.

Zwar wusste Lu, dass Sophie die Entschuldigung nur halb angenommen hatte, gab sich jedoch für den Moment damit zufrieden. Sie aßen ihr Chop Suey und ließen sich den Wein dazu schmecken, plauderten über den vergangenen Tag und sie freute sich, zu hören, dass Sophie, trotz der Schwierigkeiten, die sie am Vorabend gemacht hatte, ihre Hausarbeit pünktlich abgeben konnte. Dann wollte sie wissen, wie der Tagesablauf der nächsten Tage aussah, und Sophie teilte ihr bedauernd mit, dass es den Rest der Woche ähnlich laufen würde, wie am heutigen Tag. Das Semester neigte sich dem Ende zu und die Prüfungen standen kurz bevor. Dafür hatte sie natürlich Verständnis, auch wenn sie die Aussicht auf weitere langweilige, trostlose Tage nicht sonderlich begeisterte. Auch als ihre Freundin nach ihrem Mahl aufstand, den Tisch abräumte und spülte, um ihr dann zu verkünden, sie müsse noch ein wenig recherchieren, hob sich ihre Laune nicht gerade.

Soundtrack des Herzens - IntroWhere stories live. Discover now