5 - Gefühle - Teil 2

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Sie wachte auf, weil die frühe Nachmittagssonne auf ihr Gesicht fiel. Staubteilchen glitzerten wie Diamantenstaub im Licht, als sie die Augen öffnete. Sie hatte gut geschlafen und fühlte sich ausgeruht. Sie setzte sich auf und sah Leon am Tresen sitzen, irrsinnig konzentriert auf die Tasten seines Laptops hämmernd.

Zuneigung überrollte sie. Er hatte sich nicht nur ihren furchtbaren Traum angehört und sie gehalten, als sie weinte, nein, er hatte auch den Wutanfall ertragen und sie wieder getröstet, als sie erneut zusammengebrochen war. Und er saß hier. Er hatte sich nicht von alldem abschrecken lassen. Zwar schämte sie sich schrecklich für die Szene, die sie ihm geliefert hatte, trotzdem war sie froh, dass er da war. Als ob er ihren Blick gespürt hätte, hielten seine emsigen Finger jäh auf der Tastatur inne und er drehte sich um.

Er hatte noch eine Denkerfalte zwischen den Augen, die sich sofort glättete, als er sie anlächelte und fragte: „Hey. Na, gut geschlafen?"

Sie erwiderte das Lächeln automatisch und da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, machte sie: „Hm."

Leon nickte und erklärte: „Du siehst jetzt besser aus. Erholter, meine ich."

Sie hatte keine Ahnung, was sie darauf erwidern sollte, also stimmte sie zu, erhob sich und ging erst mal auf die Toilette. Als sie zurückkam, war er gerade dabei, seine Arbeitsutensilien wegzupacken. Er würde doch nicht verschwinden, oder? Denn plötzlich fühlte sich das nicht richtig an.

Weswegen sie sich beeilte, vorzuschlagen: „Du musst jetzt nicht gehen. Also, äh, du kannst hier weiter lernen, ich verhalte mich auch ganz ruhig."

Sie sah, wie seine Augen amüsiert aufblitzten, ehe er mit den Schultern zuckte und erwiderte: „Ich wollte nicht gehen. Aber eine Lernpause wird mir guttun, mein Kopf schwirrt schon von den ganzen Paragrafen. Außerdem dachte ich, wir wollten ins Kino."

Ok, damit hatte sie nicht gerechnet. Vielleicht war es doch besser, wenn er ging. Wenn er über den Büchern saß, war er da, doch abgelenkt und sein Fokus lag nicht auf ihr. Falls er jedoch nicht lernte, dann musste sie sich mit ihm unterhalten und sie war gerade zu verwirrt. Wieso fiel ihr plötzlich auf, dass seine Augen die Farbe von Kaffee hatten?

„Du willst noch ins Kino? Aber du hast bald Prüfungen und ich hab dich heute lange aufgehalten. Außerdem wird Sophie bald heimkommen", entgegnete sie und sah, wie er sich ein Lächeln verkniff.

Als würde er genau wissen, was in ihr vorging, erwiderte er vergnügt: „,Keine Ausreden, Lu! Ja, ich hab bald Prüfungen, aber ich denke, das bekomme ich schon hin. Du hast mich nicht aufgehalten, denn ich bin freiwillig geblieben, und habe die Zeit, ganz braver Student, fürs Büffeln genutzt. Sophie kommt garantiert nicht vor sechs und jetzt ist es gerade mal halb zwei. Wie du siehst, haben wir noch viel Zeit unsere Verabredung einzuhalten."

„Du solltest wirklich Anwalt werden", grummelte sie, als sie nochmal ins Badezimmer schlurfte, um sich die Haare zu richten und Make-up aufzulegen.

Als sie wieder in den Wohnbereich trat, lehnte Leon locker am Tresen. Als er ihre Anwesenheit bemerkte, sah er auf und lächelte. Er hatte ein schönes Lächeln. Scheiße. Das hatte sie nicht gerade gedacht!

Jetzt war sie wieder nervös und hörte, wie er meinte: „Ich war so frei und habe Sophie eine Nachricht hinterlassen, damit sie sich nicht sorgt, falls sie doch früher nach Hause kommt. Also können wir?"

Sie nickte, weil sie nicht wusste, was sie darauf sagen sollte. Woher kamen den jetzt diese Gefühle? Das konnte sie sich doch nicht erlauben! Immerhin hatte sie bewiesen, dass sie ihrem Urteil nicht wirklich trauen durfte. Aber ihr Herz klopfte schneller und sie wusste, dass Gefühle für Leon keine gute Idee waren. Alles, was über Freundschaft hinausging, war ungünstig. Aber ihre Hände waren feucht geworden bei seinem Lächeln. Wie sollte das funktionieren? Still verließen sie die Wohnung und stiegen in sein Auto.

Soundtrack des Herzens - IntroWhere stories live. Discover now