5 - Gefühle - Teil 1

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Er stand über ihr und lachte. Er verhöhnte sie, während er immer wieder gewaltsam eindrang. Sie empfand den Schmerz, der daher rührte und hörte sein Keuchen.

Sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken, roch seinen Schweiß und hatte nur einen Gedanken: ‚Oh Gott, mach, dass es aufhört!'

Sie hörte ihr eigenes Wimmern, als ob sie nicht in diesem Körper stecken würde. Jenem, der zusammenzuckte, im steten Rhythmus seiner Stöße. Dann war es, als würde die Zeit stillstehen, als er ein langgezogenes Stöhnen ausstieß. Ihr Unterleib schien Feuer gefangen zu haben und sie war bis zum Äußersten verkrampft. Als er sich zurückzog, stieg ein neuer Geruch in ihre Nase. Sie wusste nicht, wie sie diesen Gestank beschreiben sollte, ahnte aber instinktiv, dass sie ihn nie vergessen würde.

Während sie zusammenbrach und sich umdrehte, verspottete er sie höhnisch, kam er ihr nochmals nahe und lachte ihr ins Gesicht: „Du wirst mich nie vergessen! Ich war dein Erster!"

Schweißnass wachte sie auf und der stille Schrei starb auf ihren Lippen. Lucy sah sich verwirrt um. Sie hätte erwartet, im Park aufzuwachen und brauchte einige Momente, bis ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt und ihre Gedanken wieder in der Gegenwart waren. Ihr liefen Tränen über das Gesicht und sie krabbelte auf allen vieren ins Badezimmer, zog sich aus, stieg unter die Dusche und schrubbte sich. Sie kratzte an ihrer Haut, bis der innerliche Druck abnahm und sie nur noch Schmerz spürte. Sie weinte die ganze Zeit und als sie das Duschgel auf ihrem Körper verteilte, brannte es wie eine Lunte auf ihrer aufgekratzten Haut. Sie hieß die Empfindung willkommen, mit dem wirren Gedanken, der Schmerz würde die Wunde in ihrem Inneren ausbrennen.

Sie kämpfte gegen den Geruch in ihrer Nase, verzweifelt darum bemüht in der Gegenwart anzukommen, wo sie nur den Duft ihres Duschgels wahrnehmen konnte. Ihr Verstand wusste das, spielte ihr aber gleichzeitig den Streich, ihn zu riechen. Sie wollte seinen Geruch loswerden, das Gefühl seiner Hände, seines Körpers an ihrem. Doch noch war logisches Denken fern und die Erinnerung an den Traum war übermächtig. Verzweifelt stellte sie das Wasser eiskalt, bemüht, einen klaren Gedanken zu fassen. Und schleppend, ganz langsam, sickerte die Logik zurück in ihr Hirn. Sie zitterte am gesamten Körper, als sie es schließlich schaffte, die Dusche zu verlassen. Ihre Kehle war wie ausgedörrt und mit Entsetzen entdeckte sie die langen, teilweise blutigen Striemen und Kratzer im Spiegel. Immer noch auf wackligen Beinen trocknete sie sich ab und zog sich an.

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„Nur ein Traum, nichts als ein Traum", sagte sie halblaut zu sich selbst, als sie das Badezimmer verließ und in die Küche schwankte, um ihrem Hals einen Schluck Wasser zu gönnen.

Kraftlos setzte sie sich an den Tresen und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen: Sie musste mit dem Buch in der Hand eingeschlafen sein, denn sie war völlig entspannt gewesen. Doch die Wucht dieses Traums traf sie. Sie hatte gedacht, die Zeit der Alpträume wäre vorbei, aber das war offenbar ein Riesenirrtum gewesen. Es war, als hätte sie nochmal alles durchleiden müssen. Würde das jetzt ihr Schicksal sein? Diese Nacht immer wieder zu erleben, wenn auch nur im Traum? Abermals rannen Tränen über ihr Gesicht, sie versuchte, sie zurückzudrängen, gab dann aber auf und ließ sich von ihren Gefühlen wegschwemmen. Ihr Kopf sank auf den kühlen Tresen und sie ergab sich ihrem Kummer.

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„Lucy? Lu?", hörte sie und spürte, wie jemand sie sanft schüttelte.

Panisch riss sie die Augen auf und Sophie sah sie irritiert an, ehe sie erklärte: „Was, in Gottes Namen, sitzt du hier und schläfst, statt auf der Couch. Was ist passiert? Wieso hast du geweint?"

Der bohrende Blick ihrer Freundin war gerade zu viel für sie, also wich sie ihm aus, ehe sie betont lässig mit der Schulter zuckte und erwiderte: „Nur ein Traum, nichts weiter."

Soundtrack des Herzens - IntroWhere stories live. Discover now