𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 𝓢𝓮𝓬𝓱𝓼

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Hongjoong

Ich wünschte, ich würde mich draußen in der Welt auch so puerto-ricanisch fühlen wie zu Hause.

In der Mittelstufe haben ein paar Freunde behauptet, ich wäre gar kein richtiger Puerto Ricaner, weil ich asiatisch aussehe und nur ein paar spanische Sätze sagen kann, so was wie Te amo und cómo estás?.
Das habe ich Pa erzählt und ihn angefleht, Post-its mit spanischen Begriffen überall in der Wohnung aufzukleben, damit ich die Sprache lerne und nicht wieder fertiggemacht werde.
Pa fand die Idee super, hat mir aber außerdem erklärt, dass man Puerto-ricanisch sein nicht an dem aussehen oder den Spanischkenntnissen festmachen kann, sondern an der Familie und der Herkunft.
Das hat mir echt geholfen.
Trotzdem muss ich immer dazusagen, dass ich Puerto Ricaner bin, weil die Leute natürlich nicht von alleine darauf kommen.
Pa hat von uns allen noch den dunkelsten Teint, ungefähr wie ein sehr gebräunter Weißer, und so sollte ich eigentlich auch aussehen.

Wenn sie mich doch bloß alle zu Hause erleben könnten.
Zu entspannten Lana-Del-Rey-Klängen bereite ich Sofrito zu wie ein Pro, mische Koriander, Chili, Zwiebeln und Knoblauch mit dem frischen Oregano von Mas Arbeitskollegin.
Mein Vater lädt zuerst Salat auf unsere Teller und häuft dann Reis und Straucherbsen obendrauf.
Mir schustert er immer noch extra Pegao zu, weil ich die knusprige Reiskruste schon immer besonders gerne mochte.
Vielleicht, weil es mich an einige meiner Lieblingssüßigkeiten erinnert.
Meine Mutter stellt noch den Kokosflan in den Ofen, dann sind wir startklar.

Sie tippt mir auf die Schulter und sagt irgendwas, das ich durch die Musik nicht verstehe, also zieht sie mir einen Stöpsel aus dem Ohr.
„Was ist los mit dir?“
Die schulterlangen schwarzen Haare riechen nach dem Gurkenshampoo ihrer alltäglichen Feierabenddusche.
Sie ist Buchhalterin bei Blink Fitness.
Obwohl sie dort nur im Büro arbeitet, hängt der Schweißgeruch an ihr wie ein Fitnessstudio-Muskelprotz an einer Klimmzugstange.
Deshalb springt sie immer so schnell wie möglich unter die Dusche, sobald sie zu Hause ist.

„Harter Tag.“ antworte ich.

„Mingi?“ fragt Pa.

„Jackpot.“

Pa schüttelt den Kopf, die Hände voller Schaum.
Er spült die Töpfe und Pfannen schon vor dem Essen, damit wir gleich mit gefüllten Bäuchen keinen so großen Geschirrberg mehr vor uns haben.
Ein Trick, den Abuelo ihm beigebracht hat.

„Beomseok, beeil dich, ich bin am Verhungern.“
Ma reicht mir Besteck.
„Joong, deck doch schon mal den Tisch. Du kannst uns nach dem Beten alles erzählen.“

Ich lege Messer und Gabeln auf unsere jeweiligen Platzsets.
Typische Spontankäufe im Laden an der Ecke, aus der Zeit, als unsere finanzielle Situation noch ein bisschen rosiger war als jetzt.
Mas hat die Form einer Eule, ihres Lieblingstiers.
Pas ist aus einem schwarz-weiß gewebten Stoff und er kratzt immer mit dem Finger darüber, während er wartet, bis wir auch aufgegessen haben.
Meins zeigt einen T-Rex, der versucht, Wasser aus einem Trinkbrunnen zu schöpfen.
Seit mit Mingi Schluss ist, hat mir das kein Lächeln mehr entlockt.

Wir hocken ziemlich nah beieinander.
Meine Eltern sitzen nie an den Kopfenden des Tisches.
Ma findet das viel zu steif.
Als würden wir in einem riesigen Schloss dinieren statt in einer überschaubaren Dreizimmerwohnung.

Wir nehmen uns an den Händen und Ma spricht das Tischgebet.
Meine Eltern sind ziemlich gläubig.
Aber sie bezeichnen unsere Beziehung zu Gott gerne als gesund, denn wir sind keine Oldschool-Katholiken, die streng nach der Bibel leben und bequemerweise alle Verse ignorieren, die im Widerspruch zu dem Hass stehen, den sie predigen.
Wir gehören nicht zu denen, die alle Nicht-Heteros in die Hölle schicken wollen.
Das war auch schon vor meinem Comingout so.
Meine Eltern beten regelmäßig und beim Essen mache auch ich mit.
Heute Abend dankt Ma Gott für das Essen auf dem Tisch, für meine Tante, weil sie sich um Abuelita kümmert, nachdem die beim Aussteigen aus dem Auto gestürzt ist, für Pas kleine, aber willkommene Gehaltserhöhung bei Duane Reade und dafür, dass es allen gut geht.

What if it's us? //a Seongjoong Story//Where stories live. Discover now