𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 𝓓𝓻𝓮𝓲𝓼𝓼𝓲𝓰

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Hongjoong

Zeit mit Mingi und Dabin zu verbringen, ist erstaunlich leicht.
Ein bisschen, wie wenn man im Frühling die Winterstiefel zurück in den Schrank stellt und in die Sneaker vom letzten Jahr schlüpft.
Vielleicht ist man ein kleines Stück gewachsen, aber sie passen noch.
Wir haben uns gegenseitig auf den neuesten Stand gebracht, was die Zeit nach Mingis und meiner Trennung angeht.
Wobei wir dieses Thema sorgfältig ausgeklammert haben.
Selbst gestern Abend, als ich in Mingis Lobby stand, hat er mir bloß zugehört, während ich über Seonghwa und Yeosang gejammert habe.
Wie der Freund, der er einst war.

„Leute, ich liebe Mr. Byeols Instagram-Account.“ sagt Dabin, in einer Hand ihr Smartphone und in der anderen einen Smoothie des Frozen-Joghurt-Ladens, aus dem wir gerade kommen.

„Ich wusste nicht mal, dass er einen hat.“

„Mit einem Gesicht wie dem von Mr. Byeol hat man automatisch Instagram.“

Wir setzen uns auf eine Bank, Dabin in die Mitte, und beugen uns über ihr Handy, während sie Mr. Byeols Profil durchscrollt.
Ich hätte ein oberkörperfreies Selfie nach dem anderen erwartet, aber obwohl es davon ein paar gibt, geht es bei den meisten Posts eher darum, wie man zu Hause ausmistet und einen minimalistischen Lebensstil führt, um ausgewogenes Frühstück oder diesen Mega-Cheeseburger, den er irgendwo in Deutschland ergattert hat.

„Seht ihr, was ich meine? Er macht echt das Beste aus seinem Leben.“ sagt Dabin.
„Guckt euch nur mal seinen Feed an. Er war schon in so vielen Ländern! Macht euch darauf gefasst, dass mein Insta-Profil bald nur noch aus Werbung für Bio-Frühstücksporridge, zuckerfreie Kaugummis und Ziegenmilchshampoo besteht. Ich plane nämlich, ordentlich Kohle zu verdienen, um mich selbst auf die große, weite Welt loszulassen.“

„Und dann sind wieder Selfies dran?“ fragt Mingi.
„Denn dein Selfie-Bombardement würde mir echt fehlen. Wenn ich zwei Minuten lang kein neues Bild von deinem Gesicht auf Insta sehe, vergesse ich vermutlich, wie du aussiehst.“

„Dein Selfie-Shaming wird dir schon noch vergehen, sobald du Fotos von mir siehst, wie ich auf Booten in malerischen Buchten treibe. Oder Berge erklimme. Oder den Schoß einer heißen Reisebekanntschaft.“

„Willst du echt ganz alleine losziehen?“ frage ich.
Wenn ich das Geld hätte, mir die Welt anzuschauen, dann würde ich auf jeden Fall Yeosang mitnehmen.
Wir haben schon so viel zusammen erlebt, ich möchte, dass das auch in Zukunft so bleibt.
Wenn sich die Wogen geglättet haben.
Falls sie das tun.

„Meldest du dich freiwillig als Begleitung?“

„Als ob.“
Ich kichere.
Dabins Eltern verdienen ziemlich gut und können ihrer Tochter keinen Wunsch abschlagen.
Und mein Instagram-Account bringt kein Geld ein.

„Später, meine ich.“ ergänzt Dabin.
„Nachdem du dein Buch veröffentlicht hast und in dem ganzen Netflix und Fanartikelgeld schwimmst.“

„Kein Erwartungsdruck, was?“
Wrath of Wizards kommt mir gerade wie eine ziemliche Zeitverschwendung vor.
Seonghwa war mein größter Fan und ich bezweifle, dass die Geschichte sonst irgendjemanden so begeistern kann wie ihn.
Und er war mein Freund.
Wenn ich das Ding irgendwo veröffentlichen würde, auf Wattpad oder so, dann würde ich mich dem Feedback völlig Fremder aussetzen, denen es total egal ist, dass da mein Herzblut drinsteckt.

„Ist nur ein Vorschlag.“ sagt Dabin.
„Wir haben dich echt vermisst, Hongjoong.“
Mingi wirft ihr einen Blick zu.
„Was denn? Wir können den großen schwulen Elefanten im Raum nicht länger ignorieren. So, und jetzt Schwamm über die Sache.“
Sie nimmt uns beide an die Hand.
„Wir haben uns doch alle lieb, oder?“

Da bin ich mir nicht so sicher, aber ich antworte trotzdem sofort.
„Ja.“

„Ja.“ sagt auch Mingi.
Ich hoffe, er meint es ernst.

„Also alle wieder Freunde.“ sagt Dabin.
Ob sie Yeosang wohl vermisst?
„So. Und was unternimmst du jetzt wegen diesem Seonghwa? Meldest du dich? Lässt du es gut sein? Was ist der Plan, vielleicht können wir dich unterstützen.“

„Ich wünschte, Seonghwa würde mir die Chance geben, ihm alles zu erklären... Schon klar, klingt irgendwie sinnlos, weil er eh bald weg ist, aber ich will nicht, dass es so endet. Und Yeosang...“
Ich blicke fragend zu Dabin.
Sie legt den Kopf schief und bedeutet mir weiterzureden.
„Ich bin zu weit gegangen. Aber es war was Wahres dran. Irgendwie wäre alles einfacher, wenn wir unsere Partner und trotzdem alle unsere anderen Freunde haben könnten, ohne das Gefühl, dass alle sich ständig entscheiden müssen.“

Hier halte ich inne, denn an dem Punkt waren wir schon mal, nachdem Yeosang mit Dabin Schluss gemacht hatte.
Mit ihr befreundet zu bleiben, war danach komisch für Yeosang, und für Seonghwa war es komisch, dass ich weiterhin mit Mingi befreundet sein wollte.
Aber vielleicht läuft es so auch einfach nicht.
Vielleicht geht es vielmehr darum, Leute in unser Leben zu lassen, die uns eine Weile begleiten, das anzunehmen, was sie uns geben können, und es in der nächsten Freundschaft oder Beziehung weiterzugeben.
Und wenn wir Glück haben, tauchen einige von ihnen noch mal auf, nachdem wir schon nicht mehr mit ihnen gerechnet haben.
Wie Mingi und Dabin.
Und vielleicht ist das der Neustart, den ich gebraucht habe.

What if it's us? //a Seongjoong Story//Where stories live. Discover now