Kapitel 4 Das Internat

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Am Morgen wachte ich viel zu früh auf. Das passierte mir öfter, aber so musste ich mir in der Schulzeit immerhin keinen Wecker stellen. Mir war ein wenig mulmig zu Mute, wenn ich mir überlegte, dass wir bis Volterra fliegen würden. Ich war nie ein Freund davon, mit vielen Menschen für mehrere in einem engen Raum eingesperrt zu sein.

Ich zog mir einen Rock, schwarze Stiefeletten und eine Rüschenbluse an. Das Oberteil hatte den gleichen dunklen Blauton wie meine Augen. Ich wollte schließlich einen guten Eindruck machen. Danach frühstückte ich ausgiebig. Mein Vater hatte gestern Pancakes gemacht, die ich noch essen konnte.
Ein knurrender Magen wäre ebenfalls nicht förderlich für einen guten ersten Eindruck.
Mein Dad war natürlich nicht da. Warum sollte er auch? Manchmal war er echt unausstehlich. Er hatte mir einen Zettel hingelegt, dass er schon zur Arbeit aufgebrochen war.

Alles, was ich am vorherigen Tag noch nicht eingepackt hatte, packte ich danach ein. Mein Koffer war schon alt und abgegriffen. Ich schämte mich ein wenig für ihn, aber mein Vater sah es nicht für nötig, mir einen neuen zu kaufen. Das Wetter draußen war bewölkt, so wie häufig, obwohl wir August hatten. In Volterra würde es wohl besser sein und vor allem, wärmer. Darauf freute ich mich schon. Es war hoffentlich wie Urlaub.

Als es an der Tür klingelte, rannte ich sofort aus meinem Zimmer, weil ich so neugierig war, und öffnete die Tür. Vor mir stand eine hübsche kleine Frau, die mich vage an Jane, meine größte Schwester, erinnerte. Sie hatte ihre hellblonden Haare zu einem strengen Dutt hochgesteckt. Die roten Augen wunderten mich nicht, ich hatte ja erwartet, dass es Vampire waren, die mich abholten. Was mich allerdings überraschte, war, dass sie nicht einmal versuchte, ihre abartigen Augen zu verstecken. Meine Freundin hatte meistens goldene Augen, was daran lag, dass sie nur Tierblut trank. Dieser Kontrast überraschte mich.

Die junge Frau schlug in einer schnellen Bewegung die Hand vor den Mund, als sie mich sah und sagte mit glockenheller Stimme, so leise, dass ich es kaum verstand:,, Ich bin es, Jane.''
,, Jane?'', wiederholte ich,,, Meine Schwester, Jane? Das kann nicht sein. Das ist nicht möglich.''
Ich hatte sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. In meinen Erinnerung war ihr Gesicht wunderschön und ebenmäßig, so wie auch nun. Sie hatte beneidenswert glänzende Haare. Meine Mutter hatte früher immer gewitzelt, dass sie bei einer Shampoowerbung mitmachen sollte. Aber das konnte doch nicht Jane sein. Sie war verschwunden.
,, Ja'', flüsterte sie,,, Ich soll dich abholen.''
,, Und Alec und Lia?'', fragte ich weiter.
Hoffnung, die ich lange unterdrückt hatte, keimte in mir auf. Vielleicht waren sie ja alle noch am Leben.
,, Er ist in Volterra und von Lia weiß ich nichts. Was ist mit ihr?'', antwortete Jane und fragte dann zaghaft:,, Umarmung?''
,, Ich bin so froh, dass ihr noch lebt. Wir haben das Schlimmste vermutet'', sagte ich und schloss sie in meine Arme.
Ich konnte es kaum in Worte fassen. Meine Geschwister lebten noch. Sie waren weder tot noch augenscheinlich misshandelt worden. Wie konnte das sein? Augenscheinlich waren sie die ganze Zeit bei den Volturi geblieben. Das war doch nicht möglich. All die Tränen, die ich ihretwegen geweint hatte, erschienen mir auf einen Schlag sinnlos. Sie waren wirklich da.
,, Wir sind Lehrer auf dem Internat'', redete Jane weiter,,, Aber wir sind anders geworden.''
Es wird immer seltsamer. Mein Gehirn konnte das alles überhaupt nicht verarbeiten. Beide Zwillinge als Lehrer? Alec hatte die Schule immer gehasst.
,, Ich weiß'', antwortete ich ihr nach kurzem Zögern.
Ich sah, dass sie mit sich kämpfte.
Dann begann​ sie:,, Wir sind ...''
,, Vampire'', vollendete ich ihren Satz. Mich wunderte es, dass sie es mir offenbar gesagt hätte. Ihre Augen wurden groß und sie fragte überrascht, aber ein wenig panisch:,, Woher weißt du das?''
Bemüht lässig antwortete ich ihr:,, Meine beste Freundin war ein Vampir.''

Plötzlich unterbrach uns der Mann, der hinter Jane stand.
,, Wir müssen jetzt los.''
,, Ja, wir kommen schon'', sagten Jane und ich gleichzeitig und mussten darüber lachen.
Jetzt musterte ich auch den Mann genauer. Er hatte schwarze, kurze Haare und ein markantes Gesicht. Ach, ja, und er hatte die Proportionen eines Kleiderschrankes.
Jane, die meinem Blick gefolgt war, sagte:,, Das ist Felix.''
Ich nickte, zum Zeichen dafür, dass ich sie verstanden hatte.
Nun fragte Felix etwas lauter:,, Musst du dich noch von jemanden verabschieden?''
Seine Stimme war sonor und tief. Ich kannte solch volle Stimmen schon von Alices Brüdern und ihrem Vater. Es schien, ein Vampirding zu sein.
,, Nein'', antwortete ich,,, Von Papa habe ich mich schon verabschiedet, außerdem ist er jetzt nicht mehr Zuhause.''
,, Dann komm'', sagte Jane, nahm meine Hand und führte mich zu einem teuren Auto, das in der Einfahrt stand.
Es war offensichtlich gemietet, aber ich fühlte mich sofort wie der Elitenschüler des Internats, auf das ich gehen würde. So mussten sich die ganzen reichen Kinder fühlen. Natürlich hatte mein Vater für die Schule bezahlen müssen, aber durch das Stipendium war es nicht herausragend viel gewesen.
Meine Familie hatte nicht wenig Geld, aber für eines der Eliteinternate in Deutschland oder England hätte es nicht gereicht.
Und vor allem hätte es nie für ein derartiges Auto gereicht. Ich erkannte einen Ferrari, wenn ich ihn sah. Auch wenn es kein Sportwagen war. Sicherlich wäre da der Kofferraum nicht groß genug gewesen. Der Ferrari war trotzdem nicht weniger auffallend. Seine schwarze Farbe konnte nicht darüber hinwegtäuschen.

Bis(s) ich wieder bei dir bin ( Volturi Ff)( Abgeschlossen) Where stories live. Discover now