Kapitel 22 Leah

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Ich rannte sofort zu Carlisle, um ihn zu fragen. Doch Carlisle war gerade auf der Jagd, also vertrieb ich mir die Zeit ebenfalls damit.
In der Nähe war heute aber nur wenig Wild, weshalb ich es schnell aufgab. Zu weit wollte ich mich nicht vom Grundstück entfernen. Die Wölfe liefen zwar (noch) nicht ständig Patrouillen, aber Jacob hatte vorhergesagt, es wäre nur eine Frage der Zeit. Allein deshalb kamen wir nicht weit und riskierten es auch selten.

Um meinen Kopf frei zu bekommen, verwandelte ich mich in einen Leoparden. Sofort strömten Wildinstinkte auf mich ein. Ich war endlich frei nach so langer Zeit in diesem engen Zimmer. Diese Ruhe war schön und so lief einfach nur eine Weile durch den Wald, anstatt zu jagen. Ich stellte fest, dass ich schneller war als sonst. Das lag wahrscheinlich daran, dass ich nun ein Vampir war. Selbst Demetri oder Edward hätten so wahrscheinlich nicht mit mir mithalten können. Ich liebte das Gefühl, der Erde unter meinen Pfoten. Den Geruch des Waldes in meiner Nase, der Wind in meinem Fell.

Doch plötzlich hörte ich ein kehliges Knurren. Meinem Gehör nach musste es ein Wolf sein, obwohl ich noch nie ein lebendigen Wolf aus der Nähe gesehen hatte. Und da sah ich ihn auch schon, besser gesagt sie. Jedenfalls glaubte ich, dass es eine Wölfin war. Dieser Wolf war eindeutig schlanker als ein normaler Wolf, aber größer als ich. Sie war silbergrau und hatte kluge Augen.
Es war eine der Werwölfe. Wahrscheinlich eine aus dem gegnerischen Rudel. Ich erinnerte mich daran, dass ich sie beim Angriff der Neugeborenenarmee gesehen hatte. Es könnte auch Leah sein. Seths und Jacobs Wolfsgestalt war braun. Die würde ich, dachte ich zumindest, auch erkennen.

Meine Antwort auf ihr Knurren war ein Fauchen. Sie kam zögerlich näher. Ich bemerkte, dass sie nur neugierig war und mich nicht angreifen wollte. Dann verwandelte ich mich zurück in einen Vampir. Und sie staunte.
Urplötzlich zog sie sich mit schnellen Schritten zurück und jaulte. Jetzt musste sie festgestellt haben, dass ich ein Vampir war, den sie nicht kannte. Bald würde ich das ganze Rudel am Hals haben und, da ich gut darauf verzichten konnte, drehte ich mich um und lief in meiner Vampirgestalt zurück zum Haus der Cullens. Oh, verdammt. Also nicht Leah, sondern eine der verfeindeten Wölfe. Zumindest hatte Leah mich schon ein paar Mal gesehen und würde mich doch sicherlich nicht angreifen.

Doch leider ließ sie nicht so leicht locker. Sie sprang von hinten auf meinen Rücken und nagelte mich auf dem Boden fest. Es wäre mir ein leichtes gewesen, sie als Vampir abzuschütteln. Doch leider verwandelte ich mich aus Reflex wieder in einen Leoparden. Es war ein alt eingesessener Instinkt, der wohl noch nicht darauf eingestellt gewesen war, dass ich als Vampirin weniger verletzlich war.

Die Wölfin war dadurch wohl stärker und vor allem schwerer als ich. Sie konnte sich auf meinem Rücken nicht halten und rollte sich ab, über meine Vorderpfote. Ich konnte spüren, wie meine Knochen unter ihrem Gewicht nachgaben. Ich verwandelte mich schnell wieder zurück, bevor sie es registrieren konnte, und rannte weiter zum Haus. Ich konnte ihren Atem hinter mir hören. Aber mein Vorsprung war groß genug, dass sie mich nicht erreichte. Alter, Verwalter. Mein Arm schmerzte. Sie hatte mir doch tatsächlich den Arm gebrochen. Das sollte doch überhaupt nicht möglich sein.

Im Haus angekommen lief ich sofort in das Wohnzimmer, machte Jacob aus und schnauzte ihn wutentbrannt an:,, Kannst du deinen Wolfsfreunden mal sagen, dass sie aufhören sollen, mich zu verfolgen und Knochen zu brechen?''
,, Sie hat dir einen Knochen gebrochen? Wie ist das möglich?'', fragte Jacob überrascht,,, Ich werde es ihr sofort sagen. Es wird wohl Leah gewesen sein. Du bist schließlich kein feindlicher Vampir.''
Aha, Leah also doch. Blöde Kuh! Dabei musste sie mich doch schon ein paar Mal gesehen oder zumindest gerochen haben. Warum zum Henker hatte sie mich dann angefallen?
,, Dadurch, dass ich zu dem Zeitpunkt, als sie mich verletzt hatte, ein Leopard war, wird der Arm wahrscheinlich so heilen, als wäre ich ein Mensch. Und so konnte mir der Arm auch nicht abgerissen werden, denke ich. Ich weiß es aber nicht. Das ist auch für mich Neuland. Ich verstehe es auch nicht'', erklärte ich Jakob und dem verwirrt guckenden Edward, der neben der kugeligen Bella saß.
Seinen Kommentar wollte ich mir wirklich nicht mehr anhören, also ging ich in das Badezimmer der Cullens und schiente mir meinen Arm. Bis Carlisle wieder kam, musste das reichen.
Danach ging ich wieder nach oben in mein Zimmer.
Jane, Alec und Demetri saßen noch auf den Betten, aber Alice war wahrscheinlich bei Jasper. Als sie meine Schiene sahen, kamen sie sofort zu mir.
Demetri gab mir einen tröstenden Kuss und Jane fragte:,, Wer war das? Und wie konnte das passieren?''
Ihre Stimme hatte einen drohenden Unterton.
,, Ich bin im Wald einem Werwolf begegnet und ich war ein Leopard, als sie mich von hinten erwischte. Ich denke, der Arm ist gebrochen, aber Carlisle ist nicht da. Es war Leah, eine aus Jacobs Rudel.''
,, Die knöpfe ich mir vor'', sagte Demetri böse.
,, Nein, das würde sich nicht lohnen'', sagte ich und legte Demetri beruhigend die Hand auf den Arm.
,, Wie ist das überhaupt möglich?", fragte Jane nach.
Ich zuckte mit den Schultern.
In dem Moment hörte ich die Haustür klappen. In der Hoffnung, dass es Carlisle war, ging ich nach unten.
Er kam mir schon entgegen und sah sehr besorgt aus.
,, Leah hat sich entschuldigt und ich werde dir jetzt um deinen Arm in einen Verband legen. Wenn er gebrochen ist, würde ich dir einen Gips machen. Es sieht aber nicht besonders gut aus'', sagte er.
,, Ist mir egal."
Ich verspürte genauso große Schmerzen, wie als wäre ich noch ein Mensch. Es fühlte sich seltsam an. Ich hatte lange keine Schmerzen mehr gehabt.
,, Wie war das überhaupt möglich?", fragte Carlisle, während er mir den Arm umwickelte.
,, Du bist nicht der Erste, der das fragt. Ich weiß es nicht. Ich war in meiner anderen Gestalt, als es passiert ist. Daran muss es liegen."
,, Aber dein Vampirgift müsste es doch richten. Ich habe schon viel schlimmere Verletzungen gesehen, die das Gift gerichtet hat. Esme hatte eine gebrochene Wirbelsäule. Emmet war zerfetzt. Edward war todkrank und über Rosalie müssen wir gar nicht reden. Warum heilt es deinen Arm nicht?"
,, Das waren alles nur Verwandlungen", vermutete ich,,, Es sollte überhaupt nicht möglich sein, mir den Arm erst zu brechen. Er müsste abgerissen werden oder reißen. Aber er brach."
,, Du bist ein Mysterium, Maria. Wirklich."

Er machte mir einen Gips und ich musste zugeben, dass das wirklich ziemlich bescheuert aussah. Ganz ehrlich. Eine Vampirin mit Gips?
Alice würde sich ziemlich aufregen, aber ich riss mir den Ärmel ab, damit der Gips nicht so drückte. Die gesamte Zeit über war Carlisle sehr vorsichtig und bedacht, um mir nicht noch mehr Schmerzen zu bereiten. Mich überkam eine plötzliche Welle an Zuneigung für den Arzt.
,, Weißt du, Carlisle. Ich habe mir immer einen Vater wie dich gewünscht", sagte ich schüchtern.
Er lächelte.
,, Gewissermaßen, Maria, macht es mich zu deinem Vater, dass ich verwandelt habe. Du hättest in meiner Familie wesentlich weniger Leid erfahren, hätte ich dich damals adoptieren können, als deine Mutter gestorben war. Und auch schon vorher hätte man deinen Eltern das Sorgerecht entziehen können. Aber ich wollte dich nicht aus deinem Umfeld reißen", erwiderte er weich.
Ich lächelte traurig.
Vielleicht wäre dann alles anders geworden. Ich hätte aber auch nicht Demetri kennen gelernt.
,, Das ist sehr lieb von dir", sagte ich mit einem Kloß im Hals,,, Es bedeutet mir viel."

Fast hätte ich vergessen, Carlisle wegen meiner Idee zu fragen.
,, Carlisle, wie kann man eigentlich einen Clan gründen?''
Er hob eine Augenbraue bei dem plötzlichen Themawechsel.
,, Das ist eigentlich leicht. Dafür gibt es gar keine richtige Anleitung. Da merkt man wieder, dass du eine Deutsche bist. Du brauchst keine Genehmigung. Du musst einfach in ein Gebiet ziehen, wo noch kein anderer Vampir jagt. Und zwar in einem Umkreis von hunderten Meilen. Es ist eigentlich nichts, was man einfach so beschließt. Es ist viel mehr ein Prozess. Bei mir war es zumindest so. Bei den Volturi mag es anders gewesen sein. Dort jagst du und stellst eine Familie auf, aber du solltest auch in deinem Alter zur Schule gehen oder arbeiten. Sonst erregt das die Aufmerksamkeit der Menschen. Eine der wichtigsten Regeln ist, dass du unauffällig leben musst. Natürlich kannst du auch mitten im Nichts leben, was für deine Geschwister wohl wesentlich einfacher wäre'', erklärte er,,, Warum fragst du?''
,, Also ich hatte die Idee, dass wir vielleicht einen Clan gründen könnten, weil ihr uns ja nicht wollt. Und ich werde definitiv bei meiner Familie bleiben. Natürlich werde ich euch mal besuchen."
,, Es ist nicht so, dass wir euch nicht wollen, aber es gibt hier ohnehin schon zu viele Vampire. Zu viele Werwölfe verwandeln sich früher. Die Jagd deiner Geschwister wird auch irgendwann auffallen. Ich kann auch nicht zig Kinder ,, adoptieren"." Ich sprach noch etwas mehr mit Carlisle.

Danach ging ich wieder hoch und setzte mich auf mein Bett. Janes Stimme schreckte mich hoch.
,, Und was hast du mit Carlisle noch besprochen?''
Kurz erklärte ich meinem Mann, Jane und Alec, was ich geplant hatte und zum Schluss sagte ich:,, Wir müssen uns einen Anführer oder eine Anführerin aussuchen. Das wird alles einfacher machen.''
,, Wir sollten dich nehmen. Du bist zwar die Jüngste, aber es war deine Idee. Außerdem bist am wenigsten impulsiv'', sagte Jane.
Alec und Demetri stimmten zu.
,, Danke'', sagte ich überrascht,,, Und wir müssen uns noch aussuchen, wo wir hin wollen. Jane, Alec. Ihr werdet außerhalb der Reichweite unseres Hauses jagen müssen. Dann gefährdet ihr uns nicht.''
,, Das wissen wir. Wir sind ja nicht blöd'', sagte Jane genervt.

Wir diskutierten noch lange über den Ort. Jane wollte in die Antarktis. Alec wollte nach Norwegen. Demetri wollte nach Russland. Doch ich konnte mich durchsetzen. Es hatte mehrere Gründe. Schließlich war in der Antarktis nur wenig los, da würden uns langweilen. Alec und Jane würden keine Nahrung finden und wir ebenso wenig. So viele Tiere gab es da nicht. Norwegen und Russland waren mir zu nahe an dem Heimatland der Volturi.

Auch wenn ich mir nicht ganz sicher war, ob sie nicht mir zuliebe nachgaben. Jane und Alec hatten dies schon früher getan. So war es beschlossen.

Wir würden nach Kanada fahren und dort einen Clan gründen. So waren wir immer noch in der Reichweite der Cullens, falls irgendetwas war.

Bis(s) ich wieder bei dir bin ( Volturi Ff)( Abgeschlossen) Where stories live. Discover now