Kapitel 16- Panik

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Sie war einfach nur gerannt. Das war zu viel gewesen! Ihr Kopf hatte ganz laut nein geschrieen. So sehr ihr Herz auch höher geschlagen hatte, da war immer noch diese kleine gemeine Stimme in ihrem Kopf, die ganz leise flüsterte:, "Er ist nicht gut für dich. Kein Mann ist gut für dich!". Diese nagenden Erinnerungen.

Blind rannte sie in die Umkleide. Die Tür knallte hinter ihr zu und sie musste erstmal ihre zitternden Hände unter Kontrolle bekommen. Sie riss sich die Sportsachen nur so vom Körper. Sie musste weg! Ihre Atmung ging viel zu schnell.

Wenigstens war er ihr nicht nachgerannt. So romantisch das doch klingen mochte, hätte es die Situation nur noch schlimmer gemacht. Verdammt! Sie hatte es versaut!

Niklas hatte genug anstand sich ihr langsam zu näherte. Er zog sie an, wie es bisher niemand sonst geschafft hatte. Ihr Herz schlug jedes Mal schneller wenn sie ihn sah. Dieser teure Blick, als könne er sie nicht verletzten. Hatte sie gerade den ersten wirklich netten Typen, der etwas von ihr wollte von ihr weggestoßen? Scheiße!

Das war Karma, ihr scheiß Glück! Die Schuld all der Männer, die sie in den letzten Jahren gekreuzt hatte und die alle ihre Krallen in sie hatten schlagen wollen. Einer hatte sie schließlich bekommen und gebrochen.

Sie war verwirrt. Das war schon wieder zu viel. Konnte das nicht einfach aufhören? Sie vergrub die Hände in ihren Haaren, kniff die Augen zu und versuchte sich nur auf das Atmen zu konzentrieren. Hatte sie jetzt eine Panikattacke? Eine scheiß Panikattacke, weil ein netter, attraktiver Mann sie küssen wollte?

Ein. Aus. Ein. Aus. Langsam beruhigte sie sich wieder. Ihre Atmung wurde ruhiger und sie ließ sich auf die Bank neben ihre Sporttasche sinken.

Warum musste sie bloß so reagieren? Warum?! Wut stieg in ihr auf. Wut auf all die Männer, die ihr weh getan hatten, die sie hatten ausnutzen wollen, versucht hatten sie zu manipulieren. Hass und ekel mischten sich in ihrem Kopf zusammen und ließen ihr schlecht werden. Warum hatte sie es bloß immer soweit kommen lassen?

Das hatte sie jetzt davon! Sie hatte etwas kaputt gemacht, was gerade mal ein kleiner Keimling gewesen war, nur weil sie Angst hatte. Angst, dass er sie ebenfalls grob anfassen würde, obwohl sie das nicht mochte. Angst, dass er sie auch nur ins Bett bekommen wollte. Angst, dass er auch versuchen würde aus ihr etwas zu machen was sie nicht sein wollte.

Aber würde er das tun? Würde Niklas es ausnutzen, dass sie ab einem gewissen Punkt alles für seine Anerkennung tun würde, auch wenn sie es eigentlich nicht wollte, dann still und stumm alles mit machte, obwohl etwas in ihr ganz laut schrie und sich fühlte als würde es sterben?

Eine Träne rann ihr über die Wange. Sie wollte nachhause. In ihrem Bett liegen und sich unter ihrer Bettdecke verkriechen, bis dieser Stein auf ihrem Herzen verschwunden war und es aufhörte wehzutun. Sie schluckte schwer und schloss ihre Sporttasche, ehe sie wieder in ihre Jeans und den Hoodie schlüpfte. Letzterer fühlte sich kuschlig weich an und tat auf eine Art gut. Leah fühlte sich als könne sie sich darin vergraben. Als könne er sie beschützen, gegen alles böse dieser Welt und vor dem noch böseren in ihrem Kopf.

Mit zittrigen Fingern nahm sie noch ihre Lieblingsjacke vom Harken, zog sie fahrig über und schulterte ihre Sporttasche. Sie war kaum aus der Tür, da stopfte sie sich schon die Kopfhörer ins Ohr.

Sie brauchte Ablenkung. Musik. Nichts fröhliches, aber auch nichts zu düsteres. Irgendwas.

"Mother" raunte es gleich drauf an ihr Ohr "I am right outside your door. Mother. I am screaming no more"

Ihr Mutter wusste gar nicht was ihr passiert war. Sie würde das auch nie erfahren. Niemand würde das, auch Nele kannte nur wenige Details, die sie immer nur mit einem witzigen Unterton erzählt hatte. Wie schlimm das Ganze eigentlich war und welches ausmaß es hatte wusste nur ihre frühere Therapeutin. Das war auch gut so. Sie könnte niemandem mehr in die Augen sehen, wenn sie wüssten was ihr passiert war.

Die Umgebung und die Musik verschwamm. Leah driftete in ihren Automatismus, in dem sie sich tief in ihrem Inneren vergrub und ihr Körper nur noch eine Hülle war. Auf Autopilot machte sie sich auf den Weg nachhause.

Kaum dass sie im Bett lag, brach wieder alles aus ihr heraus und heiße Tränen rollten unkontrolliert über ihre Wangen. Sie krümmte sich zusammen, vergrub das Gesicht in der Bettdecke und schluchzte auf.

Da war wieder dieses Loch in ihrem Herzen, das unheimlich schmerzte. Kühl und leer, wartete es darauf endlich mal gefüllt zu werden, von jemanden der sie wirklich ihretwegen mochte und nicht wegen Äußerlichkeiten oder weil sie sich so leicht manipulieren ließ.

Als sie daran dachte wie sehr sie Niklas wohl mit ihrem Verhalten verletzt hatte, krampfte sie sich nur noch mehr zusammen und ein weiteres lautes Schluchzten entwich ihren Lippen. Wie sollte sie ihm je wieder in die Augen sehen können? In diese verdammt tollen treuen brauen Augen.

Sie würde ihr Leben lang alleine bleiben. Alleine sterben und wochenlang nicht gefunden werden. Wie sollte sie je einen Partner finden, wenn sie bei nur der Andeutung eines Kusses schon so ausrastete. Das war doch einfach nicht fair! Was hatte sie dem Universum getan, dass ihr all das angetan wurde?

Ihre Augen fingen langsam an zu brennen und der Kloß in ihrem Hals größer und größer. Leer und ausgebrannt lag sie, ihre Bettdecke im Arm mitten in ihrem großen Doppelbett und jede Bewegung schien schon zu viel zu sein. Ihr Kopf wollte nicht mehr, ihr Körper war ausgezehrt für heute und ihr Herz schmerzte. Das war das schlimmste! Das ihr Herz einfach nicht aufhörte weh zu tun. Es sollte aufhören!

Irgendwoher nahm sie noch ihre letzten Kraftreserven und hievte sich aus dem Bett um ins Bad zu schlurfen. Beim Blick in den Spiegel erschrak sie beinahe. Ihre großen grauen Augen, mit den kleinen blauen Sprenkeln waren rot geweint und Blut unterlaufen. Ihre Unterlippe zitterte immer noch und war angeschwollen, vom vielen drauf beißen. Stumm dachte sie bei sich, dass sie wohl öfter mal weinen sollte, dann würde sie sich das Geld für die Lipfiller sparen und könnte Karriere als Instagrammodel machen. Duckface würde jetzt garantiert noch besser klappen. Dieser Gedanke brachte ihre Mundwinkel dazu leicht nach oben zu zucken.

Jetzt hieß es erstmal wieder auf die Beine kommen und hoffen Niklas nicht so schnell wieder zu begegnen. Sie wollte sich nicht vor versammelter Crew getriggert fühlen und eine Panikattacke haben. So leid ihr das auch tat. Er konnte ja nichts dafür.

 Er konnte ja nichts dafür

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