Kapitel 33- Gehen und gegangen werden

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„Na komm, die zwei K kannst du aber auch schneller!", feixte Franka gehässig und nahm einen großen Schluck aus ihrer Wasserflasche. Lässig lehnte sie am Küchentresen und Niklas hätte sie nach dem Kommentar am liebsten aus der Küche geschoben.

Dana lachte. "Ist doch bestimmt wegen seiner Novizin. Ich bin mal gespannt auf die Kleine, wenn sie unseren Niklas so aus der Bahn wirft, muss sie ja ganz schön krass sein. Auf den Fotos sah sie ja ganz süß aus." Gespannt trommelten ihre Finger auf der Arbeitsfläche herum und sie positionierte sich mit Blick auf den Flur.

Niklas lehnte sich müde und verschwitzt gegen die Spüle, an der er gerade seine Wasserflasche nachgefüllt hatte. Konnten die beiden es nicht einfach sein lassen?! Leah war seit dem Vorfall mit Paul nicht mehr beim Training gewesen und er glaubte kaum, dass sie heute aufkreuzen würde.

Er hatte jeden Tag damit gehadert, ob er ihr nun schrieben sollte oder nicht. Ihre Nummer hatte er über Anna bekommen. Jeden Tag hatte er eine Nachricht an sie geschrieben und wieder gelöscht. Seine Mutter hatte ihn angesehen, also sie sich ernsthaft Sorgen um ihn machen würde. William hatte ihn auch mehrmals darauf angesprochen, was mit ihm los sei.

Er schlief schlecht. Kein Wunder. In seinem Kopf war nur Leah und besonders prominent war das Bild wie Leah ihn auf dem Flur stehen ließ.

William lugte in den Raum. Die Kappe saß gerade und er musterte alle für einen kurzen Moment aus seinen hellen und von Lachfältchen umgebenen Augen. "Hallo", warf er freundlich in die Runde, dann wandte er sich an Niklas. "Die Studenten kommen gleich. Müsst ihr noch rein?"

"Alles gut. Ich schaue auch gleich einmal rein!", versicherte er und ignorierte, dass Dana und Franka breit grinsten. Sollten sie doch denken, dass er das nur tat, um nach Leah sehen wollte. Sie lagen ja auch nicht ganz falsch, aber eben auch nicht komplett richtig.

William nickte und hob noch einmal die Hand, dann wandte er sich dem Ergraum zu.

Franka und Dana unterhielten sich sofort weiter. Er konnte ihnen nicht wirklich folgen und gab daher schnell auf. Langsam schloss er die Augen und ließ sich wieder gegen die Spüle sinken.

Die ersten Studenten trudelten ein. Jesus ging direkt durch in die Küche und verscheuchte Niklas von seinem Platz an der Spüle. "Hey man!", begrüßte er ihn grinsend.

Niklas nickte ihm nur wortlos zu. Er war müde. Eigentlich wollte er nur in sein Bett und schlafen. Vielleicht vorher noch etwas essen, aber dann einfach nur schlafen. Zwei Kilometer hatten ihn schon lange nicht mehr so angestrengt.

"Ich habe einen Kumpel mitgebracht. Hoffe, das war okay. Er wollte unbedingt mal mit", erklärte der junge Mann mit einem starken spanischen Akzent in der Stimme, während er Wasser in seine Flasche laufen ließ.

Das wäre Williams Problem. "Klar, kein Ding!", murmelte er und stellte seine Flasche auf die Theke neben der Spüle. War er froh, heute nicht trainieren zu müssen. Er hätte nicht gewusst, wie er erklären sollte, wie man auf einer Maschine saß.

Jesus verließ den Raum wieder und Niklas fiel gerade ein, dass er eigentlich fragen wollte, was er hier noch machte. Jesus war doch Austauschstudent gewesen, soweit er sich erinnerte.

Seufzend lehnte er sich wieder gegen die Theke. Die Frage müsste sie wohl wann anders klären. Niklas interessierte das nur, aber er es störte ihn nicht. Im Gegenteil, Jesus passte gut in die Truppe. Genauso wie Leah. Wenn sie nun gehen würde, dann würden sie ein tolles Talent verlieren. Nicht nur das! Es würde ihn fertig machen.

Dana riss ihn aus seinen Gedanken. "Ist sie das?", fragte sie aufgeregt und wies in den Flur, dann wurde ihr Blick eigenartig.

Niklas beugte sich in Richtung der Tür. Dort stand sie, mitten auf dem Flur. Die Wasserflasche fest umklammert und die Augen fest auf etwas im Ergraum gerichtet. Sein Herz blieb stehen. Sie war total verkrampft und sah aus, als hätte sie den Teufel gesehen. Etwas stimmte nicht!

Wie von selbst setzte er sich in Bewegung. Mit großen Schritten kam er auf sie zu. Sie sah nicht mal von dem, was sie da sah, auf. Ihre Unterlippe zitterte unkontrolliert und sie hatte die Augen weit aufgerissen. Ihre Augen weiteten sich immer weiter und sie machte plötzlich einen schnellen Schritt zurück.

Blitzschnell fasste Niklas sie an der Schulter und zog sie an sich. Gerade noch rechtzeitig, bevor ein junger Mann vor ihr stehen bleiben konnte. Ihre Blicke kreuzten sich. Der Typ sah gar nicht erfreut darüber aus, dass er Leah gerade an sich drückte. Aber er sah wohl ein, dass er mit Niklas keinen Streit anfangen sollte, zumindest nicht hier.

Leah presste sich atemlos an ihn, als wäre sie froh, dass er da war. Sie zitterte am ganzen Körper, hatte die Augenlider fest geschlossen und biss sich auf die Unterlippe. Niklas brauchte keine Erklärung von ihr. Er wusste, auch so, dass er einer von den Typen sein musste, die Leah verletzt hatten.

Der Typ wollte den Mund aufmachen und etwas sagen, aber Niklas sah ihn mahnend an. Sofort verstummte dieses halbe Hemd. Am liebsten hätte Niklas ausgeholt und ihm noch hier und jetzt eine reingehauen, aber Leah aus der Situation zu holen war jetzt wichtiger.

Wortlos zog er sie mit sich in die Küche. Dana und Franka verstummten augenblicklich und starrten sie einfach nur entsetzt an.

Leah war wie eine Puppe in seinen Armen. Tränen liefen ihr stumm über die Wangen und sie ließ sich einfach von ihm auf einen der Stühle in der Ecke setzten. Es brach sein Herz, sie so zu sehen. Augenblicklich musste er an sich halten, nicht kopflos in den Ergraum zu stürmen und den Typen am Kragen aus dem Clubhaus zu zerren.

"Wer ist das?", fragte er leise. Die Zeit schien wie eingefroren. Alles war verstummt. Selbst Dana und Franka schienen die Luft anzuhalten. Er musste es wissen. Er musste diesen Kerl hier rausbekommen und dazu würde er William erklären müssen, was hier los war.

Leah musste schlucken und schüttete den Kopf. Sie sah so verzweifelt aus, dass er spürte, wie auch ihn langsam eine gewisse Schwere befiel. Sie schluchzte auf. Hob die Hände und versuchte die Tränen wegzuwischen.

Im Ergraum ging die Musik an. Der Bass wummerte leise im Hintergrund. Man konnte schon die ersten Maschinen hören. Kurz darauf kam auch William in die Küche.

"Alles in Ordnung?" Besorgnis blitzte in Williams Augen auf und er ging neben Leah in die Hocke. Hoffnungsvoll blickte er sie an. Aber Leah schüttelte nur stumm den Kopf und die nächste Welle schlug über ihr zusammen.

Niklas griff ein. "Lass, ich mache das schon. Kann sein, dass ich mir gleich den Neuen rausziehe. Der hat damit wohl etwas zu tun."

William nickte leicht. Mitfühlend drückte er Leahs Schulter, ehe er aufstand. "Das wird Mädchen, du bist hier nicht alleine. Wir sind im Zweifel immer auf deiner Seite, vergiss das nicht!" Kurz lächelte er sie noch an, dann klopfte er Niklas auf den Rücken und ging zurück in den Ergraum.

Dana und Franka blickten erwartungsvoll und verwirrt zu ihnen herüber. Ihre Blicke brannten in seinem Rücken und er konnte sich in etwa vorstellen, wie unangenehm das für Leah sein musste. Sie war an ihrem Limit und wurde von Fremden angegafft. "Geht ihr bitte einen Moment raus?", bat er sie ruhig.

Franka nickte stumm und fasste Dana am Handgelenk, die sofort anfing zu grinsen. "Wenn es darum geht, einen Mann zu verkloppen, zählt auf mich! Keinen Bock mehr auf die Spasten"

Niklas ignorierte sie, stattdessen ging er vor Leah in die Hocke. Sie saß nun erhöht und er konnte noch deutlicher den Schmerz in ihrem Gesicht ablesen. Vorsichtig griff er nach ihren Händen, legte sie ganz vorsichtig in seine. Er hoffte, ihr dadurch irgendwie Sicherheit vermitteln zu können. Sie zuckte schon bei dem kleinsten Geräusch zusammen.

"Wer ist das?", fragte er noch einmal, dieses Mal sanfter und weicher. Er hoffte, sie würde es endlich sagen. Er wollte ihr so sehr helfen.

Leah schniefte, löste eine ihrer Hände aus seinen und wischte sich damit über die Augen. Sie waren schon ganz gereizt vom Weinen. "Der Typ, der mich zusammengeschrien hat, weil ich nicht mit ihm schlafen wollte. Er hat damals auch noch gesagt, dass ich..." ihre Stimme brach weg und ein weiterer Heulkrampf ließ sie immer weiter in sich zusammen sinken.

"Shhht!". Einfach aus einem Gefühl heraus hob er die Hand und strich ihm über die Wange. Sie schloss die Augen. Es war fast, als würde sie die Berührung in sich einsaugen wollen. Trotzdem brauchte es drei heftige Atemzüge, bis sie sich wieder so weit beruhigt hatte ihm zu erzählen, was passiert war.

"...ich sei schuld daran, dass Männer mir nur wehtun wollen. Bei mir hätte man einfach das Gefühl man müsse alles aus mir heraus vö..." sie brach ab und musste auch nicht weitersprechen. Er hatte auch so verstanden.

Fest biss er die Zähne zusammen. Dieser Typ würde gehen. Oder vielmehr würde Niklas dafür sorgen, dass er gegangen wurde. Er musste schlucken, drückte ihre Hand fest und flüsterte leise, "Danke, dass du mir das erzählt hast!"

Niklas richtete sich auf. Strich ihr über das weiche blonde Haar und sah sich suchend nach Dana und Franka um. Natürlich hatten sie an der Tür gestanden und gelauscht. Mit einem Kopfnicken machte er ihnen klar, dass sie hereinkommen sollten. Dabei sah er gezielt Franka an. Sie war zwar scharfzüngiger, aber nicht so impulsiv wie Dana.

Er beugte sich wieder zu Leah herunter. "Ich kümmere mich um den Typen. Versprochen. Franka geht mit dir in den Kraftraum unten, du kannst ihr vertrauen. Schaffst du das?"

Leah schloss die Augen. Sie atmete immer noch unregelmäßig und schien nur einen Steinwurf vom nächsten Heulkrampf entfernt zu sein, trotzdem straffte sie die Schultern und nickte stumm, dieses Mal war sie es, die seine Hand drückte. Sie war hier nicht alleine! Das sollte sie wissen! Sie war ein Teil von ihnen und er würde nicht zulassen, dass jemand aus ihrer Vergangenheit sie aus ihrer Mitte riss.

Franka trat lächelnd zu ihnen und hielt Leah vertrauensvoll die Hand hin. "Ich bin Franka." Ihr Blick war weich und sie wirkte so ruhig, wie Niklas sie noch nie erlebt hatte.

Leah ergriff ihre Hand zögerlich und piepste mit brüchiger Stimme, "Leah"

"Also gut Leah, dann komm mal mit. Unten bekommst du hoffentlich wenig mit. Das wird wieder. Du bist hier nicht alleine. Wir Rudermädels müssen doch zusammen halten."

Leah rutschte ungelenk von dem Stuhl. Atmete tief durch und blinzelte ein paar mal. Seine Hand hatte sie inzwischen losgelassen und er vermisste es beinahe sie in seiner zu spüren. Die Schultern gestrafft, trat sie mit zittrigen Schritten zu Franka.

Er folgte den beiden Frauen aus der Küche. Dana stand sie im Türrahmen des Ergraumes, dass sie Leah abschirmte. Hätte ihm jemand vor einer halben Stunde gesagt, dass sie mal wortlos so nahtlos zusammenarbeit würden, dann hätte er wohl gelacht.

Er blickte Leah und Franka nach, als sie die Treppe runterliefen, dann wandte er sich dem Ergraum zu. Seinen Blick heftete er dabei fest auf den Rücken des Typen, der Leah so in Angst und Schrecken versetzte.

"Wen krallen wir uns?", Dana stand neben ihm und grinste. Die Hände hatte sie zu Fäusten geballt und lächelte.

"Den dahinten!"

Mit einem breiten und aufgesetzten Lächeln tänzelte Dana auf den Mann zu. "Kommst du mal mit?", flötete sie und klimperte mit den Wimpern. Wie oft hatte er schon gesehen, dass sie genau den Trick bei Paul angewandt hatte, um ihn zu einem ungemütlichen Gespräch zu bitten. Sein Kumpel fiel immer wieder darauf herein und auch das Exemplar hier schien nur Danas Äußeres zu sehen und nicht zu verstehen, dass Dana ihn direkt in eine Falle führte.

"Klar. Ist bestimmt wichtig, oder?" Da klang jemand von sich selbst überzeugt. Niklas wurde sofort etwas schlecht. Er mochte solche Menschen, weder weiblich noch männlich, noch divers, einfach nicht.

Der Typ erhob sich betont cool und starrte auffällig auf Danas Hintern, als jene sich vor ihm aus der Tür schob. Das war ihr garantiert sauer aufgestoßen und auch Niklas widerte dieses Verhalten an.

Kaum dass der Typ aus dem Raum war, stand er auch schon Niklas gegenüber und einer hochroten Dana.

"Du packst jetzt deine Sachen und gehst!" Niklas sah ihn ernst an und wartete nur darauf, dass er etwas sagte. Der Typ hätte keine reelle Chance gegen ihn, auch nicht gegen Dana, oder erst recht nicht gegen Dana.

Der Typ prustete los. "Hat euch die kleine Schlampe Lügen über mich erzählt?" Er hatte wohl den Ernst der Lage nicht gepeilt.

Niklas Herz schlug schneller und er schloss die Hand zu einer Faust. Wütend fixierte er den Typen mit seinem affigen Schnäuzer im achtziger Jahre schick. "Du gehst jetzt! Und zwar so schnell du kannst!" Sonst würde er ihm hier und jetzt die Fresse polieren und Dana würde wohl auch nicht zögern, so auffällig er ihr jetzt in den Ausschnitt starrte.

Er hoffte nur er würde unten nicht mit Franka und Leah zusammenstoße, oder in den Kraftraum gehen, wenn er 

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