Kapitel 31- Verschlossene Türen

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Immer noch starrte er auf die Tür. Eine beißende Leere nahm Besitz von ihm. Das durfte nicht wahr sein! Das durfte einfach nicht passiert sein! Nicht nach diesem wunderschönen Morgen. Er hatte sich schon lange nicht mehr so lebendig gefühlt. Es war alles so perfekt gewesen, von ihrer kurzen Panik abgesehen. In dem Moment hatte er das Gefühl gehabt, dass das zwischen ihnen hatte sein müssen. Dass sie sein mussten.

Aber nun konnte er nur auf diese Tür starren und verarbeiten, dass sie nicht mehr zurückkommen würde. Sie war weg. Gerade als er geglaubte sie mal zufassen bekommen zu haben.

Leise Schritte auf der Treppe ließen ihn seinen Blick widerwillig von der Tür lösen. Anna legte ihm mitleidig die Hand auf die Schulter. Ihr Daumen streichelte über sein Schlüsselbein und sie lächelte ihn geknickt an.

"Scheiße gelaufen. Tut mir leid!", murmelte sie. In ihren Augen lag so viel Mitgefühl, dass ihm schlecht wurde. "Ich habe noch versucht ihr zu erklären, dass das einer von Pauls schlechten Witzen war". Ihre Stimme klang weich und der Druck auf seiner Schulter wurde mehr.

Er schüttelte betrübt den Kopf. Automatisch wanderte sein Blick wieder zur Tür und er wünschte sich, sie würde sich öffnen und Leah ihm jeden Moment verheult in die Arme fallen. Er würde alles dafür geben, dass er eine Chance bekäme, mit ihr zu reden.

"Es sollte wohl nicht sein." Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so zynisch geklungen hatte. Tief atmete er ein und hoffte so dieses beklemmende Gefühl in der Brust loswerden zu können. Sein Herz fühlte sich so bleischwer an.

"Sag das nicht!" Anna löste ihre Hand von seiner Schulter und nahm ihn in den Arm. "So glücklich warst du schon lange nicht mehr. Das darfst du jetzt nicht aufgeben. Nicht, weil Paul so ein Arsch war. Ihr funktioniert so gut zusammen. Das sollte es wert sein, sich um sie zu bemühen!"

Wieder schüttelte er den Kopf. "Der Zug ist abgefahren!" Wenn er die Augen schloss, konnte er ihren Geruch noch riechen. Fast so als wäre sie noch bei ihm und nicht irgendwo hoffentlich auf dem Heimweg. Machte er sich gerade ehrlich Sorgen wo sie war? Das alles tat so weh! "Sie hat sehr klargemacht, dass ich sie nicht kontaktieren soll"

Anna stöhnte entnervt auf. "Mein Gott! Das sagen wir Mädels immer! Insgeheim wollen wir zu neunzig Prozent, dass ihr gerade dann euren Arsch mal hochbekommt und anfangt, euch um uns zu bemühen." Sie seufzte. "Handy her!"

"Das wird leider schwer. Ich habe ihre Nummer nicht!", gab er kleinlaut zu. Das war ja schon beinahe peinlich, aber das Schicksal hatte sie immer so zusammengeführt, dass diese Kleinigkeit nie nötig gewesen war.

Anna atmete schnaubend auf. "Dann kann ich verstehen, dass sie gerannt ist. Manchmal frage ich mich echt, ob ihr Jungs wirklich so blöd seid, oder nur so tut."

Entgeistert sah Niklas sie an. Was hatte das jetzt schon wieder zu bedeuten? Er hatte sich im Moment verloren und nie auch nur einen Gedanken daran, verschwendet sie nach irgendwelchen Daten zu fragen. Warum auch? Es war ihm nicht in den Sinn gekommen.

"Erst vögeln, dann noch mit zum Training nehmen, als wäre da etwas und dann nicht mal Handynummer oder sonstiges haben. Das haben wir doch immer gerne.", echauffierte sich Anna sich weiter. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und stierte ihn wütend an. Sie sah aus, als würde sie eine Lanze für alle Feministinnen brechen wollen.

Niklas blinzelte sie ruhig an. Unter anderen Umständen hätte er gelacht, aber solange sein Herz sich so kalt anfühlte, ging das einfach nicht. Seine Mundwinkel wollten einfach nicht nach oben zucken, als würden Gewichte an ihnen ziehen. "So war das nicht!"

"Ach? Klingt gerade anders!" Anna tippte ungeduldig mit ihren Fingern auf ihrem Oberarm. Sie schien Leah zu mögen. Er konnte verstehen, dass sie für ihre neue Freundin einstehen wollte.

Er musste schlucken. Jetzt hieß es, das Innere nach Außen kehren. Er musste es Anna erklären. Alles. "Es ist nicht so wie du denkst. Ja wir haben die Nacht zusammen verbracht, aber wir haben nicht miteinander geschlafen. Im Gegenteil! Wir haben miteinander geredet und das war bitter nötig. Das Paul gerade so etwas sagte und meinte diesen schlechten Witz zu machen, um mich anzugreifen-" er stockte. "Das war einfach Karma. Männer haben ihr so weh getan. Sie benutzt, versucht zu dem zu machen, was toll fanden. Dann so was zu hören hat das Fass wohl zum Überlaufen gebracht und ich kann es verstehen!"

Kurz sah Anna verwundert aus, dann öffnete sie den Mund, schloss ihn wieder und seufzte dann so tief, dass man meinen könnte auch ihr Herz wäre gebrochen worden. "Liebst du sie?"

Plötzlich so direkt gefragt zu werden, löste etwas in ihm aus. Es machte, sofort klick. Da gab es kein Abstreiten. Spätestens seit gestern war es klar. Es gab nur diese eine Antwort. "Ja", kam es ihm fest und klar über die Lippen und fühlte sich verdammt gut an. "Noch nie hat sich etwas so angefühlt wie mit ihr! Alles macht so viel Sinn. Wenn ich sie ansehe, will mein Herz am liebsten stehen bleiben. Ich vergesse zu atmen. Sie ist überall!"

Annas Gesichtsausdruck wurde weicher und sie löste die vor der Brust verschränkten Arme. Tief atmete sie durch und legte eine Hand auf ihre Brust. "Das ist echt süß! Warum sagst du ihr das nicht?!".

Er presste die Lippen zusammen. Das hätte er vielleicht tun sollen, hatte aber den Absprung verpasst. Das war ärgerlich, aber er konnte es nicht ändern. Sie war weg. Er konnte sie nicht kontaktieren und bezweifelte sie beim Training zusehen, oder dass sie es überhaupt zulassen würde, dass er mit ihr reden würde, wenn sie da war. Es war ruiniert. "Wie? Anna, es ist vorbei!" Er klang so hölzern. Das war so komisch.

"Ist es nicht!" widersprach sie ihm fest. "Du willst das gerade nur glauben, weil das am einfachsten ist! So wie sie dich angesehen hat, kommt sie wieder, dafür liebt sie das Rudern auch zu sehr. Diese Chance musst du nutzten und wenn sie dann weg ist, dann ist alles vorbei!"

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