Kapitel 38

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Leah konnte Niklas Blick noch einmal kurz auf sich spüren, als müsse er sich nicht einmal versichern, dass sie wirklich auf seinem Sofa saß, ehe er im Badezimmer verschwand.
Tief atmete sie durch und ließ sich nach hinten fallen. Ein Teil von ihr wollte weinen, alles rausschreien, den Schmerz vergessen. Aber dann war da noch der andere Teil, der Teil der einfach nur glücklich sein und sich an diesem unbekannten warmen Gefühl in ihrer Brust festklammern wollte.

Mit den Händen fuhr sie sich über das Gesicht. Das war plötzlich so verwirrend. Die Sache mit Christoffer vor gerade einmal ein paar Stunden rückte in den Hintergrund. Dieser Typ konnte sie mal! Sie war endlich da wo sie hin gehörte. Vielmehr war sie endlich in den Armen der Person zu der sie eigentlich all die Jahre gehört hatte. Es hatte alles einfach so kommen müssen. Niklas und sie sollten einfach so einen schlechten Start haben, wenn sie ehrlich war hätten sie sich sonst noch nicht so zu schätzen gelernt. Eigentlich sollte sie all diesen absoluten Vollidioten einen Dankesbrief schreiben.

Unweigerlich musste sie lachen. Wie lange hatte sie genau hierauf gewartete?! Am liebsten wäre sie jetzt einfach ins Bad gestürzt, hätte Niklas an sich gezogen und ihn einfach nur mit ihrer Liebe überschüttet. Davon hatte sich einfach zu viel angestaut über die Jahre. Leah wollte ihn allerdings auch nicht überfallen. Er nahm so viel Rücksicht auf sie, hatte so ein feines Gespür für sie, dass sie es ihm schuldig war nun auch etwas zurückzustecken. Auch wenn sie gerade glücklich war und alles wieder gut, musste sie noch lange keine Grenzen überschreiten und weglaufen würde er ihr in seiner eigenen Wohnung nach den letzten Minuten wohl kaum. Trotzdem war da noch diese Angst, dass etwas passieren könnte und sie wieder auseinanderreißen. Daran würde sie arbeiten müssen. Eindeutig. Vielleicht auch an ihrem ausgeprägten Misstrauen.

Fuck! Sie war so ein Chaos! Wie konnte sich da nur jemand wie Niklas ernsthaft in sie verlieben? Ihr Blick wanderte zu einem Bild an der Wand von ihm und Paul im Doppel. Die Medaille, die sie da wohl gewonnen hatten hing am Rahmen. Selbst so verbissen und hoch konzentiert sah er noch verboten gut aus. Sofort wurden ihre Knie wieder ganz weich und ihr Herz schlug schneller. Dieser Typ sollte nun zu ihr gehören? Nie im Leben hätte sie sich das auch nur im entferntesten vorstellen können. Gut, sie hatte auch am Anfang gedacht er wäre langweilig. Wie falsch sie damit gelegen hatte...

Sie hörte wie die Dusche anging. Leise seufzte Leah auf und musste daran denken, wie das Wasser seinen athletischen Körper umspület. Diese Schultern würden sie wohl immer schwach werden lassen.

Ihr Handy pingte. Kurz überlegte sie es aus ihrer Jackentasche holen sollte, aber entschied sich dann dagegen. Wenn sie jetzt zur Garderobe ging und Niklas jeden Moment wieder aus dem Bad kommen würde, dann würde das eindeutig das falsche Signal senden. Außerdem würde es sie auch einfach nur stören. Wenn sie mit ihm zusammen war dann wollte sie die Zeit genießen und nicht mit der wirklichen Welt konfrontiert werden. Gerade wollte sie einfach Zeit in dieser gemütlichen, aufregenden und viel zu schönen Blase verbringen.

Niklas Handy lag auch irgendwie total deplatziert auf dem vollgepackten Schreibtisch. Irgendwie war sie neugierig. Sie wollte wissen welche Kurse er gerade hatte. Leise stand sie auf und klappte einen der Ordner auf. "Law in Marketing- Copyright and the overall protection of interlectual property", las sie den Titel auf der ersten Seite. Beinahe war sie enttäuscht, dass Niklas nicht mit Hand geschrieben hatte. Irgendwie war sie neugierig wie seine Handschrift wohl aussah. Sie wollte aber auch nicht weiterblättern. Herumschnüffeln fühlte sich falsch an.

Schnell schloss Leah den Ordner wieder und ließ sich wieder auf das Sofa sinken. In dem Moment ging auch die Badezimmertür wieder auf.

Kurz hielt sie die Luft an und kam sich etwas ertappt vor, aber dann sah sie Niklas Blick und entspannte sich wieder. Er ließ seine braunen Augen ruhig über sie wanderten und schien wieder nach irgendeinem Anzeichen zu suchen, dass es ihr nicht gut ging.

Leah setzte jedoch ein Lächeln auf und musterte ihn. Seine dunklen Haare waren noch feucht und standen in alle Richtungen. Sie fand das süß, besonders da es so gingen Niklas Natur ging, zumindest hatte sie ihn noch nie zuvor so gesehen. Als er ihr Lächeln zögerlich entgegnete hatte sie das Gefühl ihr Herz würde ihr jeden Moment aus der Brust springen.

Sein Lächeln war so einnehmend, dass sie wieder einmal an nichts anderes denken konnte, als ihr zu küssen. Das war doch nicht mehr normal! Noch nie hatte sie sich so sehr danach gesehnt die Lippen eines anderen Menschen auf ihren zu fühlen.

Zögerlich stand sie auf. Irgendwie wollte sie etwas sagen, aber ihr wollte kein passender Satz in den Sinn kommen. Noch nicht einmal einzelne Wortfragmente schafften es in ihr Bewusstsein. Er zog sie an wie ein Magnet.

Niklas legte den Kopf leicht schief und blinzelte fragend, als sie vor ihm zum stehen kam. Sie konnte sich ja selbst nicht erklären warum sie so reagierte.

"Was machst du mit mir?", wisperte sie leise, als sie sich gegen seine Schulter sinken ließ. Es hatte so etwas vertrautes und sicheres, als er seine Arme um sie legte und sie auf den Scheitel küsste. Ihr armes Herz und die vielen kleinen Schmetterlinge in ihrem Bauch wollten sich gar nicht mehr beruhigen.

Dieses Mal überforderte sie das allerdings nicht. Im Gegenteil sie genoss seine nähe und die eindeutige Reaktion ihres Körpers darauf.

Sie spürte ohne aufsehen zu müssen, dass ihn ihre Frage etwas belustigte. Er fand sie wahrscheinlich sogar niedlich. Es hatte zumindest nichts abwertendes. Niklas war wirklich jemand an dem man sich festhalten konnte, er würde sie nicht ertrinken lassen. Und das nicht nur metaphorisch.

"Wann hast du morgen Vorlesung?", fragte er plötzlich und zerstörte damit leider auch für einen Augenblick den Moment. Die Realität war zurück und die Magie des Augenblicks vergangen. Leah seufzte und kramte in ihrem Gedächtnis, das immer noch etwas vernebelt war nach der Uhrzeit. "Um eins, im großen Saal, drüben in der HLK. Wenn ich ehrlich bin habe ich keine Lust." Mit ihm war alles so einfach. Sie gab nicht gerne zu wenn sie auf eine Vorlesung keine Lust hatte, aber bei ihm sagte sie einfach was ihr in den Sinn kam.

Niklas atmete ein und wandte seinen Kopf Richtung Schreibtisch. "Weißt du welche Vorlesung das ist?"

Natürlich wusste sie das. "Marketing Communication." "Mit Brian Gullivan?"

Sie nickte. Eigentlich mochte sie Brian ja, aber seine Vorlesungen langweilten sie bei doch zunehmend und klar denken könnte sie momentan eh nicht wirklich.

"Ich hatte den Kurs im letzten Term. Also die Unterlagen stehen hier noch in irgendeinem Ordner rum. Brian ist ja nicht gerade bekannt dafür dass er viel in seinen Kursinhalten variiert." Sie hob den Kopf von seiner Schulter und blickte ihn prüfend an. "Du willst mir also nahelegen meine Vorlesung morgen einfach zu schwänzen?" Sie kannte die Antwort, was fragte sie da überhaupt noch.

"Ich sage nicht, dass du das tun sollst. Es ist nur ein Vorschlag", stellte Niklas auch sofort klar, wobei sich ein freches Grinsen auf seine Lippen schlich.

Leah musste schmunzeln. "Mhm... Und auch nicht ganz uneigennützig nehme ich an?" Er sah weg. Natürlich sah er weg und sie meinte sogar ihn etwas rot werden zu sehen. Warum hatte ihr bloß nie jemand gesagt wie toll das Bitteschön war, wenn ein Mann sein Herz auf der Zunge trug und nicht den coolen Typen spielte an den nichts wirklich ran kam? Mehr! Sie wollte eindeutig mehr davon! "Unterumständen...", gab er leise zu und der schelmisch Klang in seiner Stimme ließ ihr einen Schauer über den Rücken jagen.

"Du hast nicht zufällig auch Vorlesungen, die morgen stattfinden und du irgendwie nicht sehen möchtest?" Ihr Blick wurde prüfend. War er nicht im letzten Jahr? Sollte er da nicht zur Sicherheit zu jeder Vorlesung erscheinen?

Aber Niklas schüttelte entspannt den Kopf. "Für morgen ist der Kalender leer. Nur Training mit Franka und Dana." Kurz musste sie überlegen wer das wohl sein mochte, aber nahm einfach mal an, dass es die Mädels von heute gewesen waren. Die hübsche blonde Schlägerin und die dunkelhaarige mit dem feurigem Blick. Wer von ihnen nun wer war konnte sie jedoch nicht ihrem Verstand entlocken.

"Ich war heute schon nicht in Bestform. Meine 2k hab ich wirklich miserabel runtergerissen," kam es ihm zähneknirschend über die Lippen. "Das wird morgen kein Spaziergang. Die beiden sind Biester. Wenn man gegen sie irgendwo antreten muss kann man nur rennen. Sie rudern alles und jeden gemeinsam an die Wand."

Das glaubte sie gerne. Trotzdem glaubte sie kaum, dass Niklas ihnen in etwas nachstand. "Du kannst das schon!"

NoviceWhere stories live. Discover now