Kapitel 30

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„Hier sieht es aus wie Schwein!" Neele trat nur langsam aus der Tür zu ihrem Wohnheimzimmer. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte sie nicht mit Leah gerechnet, sah aber, dass es dringend war.

"Das ist mir egal!", schniefte Leah und schob sich an ihr vorbei in das kleine Zimmer. Die Luft war abgestanden und sie hatte nicht mal die Rollos hochgezogen. Leah musste etwas blinzeln, um etwas zu erkenne und ließ sich dann auf das ungemachte Bett sinken. In ihrem Kopf lief alles Amok. Wie hatte sie bloß so blind sein können?! Wie hatte sie sich bloß einbilden können, zwischen ihnen wäre etwas?!

Neele seufzte und schob ihre Müslischale, die immer noch halb voll neben dem Computer stand, zur Seite. Mit einem mitleidigen Blick ließ sie sich auf den Schreibtischstuhl fallen. "Was ist passiert oder vielmehr wer ist passiert?", fragte sie vorsichtig und mit einiger Zurückhaltung in der Stimme. Sie schien sich nicht sicher zu sein, ob sie es wirklich wissen wollte.

Leah ließ den Kopf in die Hände sinken und fing herzzerreißend an zu schluchzen. Das tat so verdammt weh! Sie war wieder nur das aufregende Neue gewesen, das allerdings nicht bleiben sollte. Das niedliche Spielzeug, bis sich das passende neue Püppchen fand, die durfte dann natürlich bleiben. Sie war mal wieder so blöd gewesen. Kein Mann war so perfekt! Da hätte ihr doch schon auffallen sollen, dass das alles bloß ein abgekartetes Spiel gewesen war. Wann wäre sie ihm wohl langweilig geworden? In einer Woche? Nach einem Monat oder vielleicht genau dann, wenn sie ihr Herz endgültig an ihn gehängt hatte.

"Wie heißt der Typ? Wie soll ich ihn umbringen?!", Neele griff nach ihrer Hand und drückte sie vorsichtig. Sie fragte sich fast schon, ob Neele wirklich so naiv war. Sie hatte ihr doch Niklas selbst andrehen wollen! Toll, das hatte sie nun davon! Nie wieder würde sie sich auf einen Typen einlassen und schon gar nicht auf einen, den andere Frauen ihr schmackhaft machen wollten.Leah hob den Kopf aus ihren Händen und schniefte, "Niklas Ziegler!". Es wunderte sie selbst beinahe schon etwas, dass sie seinen vollen Namen so locker drauf hatte. "Wie du ihn umbringen willst, überlasse ich dir!", schmollte sie.

Sie wünschte sich wirklich, sie hätte Niklas nie kennengelernt, oder sich zumindest nach der Weihnachtsfeier nicht auch ihn eingelassen. Er war ihr so nah gekommen und dann das! Verdammt! Das hätte nie und nimmer passieren dürfen.

Neele verzog verwirrt das Gesicht. Mit dem Namen konnte sie eindeutig wenig anfangen und noch weniger mit ihrer Aussage, dass sie ihn töten dürfte wie sie wollte. Normalerweise sagte Leah ihr immer, dass sie sich doch bitte aus solchen Angelegenheiten heraus halten sollte. Sie seufzte und fuhr sich durch ihre in alle Richtungen abstehenden Locken, wobei ihre Finger immer wieder etwas hängen blieben. "Jetzt für beste Freundinnen ohne Sozialleben noch einmal zu mitschreiben! Wer zur Hölle ist dieser Niklas?"

Ja, das war die richtige Frage. Wer war Niklas Ziegler? War er wirklich der einfühlsame Ruderer aus Oldenburg, für den sie ihn gehalten hatte oder stimmte das Bild, dass Paul von ihm gemalt hatte nicht vielleicht viel besser.

Mit einem herzzerreißenden Seufzer, der aus der tiefsten Tiefe ihres Herzens kam, ließ sie sich nach hinten auf das Bett fallen. Die Matratze gab leicht unter ihrem Gewicht nach und knarrte dabei leise. Augenblicklich musste sie daran denken, dass sie Neele nicht empfehlen würde in diesem Bett auch nur an Sex zu denken. Ihre WG würde das bei dem schlechten Bettgestell sofort mitbekommen. Sofort wischte sie den Gedanken wieder zur Seite. Wer wollte schon an Sex denken?! Gerade wenn er ständig sie vor der Nase hatte, die wohl langsam mal von Männern und ihren Trieben die Schnauze so gestrichen voll haben sollte, dass sie freiwillig in ein Kloster gehen sollte. Nicht um die Männer vor ihrer grenzenlosen Wut zu schützen, sondern um sich selbst vor einer weiteren schmerzhaften Enttäuschung zu bewahren.

"Mein Trainer. Der, den du mir immer andrehen wolltest!" gab sie Neele die Erklärung und ärgert sich sofort, es nicht anders formuliert zu haben. Das klang beinahe als wäre diese ganze Misere Neeles Schuld.

Neele guckte immer noch verwirrt, nahm sich nun jedoch ihre Müslischüssel wieder in die Hand. "Ich verstehe immer noch kein Wort, aber erzähl mir mehr!" Gespannt betrachtete sie, wie Leah sich wieder aufsetzte und sie hilflos aus verheulten Augen anblickte. "Was?", Neele zuckte mit den Schultern, "Du hast mich beim Frühstücken gestört! Ich würde dir ja auch etwas anbieten, aber dann müsste ich in die Küche und mich mit meinen Mitbewohnern herumschlagen."Kurz zuckten Leahs Mundwinkel. Das war so typisch Neele. Bloß nicht zu viele soziale Interaktionen an ein und demselben Tag. Und auch kein Frühstück vor 12 Uhr mittags.Neele schob sich langsam einen Löffel in den Mund und musterte Leah immer noch gespannt und darauf harrend endlich mal Informationen zu bekommen, was nun passiert war und wer nun scheiße gebaut hatte.

Leah atmete tief durch. "Ich bin schon wieder voll in eine Falle getappt. Wiest du, tun immer einen auf mega nett und verständnisvoll und dann geht es ihnen doch nur darum dich ins Bett zu bekommen!" Leahs Miene verfinsterte sich und ihre grauen Augen funkelten wütend auf. Neele hielt gebannt in ihrem Müsliessen inne, beinahe fiel ihr der Löffel aus der Hand. "Sagen Dinge wie 'Wir haben Zeit' oder 'diese rein körperlichen Sachen tun doch mehr weh, als sie irgendwem helfen'. Alles Arschlöcher! Warum tut man so etwas?! Neele, ich drehe langsam echt durch! Vielleicht sollte ich doch mal über ein Kloster oder ein freiwilliges Zölibat in irgendsoeiner Sekte nachdenken, die Naturgötter anbeten und lustig durch den Wald hüpfen!"

Neele nickte einfach nur langsam und der Löffel fiel ihr scheppernd aus der Hand in die Schüssel. Milch spritzte auf Neeles altes verwaschenes T-shirt mit dem Konterfeit ihres lieblings Animeecharakters mitten auf der Brust. "Klingt nach einem absolut wirren Plan und als ob du gestern Nacht etwas getan hast, was du bereust. Sag mir bitte, ihr habt verhütet, obwohl wenn es der Typ ist, von dem ich annehme, dass du von ihm redest, dann wird es wenigstens ein wirklich hübsches Kind!"

Leah rollte mit den Augen. "Ich habe nicht mit ihm geschlafen! Keine Sorge und Patentante wirst du in naher Zukunft auch nicht!" Sie atmete noch einmal tief durch und erklärte dann "Sein bester Kumpel hat angedeutet, dass ich wohl nur ein Ausrutscher für ihn bin und er jemanden wie mich noch vor kurzem nie auch nur einen Augenblick zu lange angesehen hätte. Es klang beinahe, als hätten sie schon über mich gesprochen und da Witze darüber gemacht, dass er mich ins Bett bekommen würde"

Neele seufzte und verzog mitleidig das Gesicht. "Männer sind echt Arschlöcher! Warum muss so etwas bloß immer dir passieren?! Ich hatte solche Hoffnungen für ihn! Der wirkte so nett und vor allem so verdammt verschossen in dich. Wahrscheinlich haben alle netten Typen mittlerweile einfach nur einen Abschluss in Schauspiel von irgendeiner guten Schule!" Letzteres zielte wohl darauf ab, Leah zu verdeutlicht, dass sie sich da in etwas verrannte und schon wieder überall Verschwörungen sehen wollte, wo keine waren, aber sie realisierte das gar nicht."Wahrscheinlich!", schniefte sie wieder und seufzte, "Er hat mir heute Morgen sogar einen Chai gemacht, nachdem wir gestern Nacht noch etwas miteinander geredet haben!"

Neele nahm ihren Löffel wieder in die Hand und verdrehte die Augen über ihre Freundin. Ihr war deutlich anzusehen, dass sie nicht nachvollziehen konnte, wie ihre beste Freundin alles wegschmeißen konnte, nur weil der Kumpel eines Typen irgendetwas sagte. Als eines von zwei Mädchen in einer Studenten WG, und als meist eher stumme Mithörerin bildete sie sich ein zu wissen, dass Männer viel laberten, wenn sie zusammen waren und beinahe die Hälfte Schwachsinn war.

 Als eines von zwei Mädchen in einer Studenten WG, und als meist eher stumme Mithörerin bildete sie sich ein zu wissen, dass Männer viel laberten, wenn sie zusammen waren und beinahe die Hälfte Schwachsinn war

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