10 - Lose Enden und noch mehr Fragen

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Sie war erst spät aufgestanden und fühlte sich ausgeruht. Selbst die Rippen taten nur noch weh, wenn sie tief einatmete. Oder lachte. Und zum Lachen war ihr nicht zumute. Gerade noch war sie verprügelt, um ein Haar vergewaltigt und fast entführt worden – doch selbst jetzt, wo sie zu Hause war und in Sicherheit sein sollte, schien nicht alles so zu sein wie immer. Maman war so merkwürdig, vor allem seit sie mitgehört hatte, was sich zuletzt in jener schrecklichen Nacht zugetragen hatte. Sogar nach dem gemeinsamen Frühstück, das beinahe schon ein Mittagessen war, schien sie mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein. Und Yuki bemerkte, wie sie sie ängstlich fixierte, wann immer sie glaubte, dass ihre Tochter nicht hinsah. Sie hatte nicht die Energie, sich mit Maman auseinanderzusetzen, doch früher oder später würde sie sie darauf ansprechen müssen. Irgendetwas war ganz fürchterlich faul.

Steve hatte die seltsame Stimmung im Hause Leclerc wohl auch bemerkt, anders konnte sie sich nicht erklären, weshalb er sich den ganzen Vormittag rargemacht hatte. Oder er ging einfach nur ihr aus dem Weg, und daran hatte sie ganz allein Schuld. Sie hatte ihn ja unbedingt küssen müssen, obwohl sie es langsam hatte angehen wollen. Es war einfach passiert. Nach einem frühen Abendbrot hatte sie ihm ihren Lieblingsplatz zeigen wollen: das Baumhaus, das Papa ihr gebaut hatte, als sie zwölf geworden war. Es war an der hintersten Grundstücksgrenze und höher gelegen, sodass man auf den Ort im Tal herabblicken konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Wann immer sie Kummer gehabt hatte oder bloß allein sein wollte, hatte sie dort ihren Frieden wieder gefunden. Es war nach der langen Zeit, die es geschlafen hatte, verwittert und etwas zugewachsen, doch immer noch stabil genug, sogar für zwei ausgewachsene Personen.

Dort hatten sie aneinander gelehnt gesessen, ein weizenblonder und ein tiefschwarzer Haarschopf über eine Schüssel Weintrauben gebeugt, während sie über alle möglichen Dinge sprachen. Nur nicht über das, was sie hierhergeführt hatte. Ganz als hätte sie stillschweigend vereinbart, ausschließlich über harmlose Nichtigkeiten zu reden, welche kaum dazu geeignet waren, die Oberfläche eines ruhigen Teiches auch nur zu kräuseln.

Und auch dieses Mal, wie immer, wenn sie ihre Zuflucht aus Kindertagen aufsuchte, entspannte Yuki sich ziemlich schnell, fast schon augenblicklich. Was sie auch auf die angenehme Gesellschaft zurückführte, und auf den Wein, den sie aus Papas speziellem Kühlschrank hatte mitgehen lassen. Das Gefühl, geborgen zu sein, zusammen mit Steves sauberen Geruch nach Seife, frisch gestärktem Baumwollhemd und einem vertrauten, holzig duftenden Aftershave, all das hatte sie dazu gebracht, alle Kontrolle und guten Vorsätze sausen zu lassen.

Er hatte gerade von seiner ersten Begegnung mit seinem Jugendfreund Bucky erzählt, eine kurze Pause gemacht und Yuki gefragt, ob sie auch noch eine ganz besondere Freundschaft aus ihrer Jugend pflegte. Sie hatte verneint und festgestellt, dass solch feste und unverbrüchliche Freundschaften ziemlich selten waren. Sie hatte ganz spontan einfach nur den Kopf ein wenig angehoben und ihn sacht auf den Mund geküsst. Es war noch nicht einmal ein aufdringlicher oder gar fordernder Kuss gewesen.

 Es war noch nicht einmal ein aufdringlicher oder gar fordernder Kuss gewesen

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