Kapitel 23

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In einem der höchsten Bürotürme mitten auf der künstlichen Insel Tsukushima klingelte das Telefon und die Frau griff mit korallrot und spitz manikürten Fingernägeln nach dem Hörer. „Ja?" Sie klang selbstsicher, doch die Hand mit dem Hörer zitterte unkontrollierbar, denn Kobayashi war am anderen Ende der Leitung. Wenn er aus seinem Urlaub in Key West anrief, hatte es nichts Gutes zu bedeuten, oder aber er hatte sich lediglich dazu entschlossen, sich selbst zu kümmern. Was auch nicht gut war für sie.

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Kobayashi-Sama", sagte sie unterwürfig und verbeugte sich, obwohl die ehrerbietige Anrede mehr als ausreichend war und er sie gar nicht sehen konnte. Doch sie wollte kein Risiko eingehen: es waren schon Köpfe für geringere Vergehen gerollt. Als sie vorhin Meldung gemacht hatte, war sie schon als die Abteilungsleiterin gebrandmarkt, unter deren Augen Yuki Leclerc entwischt war. Dass eine Widow daran beteiligt war, taugte für Männer wie Kobayashi nicht als Ausrede. Und sie hatte sich auch dafür verantworten müssen, dass fünf ihrer Leute regelrecht abgeschlachtet worden waren als die kostbare Beute sich ihres Zugriffs entzogen hatte.

Jetzt auch nur den Hauch von Respektlosigkeit vermuten zu lassen, wäre mehr als töricht.

„Ich kann gar nicht oft genug sagen, wie sehr ich mich schäme, das Vertrauen, das die Corporation in mich setzte, enttäuscht zu haben." Wieder verbeugte sie sich, fror aber in der Bewegung ein, als ihr der Mann befahl, mit dem Unsinn aufzuhören. Seine Stimme klang wie immer aalglatt und sie erinnerte sich an reptilienhafte Augen, die sich noch vor einem Jahr kalt und doch irgendwie wohlwollend auf sie gerichtet hatten.

„Ihr Vater hat uns vor Jahren in der britischen Botschaft einen großen Dienst erwiesen, deshalb sei Ihnen dieser Fehltritt verziehen. Sparen Sie sich die Katzbuckelei: Sie haben jetzt die Gelegenheit, es wieder gutzumachen. Nutzen Sie sie!"

„Ja, natürlich, Kobayashi-Sama. Alles, was Sie wollen. Was soll ich tun?" Ihre Stimme überschlug sich vor Erleichterung.

„Unser Kontakt bei S.H.I.E.L.D. ist zwar aufgeflogen, aber die gute Nachricht ist, dass er nicht geredet hat. Zumindest wird er es nicht tun bis wir ihn endgültig zum Schweigen bringen. Die weitaus bessere Nachricht ist, im Hinblick auf Ihre weitere Karriere, dass er uns bereits vor acht Monaten im Rahmen eines anderen Auftrags die Adressen dreier S.H.I.E.L.D. Safe Houses in der Stadt beschafft hat. Sie werden sie in eines davon gebracht haben, und ich habe gleich nach Ihrem unglückseligen Fehlschlag alle drei überwachen lassen."

„Was ist, wenn die Informationen veraltet sind?" Die Frau hasste sich dafür, dass ihre Stimme nun doch so ängstlich klang, wie sie sich fühlte.

„Das lassen Sie meine Sorge sein. Ich halte es für unwahrscheinlich. Gaijin, allen voran die Amerikaner!", er stieß Letzteres mit so einer Verachtung aus, die sie Schaudern machte. Ihr Vater war Brite und sie somit zur Hälfte ‚Gaijin'. „Sie sind so blind und wiegen sich in Sicherheit, wenn man sie nur lange genug unbehelligt lässt. Sie werden nichts geändert haben." Er machte eine Pause, und die Nackenhaare der Frau stellten sich in Erwartung ihres neuen Auftrages auf.

„Wie dem auch sei: Sie werden einen Anruf erhalten, sobald sich an einer der Adressen etwas tut. Und dann sorgen sie dafür, dass das Mädchen in unsere Obhut kommt. Wie sie das tun, bleibt Ihnen überlassen - aber wir brauchen sie lebend und nach Möglichkeit unversehrt. Da sie dieses Mal wissen, dass eine Widow vor Ort ist, hoffe ich um Ihretwillen, dass Sie einen guten Plan haben."

„Ja, Kobayashi-Sama. Ich werde Sie nicht noch einmal enttäuschen!" Sie legte auf, doch das Zittern wollte lange nicht aufhören.


Als sich die dreifach gesicherte Tür des Apartments öffnete und Natasha hindurch kam, konnte er nicht an sich halten. Er stürmte auf sie zu, stieß sie grob beiseite und riss eine blutverkrustete Yuki an sich. „Du lebst! Ich hatte solche Angst, dass Natasha zu spät kommt!", seine Stimme versagte bei den letzten Worten und es hörte sich mehr wie das Krächzen einer Krähe an, als etwas, das aus menschlicher Kehle kam. Yuki machte sich los, und er betrachtete sie genauer. Sie war über und über mit Blut bedeckt, das an manchen Stellen bereits eine rostbraune Färbung angenommen hatte und so weit getrocknet war, dass es bei der leichtesten Erschütterung in großen Flocken von ihr abfiel. Im Gesicht hatte diese unheimliche Maske auch schon Risse, nur um die Augen hatte sie das Blut, wahrscheinlich als es noch flüssig gewesen war, mit kreisenden Bewegungen abgerieben. Durch diese runden Öffnungen starrte sie ihm ohne jede Regung entgegen.

Suche Held, biete Phönix (FF Captain America - Steve Rogers - OC)Where stories live. Discover now