Kapitel 35

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Er wünschte sich wirklich, an einem ‚richtigen' Auftrag dran zu sein, anstatt nur ein kleines, chinesisches Geschäft in Staten Island zu observieren. Gut, es war eines, das im Verdacht stand für die Triaden Geld zu waschen und gleichzeitig Menschenhandel zu betreiben. Geführt von niederträchtigen Individuen, die laut Hinweisen zweier Informanten den illegal eingeschleusten Frauen die Ausweispapiere abnahmen, um sie als schlecht bezahlte Näherinnen in den Hinterzimmern des Ladenlokals zu beschäftigen oder sie in noch schlechter bezahltem Frondienst bei wohlhabenden Familien der Upper Westside zu pressen.

Natürlich war das eine nicht weniger noble Mission, als eine Invasionsstreitmacht von Aliens zu zerschlagen oder Hydra zu bekämpfen, aber sie forderte Steve nicht in dem Maße, dass seine Gedanken nicht um Yuki kreisten und um deren merkwürdig distanziertes Verhalten, das sie seit dem unglückseligen Silvesterabend trotz ihrer Aussprache an den Tag gelegt hatte. Sie war zwar erst zwei Tage weg und würde in einigen weiteren Tagen wieder zurückkommen. Trotzdem vermisste er sie fast schon körperlich. Der Anblick ihrer Hälfte des Bettes, dessen unberührte Makellosigkeit ihn anklagend anfunkelte, verursachte ein diffuses Unwohlsein. Nicht so unmittelbar, dass er sich übergeben musste, sondern eher unterschwellig. So wie Infraschall, der nicht zu hören ist, leichte Übelkeit auslösen konnte.

Wieviel schlimmer wäre es, wenn sie ihn tatsächliche verließe? Unerträglich, das war sicher. Ständig malte er sich aus, wie sie nach ihrer Rückkehr aus DC diesen einen gefürchteten Satz aussprechen würde: „Steve, wir müssen reden."
Und dann kam noch die Sorge, dass ihr in der Hauptstadt etwas zustoßen könnte. Schließlich war sie entführt worden, als er sie das letzte Mal allein mit Natasha hatte losziehen lassen. Dieser Gedanke war natürlich unfair gegenüber Black Widow, und weil er das wusste, verscheuchte er ihn energisch.

Auf einem Hausdach sitzend kalte Hot Wings aus dem nahe gelegenen KFC herunterzuwürgen, während er angestrengt auf die rückwärtige Gebäudefront des zu beobachtenden Objekts starrte, war jedenfalls nicht dazu geeignet, ihn abzulenken. So saß er Stunde um Stunde im Schneidersitz auf dem Dach und stand nur auf, um sich ab und zu die Beine zu vertreten.
Die Mission lautete auf unauffällige Observation, ohne jegliche Einflussnahme. Erst wenn einer der Triaden-Bosse sich zeigte und eindeutig identifiziert werden konnte, sollte der Zugriff erfolgen. Fury hatte betont, dass es entscheidend war, sie auf frischer Tat zu ertappen.

Steve seufzte. Das war nun einmal der Plan, und es sah nicht so aus, als ob er in näherer Zukunft mit Action rechnen konnte. Ein plötzlicher Tumult belehrte ihn eines Besseren. Zuerst konnte er die Quelle des Lärms nicht ausmachen, doch dann ergossen sich Dutzende Frauen, jung und alt, aus dem Hintereingang des Restaurants. Sie wurden von mehreren Aufsehern getreten, geschlagen und in Schach gehalten bis drei Lieferwägen mit quietschenden Reifen in den Hinterhof einfuhren. Lautes Schreien und Wehklagen erfüllte die kalte Luft, während die Frauen rücksichtslos in die Fahrzeuge getrieben wurden. Da lief etwas ganz entsetzlich falsch, und Steve nahm sich nicht die Zeit, erst bei Fury Meldung zu erstatten und dann auf Freigabe zum Handeln zu warten. Auf seinen Instinkt hatte Steve sich fast immer verlassen können, und dieser brüllte ihn geradezu an, dass jetzt Gefahr im Verzug war. Nicht für Captain America, aber sehr wohl für die eingeschüchterte Schar dort unten, von denen jede einzelne jemandes Mutter, Tochter, Schwester oder Ehefrau war.

Ohne auch nur einen Gedanken an die Missionsvorgaben zu verschwenden, schwang er sich über die Attika des Gebäudes, auf dem er Posten bezogen hatte, und ließ sich an der Feuerleiter herunter gleiten. Das leichte brennen an den Handflächen ignorierte er, ebenso wie Furys Stimme aus dem Headset: „Hey, Position halten, Cap! Was zum Teufel?!!!"

Am unteren Ende der Leiter, das sich noch knapp drei Meter über dem Erdboden befand und sich auch nicht weiter ausziehen ließ, sprang er einfach und rollte sich ab. Inzwischen hatten auch die Aufseher ihn bemerkt, und er riß in vollem Lauf seine eigene Pistole aus dem Halfter, zielte und holte einen der Männer von den Beinen. Fast zeitgleich hatte er seinen Schild in einer einzigen, fließenden Bewegung vom Rücken genommen und wie eine Frisbee-Scheibe in Richtung der anderen Männer geworfen, so dass sie einen großen Bogen beschrieb und einen miesen Typen nach dem anderen von den Beinen fegte.

Suche Held, biete Phönix (FF Captain America - Steve Rogers - OC)Where stories live. Discover now