Die dritte Frau

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"Es vergingen einige Jahre, nachdem Taha Aki sich das letzte Mal verwandelte - er war nun ein alter Mann, als es im Norden zu Auseinandersetzungen mit den Makah kam. Mehrere junge Frauen ihres Stammes waren verschwunden, und sie beschuldigten die Wölfe der Quileute, da sie uns fürchteten und misstrauten. Die Quileute wussten, dass keiner von ihnen dahinter steckte, da sie, genau wie ihre Vorfahren, die Gedanken der anderen lesen konnten, wenn sie in der Wolfsgestalt waren. Sechs der Werwölfe, darunter auch ein Sohn von Taha Aki, machte sich auf die Suche nach der Wahrheit. Im Wald stießen sie auf einen unbekannten Geruch. Er war eigenartig und süßlich. Er brannte ihnen so sehr in der Nase, dass es schmerzte." Ich lehnte mich an Seth's Brust - worauf er seinen Arm fest um meine Schultern legte, und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken, da ich nicht wollte, dass Billy aufhörte. "Sie wussten nicht, was für ein Wesen solch einen Geruch verströmte, doch sie folgten der Spur. Als sie der Fährte folgten, fanden sie schwache Spuren menschlicher Gerüche und menschliches Blut. Sie waren sich sicher, dass sie dem Feind, den sie suchten, auf den Fersen waren. Taha Wi, der Sohn von Taha Aki, schickte drei jüngere Werwölfe zurück, damit sie dem Stamm Bericht erstatten konnten. Taha Wi und die anderen beiden Werwölfe kehrten nicht zurück. Die jüngeren Wölfe suchten nach ihnen, doch sie fanden nur Schweigen. Taha Aki trauerte um seinen Sohn und die beiden anderen Werwölfe. Als die Makah davon erfuhren, glaubten sie den Quileute, nichts mit dem Verschwinden ihrer Frauen zu tun haben. Doch schon bald verschwanden zwei weitere Mädchen der Makah. Sofort riefen die Makah die Quileute-Wölfe um Hilfe an. Die Wölfe fanden im gesamten Makah-Dorf den süßlichen Gestank, den sie bereits kannten. Wieder gingen die Wölfe auf die Jagd. Nur einer, Yaha Uta, kehrte zurück. Er brachte etwas mit, was man bei den Quileute bis dahin noch nie gesehen hatte - die zerlegten Gliedmaßen einer merkwürdigen, kalten, steinernen Leiche. Das war der Feind der Makah. Yaha Uta berichtete, was geschehen war: Er und die anderen Wölfe hatten das Wesen, das von Menschengestalt, aber hart wie ein Granitfelsen war, zusammen mit den beiden Makah-Töchtern gefunden. Eins der Mädchen war bereits tot; weiß und blutleer lag sie am Boden. Die andere lag in den Armen des Wesens, sein Mund an ihrer Kehle. Vielleicht lebte sie sie noch, als Yaha Uta und die anderen die grauenhafte Szene erblickten, doch als sie näher kamen, biss das Wesen dem Mädchen schnell in den Hals und warf den leblosen Körper zu Boden. Seine Lippen troffen von Blut und seine Augen waren rotglühend. Yaha Uta berichtete von der unglaublichen Kraft und der Schnelligkeit des Wesens. Einer der Wölfe unterschätzte diese Kraft und fiel ihr zum Opfer. Das Wesen riss ihn in Stücke, als wäre er eine Puppe. Yaha Uta und die anderen waren vorsichtiger. Ihnen gelang es, das Wesen in die Enge zu treiben. Das Wesen war steinhart und eiskalt. Sie stellten fest, dass sie dem Wesen nur mit den Zähnen etwas anhaben konnten. Sie begannen von dem Wesen kleine Stücke abzureißen. Aber das Wesen lernte schnell und passte sich ihrer Angriffstaktik an. So bekam es Yaha Uta's Bruder zu fassen. Yaha Uta stürzte sich auf die Kehle des Wesens. Mit den Zähnen riss er dem Wesen den Kopf ab, doch die Hände hörten nicht auf, seinen Bruder zu zerfleischen. Im verzweifelten Versuch, seinen Bruder zu retten, zerriss Yaha Uta das Wesen bis zur Unkenntlichkeit. Es war zu spät, doch am Ende war das Wesen zerstört. Das glaubten sie jedenfalls. Yaha Uta breitete die Überreste des Wesens vor den Ältesten aus, damit sue sie untersuchen konnten. Als die Ältesten sie mit Stöcken hin und her schoben, berührten sich die Hand und der Arm des Wesens und die Hand streckte sich nach dem Arm aus, als sollte er wieder ganz werden. Entsetzt zündeten die Ältesten die Körperteile an, füllten die Asche in mehrere kleine Beutel und verstreuten sie über ein weites Gebiet - im Ozean, im Wald und in den Höhlen der Klippen. Einen Beutel trug Taha Aki um den Hals, damit er gewarnt wäre, falls das Wesen je versuchen sollte, wieder ganz zu werden." Billy zeigte mir einen kleinen Beutel, den er um den Hals trug. Ich riss vor Schreck die Augen auf und saß mit einem Mal kerzengerade auf dem Sofa. Seth legte mir behutsam eine Hand auf die Schulter und zog mich sanft zurück in seine Arme. "Sie nannten es das kalte Wesen, den Bluttrinker, und lebten mit der Angst, dass er womöglich nicht der Einzige seiner Art war. Sie hatten nur noch einen Wolfsmann bei sich, der sie beschützen konnte, den jungen Yaha Uta. Sie mussten nicht lange warten. Das Wesen hatte eine Gefährtin, auch sie war ein Bluttrinker, und sie kam zu den Quileute, um sich zu rächen. In den Geschichten heißt es, dass die kalte Frau das Schönste war, was je ein Mensch erblickt hatte. Die kalte Frau ermordete viele Quileute. Yaha Uta kam bei dem Kampf gegen sie um. Taha Aki war so wütend, dass er sich in einen uralten Wolf mit grauer Schnauze verwandelte. Er war alt, aber er war immer noch Taha Aki, der Geistermann, und seine Wut machte ihn stark. Der Kampf begann auf's Neue. Als seine dritte Frau merkte, dass der Kampf zu Gunsten der kalten Frau ausgehen könnte, nahm sie ein Messer und tötete sich, damit die kalte Frau von dem Blut abgelenkt wurde. Taha Aki nutzte die Gelegenheit und legte seine Zähne um den Hals der kalten Frau. Der Kampf war noch nicht zu Ende, aber jetzt stand Taha Aki nicht mehr allein da. Als zwei der jungen Söhne ihre Mutter sterben sähe, wurden sie so zornig, dass der Geisterwolf in ihnen zum Leben erwachte. Zusammen mit ihrem Vater überwältigten sie die kalte Frau. Taha Aki verwandelte sich nie wieder zurück in einen Mann. Er ging in den Wald und kehrte nie zu seinem Stamm zurück. Die Zeit verging und es gab kaum noch Zusammenstöße mit den kalten Wesen. Eines Tages tauchte ein größerer Zirkel auf. Der damalige Häuptling Ephraim Black und die anderen bereiteten sich auf einen Kampf vor. Doch der Anführer des Zirkels sprach mit Ephraim Black wie ein Mensch und versprach, den Quileute nichts zu tun. Seine merkwürdigen gelben Augen zeugten davon, dass diese Bluttrinker anders waren. Die Wölfe waren in der Unterzahl; die kalten Wesen hätten es nicht nötig gehabt, uns einen Vertrag anzubieten, denn sie hätten den Kampf sicher gewonnen. Ephraim stimmte dem Vertrag zu. Sie haben ihr Wort gehalten, allerdings lockt ihre Gegenwart andere herbei. Und ihre Zahl hat ein größeres Rudel hervorgebracht, als der Stamm es je gesehen hat. Außer natürlich zu Taha Aki's Zeit. Und so tragen die Söhne unseres Stammes wieder die Last und bringen dasselbe Opfer wie ihre Väter vor ihnen.", endete Billy und sah mich an. "Waren das etwa die Cullens?", fragte ich erstaunt. Billy nickte stumm. Ich schluckte. "Wow.", machte ich. "Und Ephraim Black ist ...", mir versagte die Stimme bei dem Gedanken. "Ja, er ist mein Großvater.", sagte Billy. "Dann ist er also Jacob's Urgroßvater?", fragte ich. Billy nickte erneut. "Aber macht ihn das nicht zum Erbe von Ephraim Black?", wollte ich wissen. "Doch, aber er hat es ausgeschlagen. Er wollte es nicht.", beantwortete Sam meine Frage. Diesmal war ich diejenige, die nickte. "Und diese Frau. Taha Aki's dritte Frau hat sich für ihren Mann geopfert?", fragte ich. "Ja, für ihn und das Volk.", sagte Billy. "Das muss wahre Liebe sein.", sagte ich und stellte mir vor, wie groß die Gefühle der Frau gewesen sein mussten, damit sie sich für diesen Schritt entschied. "Was mich zu dem bringt, was ich dir zu sagen habe.", unterbrach Sam meine Gedanken. Ich zuckte leicht zusammen und sah Sam an.

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