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Pov Luc

Der letzte Tag der Sommerferien war fast zuende. Danach hatte ich mein letztes Jahr an der Highschool. Vor vier Wochen hatte ich Pete kennen gelernt, er war erst im Sommer in unsere Siedlung gezogen, mittlerweile sind wir seit zwei Wochen zusammen.
Keiner von uns war als gay geoutet, wir hatten aber auch nicht wirklich darüber gesprochen. Pete hatte es mal erwähnt, dass er an der neuen Schule nicht gleich als gay abgestempelt werden wollte und ich hatte einfach zugestimmt. Outing bedeutete Stress, also etwas was ich vermeiden musste.

Demnach war es für uns beide besser, wenn keiner davon erfuhr. Okay sagen wir 'keiner'. Mein Therapeut wusste davon, ebenso seine Tochter Casey. Dafür konnte ich aber nichts, sie war eben meine beste Freundin und kannte als einzige all meine Geheimnisse. Wirklich alle. Selbst das ich mir am Ende des Monats immer 20 Dollar aus dem Portemonnaie meines Pflegevaters lieh um mit ihr ins Kino zu gehen, oder mir neue CDs zu kaufen. Ja, ich war etwas retro unterwegs. Ich weiß klauen ist scheiße, aber manchmal war das nötig und ich gab es ihm immerwieder zurück sobald ich mein Geld bekam.

Also eigentlich war es auch gar nicht so schwer es geheim zu halten. Wir sahen uns ja nicht so häufig. Ich ging zur Highschool und Pete arbeitete in einem Café. Dort hatte ich ihn auch kennen gelernt. Er macht unglaublich guten Kaffee... Auch wenn ich den nicht trinken soll... Aber er war zu gut. Das war wie wenn man ein Eis vor sich hatte und dies nicht durfte... Oder soetwas in der Art. Im großen und ganzen konnten wir uns bei anderen Menschen gut aus dem Weg gehen, da wir uns ohnehin nur zuhause sahen.

"Erde an Luc. Luc Callister. Jemand zuhause?"
"Mm?"

Ich hatte meine Augen geschlossen, naja nun nicht mehr. Als ich sie wieder öffnete, sah ich kurz eine meiner CDs vor meinem Gesicht und wurde augenblicklich noch mehr in die Arme meines Freundes gezogen. Ohne zu wissen was seine eigentliche Frage war, kuschelte ich mich an ihn und legte meinen Kopf in seine Halsbeuge. Verdammt roch er gut. Wir hörten meine Musik und lagen einfach nur in meinem Bett. Das taten wir oft und ich liebte es. So war ich ihm nahe, aber passieren konnte auch nichts, denn mehr Entspannung gab es nicht.

"Dein Dad hat zum Essen gerufen... Aber ich will dich nicht los lassen... Nie wieder..."
"Ich dich auch nicht..."

So lief es immer und im Endeffekt musste er dann doch nach Hause und ich zum Abendessen. Casey aß immer bei uns, weil ihr Dad Tag und Nacht arbeitete, was für mich irgendwie gut war, aber für sie eher nicht. Sie kannte meine Problemchen und wusste, dass ich gay war. Das war für sie ein Kinderspiel das raus zu finden... Es hatte nur einen Film gebraucht und ich hatte beinahe gesabbert. Aber Hallo? Wer macht das nicht bei einem jungen Leonardo DiCaprio? Der ist einfach Hot.

Die Nacht verlief relativ reibungslos. Keine Vorkommnisse, aber das würde sich morgen ändern, wenn die Schule und der damit verbundene Stress wieder los ging. Damit meine ich den sozialen Stress nicht den Stress mit Hausaufgaben und Lernen. Das ging soweit. Aber die vollen Gänge, die vielen Stimmen, das Durcheinander und die vielen unterschiedlichen Menschen... Es war jeden Tag eine Herausforderung.

Eine Herausforderung die es verlangte, dass man nicht ohne Tabletten und Kopfhörern aus dem Haus ging. Cas holte mich noch an der Haustür ab, ehe wir zu Fuß zur Schule gingen. Anfangs hatten wir den Bus genommen, aber das war dann doch zu viel auf engsten Raum. Im Sommer hatte ich zwar meinen Führerschein gemacht, aber offiziell durfte ich aufgrund meiner Krankheit nicht fahren. Ist ja nicht so als würde ich fahren und ständig aus Lust und Laune Menschen umfahren. Seh ich aus wie ein Psycho oder was?

Ich war ein ganz normaler siebzehnjähriger Junge. Mit blonden verwaschenen Haaren, weil ich in den Sommerferien einiges ausprobiert hatte, ein paar blassen Sommersprossen und seit neustem mit einem kleinen schwarzen Ohrring. Ansonsten war ich voll normal. Ich trug sogar manchmal Jeans und Hemd. Zumindest bei besonderen Anlässen. Ach ja, sobald wir das Schulgelände betraten hatte ich meine Kopfhörer auf. Die waren eine gute Allzweckwaffe gegen Lärm und Stress. Cas verstand das.

In unserem Klassenraum angekommen setzte ich mich an meinen Tisch in der vorletzten Reihe und blickte aus dem Fenster neben mir zum Schulhof. Der Schulgarten war im letzten Jahr eingeweiht worden und mittlerweile konnte man das erste schon ernten. Hoffentlich hatte es jemand über die Sommerferien gegossen. Der Klassenraum füllte sich, bis irgendwann die Klingel ertönte.

Unser Lehrer betrat den Raum und die Gespräche verstummten. Ganz langsam nahm ich meine Kopfhörer ab und legte sie auf den Tisch vor mir. In manchen Fächern durfte ich sie bei der Stillarbeit auflassen, aber dies war sicherlich nicht so ein Fach. Das hier war ernste Realität. Das vermutlich komplizierteste Fach der Welt. So viele Fachbegriffe gab es sicher in keiner anderen Wissenschaft und... Moment mal.

Die Tür wurde erneut geöffnet und ein Hottie mit kurzen braunen Locken betrat unseren Raum. Ein Grinsen lag auf seinem Lippen, während er erst mit dem Lehrer sprach und sich dann der Klasse zu drehte. Das war nicht irgendein Hottie. Das war meiner. Verdammt nochmal, ich dachte wir liefen uns nicht über den Weg und jetzt das? Wie soll ich denn acht Stunden meines Tages mit ihm verbringen, ohne ihn antouchen zu dürfen?

"Mr Callister? Zeigen sie Mr Hudson später die Schule? Sind Sie noch anwesend?"

Unser Lehrer schnipste sogar kurz, damit ich mich aus meiner Starre löste, aber als Pete nun endlich ebenfalls zu mir sah, verschwand sein Grinsen ebenso. Es ist nicht so das wir uns nicht leiden konnten, im Gegenteil, wir konnten den ganzen Tag aneinander kleben, aber genau das war das Problem. Wir konnten nicht acht Stunden zusammen hocken, ohne aneinander zu kleben und das würde zwangsläufig zu einem Outing und damit zu viel zu viel Stress führen.

Verflucht noch eins wieso hast du dich überhaupt verliebt? Das ist doch sowas von unnötig. Bringt nur Stress und macht das ganze Leben unnötig schwer. Abgesehen davon sieht er viel zu gut für dich aus. Hast du dir schon mal überlegt was er überhaupt von dir will? Was kannst du denn?

"Schnauze."
"Wie bitte?"

Pete hatte sich zu mir gesetzt und sah mich nun verwirrt an. Dabei meinte ich gewiss nicht ihn. Oh man. Ich hatte jetzt schon Stress. Ganz abgesehen davon, dass der hotteste Typ meiner Welt keine fünfzig Zentimeter neben mir saß und ich durfte ihn nicht anschmachten. Stattdessen musste ich mich auf Biologie und die Evolution der irgendwas konzentrieren. Wie wäre es mit der Evolution der Hudsons? Wäre das nicht mal ein tolles Unterrichtsthema? Nein? Na schön.

KopfvollWhere stories live. Discover now