B

29 5 0
                                    

Pov Luc

Die ganze Stunde versuchten wir extrem krampfhaft den Blick nicht zum jeweils anderen schweifen zu lassen, oder gar einfach seine Hand zu nehmen. Es war unglaublich schwer so zu tun als würde man sich nicht kennen, obwohl man die letzten zwei Wochen fast die ganze Zeit zusammen verbracht hatte. So war ich auch einer der ersten, der nach dem Klingeln fluchtartig den Raum verließ und dabei längst wieder meine Kopfhörer auf hatte. Jetzt musste ich nur noch runter kommen.

Die Stimmen in meinem Kopf ließen sich nicht mal von der Lautstärke meiner Musik überspielen. Sicher hörten alle schon mit. Scheiße, die ersten starrten mich schon an. Ich musste irgendwo hin wo ich alleine war. Alleine. Ein paar Minuten ging ich jeden Raum in diesem beschissenen Gebäude durch bis.

"Hey Luc alles ok?"

Cas musterte mich besorgt und langsam hörte ich auch auf mich um mich selbst zu drehen. Hatte ich das wirklich getan oder nur in meinen Gedanken? Oft waren das zwei verschiedene Welten. Aber hinter ihr sah ich genau das was ich jetzt brauchte. Das Bad. Fünf Minuten durch atmen ohne angerempelt zu werden.

"Alles gut. Ja. Ich muss kurz weg."

Schon schlängelte ich mich an ihr vorbei und verschwand hinter der Tür. Ich war alleine. Tief durch atmen. Oder nicht ganz so tief bei dem Geruch. So suchte ich mir eine Kabine, verschloss die Tür und versuchte mich selbst wieder unter Kontrolle zu bekommen. Es war still. Langsam nahm ich meine Kopfhörer ab und legte sie wieder um meinen Hals. Ruhe und Frieden. Es war alles gut. Kein Grund auszuflippen. Außer das mein Herz wegen einem hotten Typen direkt neben mir im Unterricht mir bis zum Hals schlug und vor Panik mittlerweile doppelt so schnell wie es eigentlich sollte. Aber ja. Es war alles gut.

Bis zu dem Moment in dem sich die Tür öffnete und gleich mehrere den Raum betraten. Mein Blick ging zur Tür und nur um zu prüfen ob ich abgeschlossen hatte, strich ich nochmal über die Verriegelung. Mit den Typen da draußen wollte ich nichts zutun haben. Das waren Tyler und seine Schläger... Soviel erkannte ich mittlerweile schon an ihren Stimmen und an dem Knochen knacken ihrer Finger. Also hatten sie wieder mal ein neues Opfer, dass mal nicht ich war.

Ob das jetzt positiv oder negativ war wusste ich erst als ich die Stimme desjenigen hörte. Die mir so bekannt war wie meine liebste Playlist.

"Ok. Ich weiß nicht wie das hier läuft, aber ich will keinen Stress klar?"
"Oh er will keinen Stress. Das akzeptieren wir doch oder?"

Ein hässliches Lachen ertönte, Schritte und ein schmerzerfülltes Keuchen. Nein sie gingen nicht. Niemals. Scheiße.

Du bist so feige. Die machen deinen Freund fertig und du verkriechst dich wie so ein Jammerlappen hinter einer verschlossenen Tür. Das ist dein Freund klar? Jetzt mach die verdammte Tür auf und stell dich vor deinen Freund. Ist doch scheiß egal, dass er gesagt hat ihr geht euch aus dem Weg. Das ist deiner, den lässt du dir von niemanden kaputt machen. Jetzt mach das scheiß Schloss auf.

Meine Finger schlossen sich tatsächlich um den Griff, öffneten die Tür und ließen diese aufknallen. Die Blicke lagen bei mir. Aber von der Angst war bei mir nichts mehr zu spüren. In solchen Momenten war es nicht schlecht jemanden zu haben, der einem sagte was man machen sollte, wenn man selbst vor Angst sonst in Ohnmacht gefallen wäre.

"Ist das jetzt mutig oder dämlich?"

Feixend sahen zu mir, doch mein Blick glitt zu Pete der am Boden lag und sich den Bauch hielt.

Sieh dir das an. Sollen die wirklich damit durch kommen? Komm du hast es schon mal gemacht. Deine Hand wird zur Faust und die Faust wird zu Stein. Oh ja du hast versprochen es niemals wieder zu machen, aber hat dir da jemand gesagt, dass du deinen Freund beschützen musst? Komm schon das ist Notwehr, schlägst du nicht zu tut er es. So schwer ist das nicht. Weißt du noch was er alles mit dir gemacht hat? Ich erinnere dich nur an den Container.

Heute war definitiv kein guter Tag. Meine Hand ballte sich tatsächlich zur Faust und mit dieser wischte ich ihm sein grinsen aus dem Gesicht. Meine Ohren rauschten, mein Herz schlug wie wild, meine Schläfe pochte und doch schlug ich immer wieder zu. Immer und immer wieder. Das was um mich rum passierte blendete ich völlig aus. Ich spürte nur die Wut. Die Wut und den Hass. Und dann wurde ich weggezogen. Mit einer einzelnen Bewegung befand ich mich gleich drei Meter weiter weg und wurde von einem Mann festgehalten.

Er stand in meinem Rücken, seine Arme waren wie ein x über meinen Oberkörper gelegt. Meine Arme waren frei ich konnte schreien so viel ich wollte. Um mich treten, aber ich konnte nicht weg und ich konnte ihn nicht verletzen. Die Bastarde wurden aus dem Bad geholt und irgendwann bekam ich mit das Pete auch längst nicht mehr da war. Nur noch wir zwei standen dort. Die Wut ließ nach und sein Griff wurde lockerer.

Bis er mich ganz los ließ. Ich hatte versagt. Ich war ausgeflippt. Schon wieder. Ich hatte mich nicht unter Kontrolle. Tom entfernte sich von mir, kam mit nassen Tüchern wieder und machte erst mein Gesicht und dann meine Hände sauber. Anschließend gab er mir eine Tablette, die ich auch ohne zu fragen einfach runter schluckte. Was machte er hier? Was machte mein Therapeut mitten am Tag in meiner Schule? Vielleicht sollte ich nicht sauer darüber sein, weil irgendwie war es ja ganz gut gewesen. Die Erklärung bekam ich auch sofort, vermutlich mein verwirrter Blick, der mich verraten hatte. Was hatte ich da nur wieder angerichtet...

"Casey hat mir geschrieben. Komm der Direktor wartet auf uns. Am besten sagst du nichts."

Schweigend, wie er es wollte, gingen wir durch die mittlerweile leeren Flure. Alle saßen im Unterricht nur ich bekam sicher wieder einen Verweis. Das war dann mein Dritter und wenn ich jetzt wirklich fliege bekomme ich meinen Abschluss sicher nie. Zumindest die Stimme in meinem Kopf war still. Für den Moment.

Nach einem kurzen Klopfen betraten wir das Büro und ich setzte mich auf den üblichen Stuhl vor dem Schreibtisch während Tom hinter mir stehen blieb und seine Hände auf meine Schultern gelegt hatte. Vielleicht sollte mich das beruhigen, aber es sollte mich definitiv daran hindern aufzuspringen und ihn anzuschreien. Soviel Kontrolle hatte ich dann aber doch noch über meinen Körper. Hoffte ich.

"Sie wissen ganz genau, dass ich von Anfang an dagegen war Mr Callister an meiner Schule aufzunehmen. Und wieder mal hat sich dies bestätigt."
"Kommen Sie... Das war eine ganz normale Prügelei unter Teenagern. Hätten sie nicht eingegriffen, wenn ihr bester Freund von den Schlägern der Schule angegriffen wird?"
"Wir haben keine Schläger an dieser Schule."
"Wie Sie meinen. Drei gegen einen... Ich bin mir nicht so recht sicher, ob der eine wirklich alleine die Schuld dafür tragen sollte. Ich denke es wird das beste sein, wenn sich alle Parteien eine Woche zuhause beruhigen und dann ganz normal ihrem spannenden Unterricht folgen können."

Tom schmierte unserem Direktor wirklich eine Menge Honig ums Maul. Eine Woche zuhause bleiben... Hieß eine Woche weniger Stress, aber auch eine Woche die mir mal wieder fehlte. Unser Direktor stimmte schließlich zu und warf uns praktisch aus seinem Büro. Ich hatte die Klappe gehalten wie gewünscht und trotzdem war da dieser enttäuschte Blick in Toms Augen. Den hatte er bei mir viel zu oft und es brachte so dermaßen das schlechte Gewissen, aber ich wusste doch selbst, dass ich es mal wieder verkackt hab.

Wir schwiegen uns an, bis wir in seinem Wagen saßen und uns niemand mehr hören konnte.

"Was ist passiert?"
"Sie haben Pete verletzt... Ich hatte verdammt schiss... Angst meine ich... Aber sie sagte ich soll ihn beschützen... Ich weiß, dass war dumm... Aber ist doch mein Freund... Ich kann ihn doch nicht mit diesen Idioten alleine lassen... Ich weiß ich hätte das anders regeln sollen... Aber... Aber ich konnte es nicht... Ich bin einfach schwach."
"Schwach würde ich das nicht bezeichnen. Eher als mutig... Leicht übermütig sogar. Jetzt musst du dir nur überlegen, wie du das Pete erklärst. Deinen Ausraster meine ich."

KopfvollWhere stories live. Discover now