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Pov Pete

Ein paar Tage waren vergangen seit dem er mir seine Krankheit praktisch gebeichtet hatte. Es war anders als vorher, aber trotzdem irgendwie genauso. Luc war einfach Luc. Er benahm sich nicht anders als sonst, aber mit dem Wissen, welches ich jetzt hatte, fielen mir Dinge auf, die ich vorher nicht mal bemerkt hatte.

War es komplett still im Raum, setzte er seine Kopfhörer auf. War es zu laut im Raum, tat er das gleiche. Manchmal haute er sich gegen seinen Kopf, wie bei einem alten Fernseher um das Bild zu verbessern. Und dann der Träumerblick, den ich von Anfang an, an ihm geliebt hatte. Nur wusste ich jetzt, dass er nicht träumte. Wenn er Minutenlang in die leere sah, wusste ich nicht mehr ob er wirklich träumte, nachdachte oder diesen Pepe sah. Das machte mir eigentlich am meisten Angst. Vor allem wenn wir alleine waren.

Ich weiß, dass er nicht existiert und trotzdem fühlte ich mich jedes Mal beobachtet. So langsam wurde ich echt paranoid. Aber natürlich war es nicht ansteckend oder so. Maximal vererbbar, also die Anlage dafür. Ich hatte mich etwas über das ganze informiert. Musste man ja irgendwie und in zwei Wochen durfte ich in einer Selbsthilfegruppe für Angehörige rein schauen, die Tom leitete.

Damit nicht alles in meinem Leben so Strange war, hatte ich auch 'normale' Freunde gefunden. Mit denen ich teilweise mehr Unterricht hatte, als mit Luc. Dieses Schulsystem fand ich immernoch seltsam, ganz anders als in Edinburgh, aber alles eine Sache der Gewöhnung. Auch wenn ich es vermisse. Edinburgh meine ich. Meine Freunde, meine Familie, die unendliche gewaltige grüne Natur, das Bier, die Feste, die Gemeinschaft, selbst der Hype um Loch Ness und ja auch den Kilt. Aber mein Vater fand hier einen Job, also mussten wir her.

Ich war länger in der Schule geblieben als Luc, aufgrund meines Stundenplans. Als ich raus ging, verabschiedete ich mich von meinen Freunden, die zum Bus gingen und ging selbst zum Parkplatz. Mein Wagen wartete den ganzen Tag auf mich, da würde ich sicher nicht mit dem Bus fahren. So schloss ich auf und setzte mich rein. Einmal tief durch atmen und die Augen schließen. Der Stress war vorbei und gleich würde es zum Golf gehen.. Wie ich mich nicht darauf freute. Aber den einen Tag im Monat... Musste ich meinem Dad freihalten.

"Da bist du ja."
"Wtf!"

Als ich meine Augen wieder öffnete, starrte ich direkt den Mann an, der sich auf meinen Beifahrersitz gesetzt hatte und sich kurz etwas umsah, ehe er zu mir sah. Egal wie geschockt ich war... Aber diese Augen... Fuck...

"Guck mich nicht schon wieder mit diesem Blick an. Da läuft nichts. Hier den hat Luc vergessen."

Damit hielt er mir den Pullover meines Freundes hin und einen Moment musste ich wirklich überlegen, wie er an den kam. Aber klar. Als wir von dem Club nach Hause sind, hatte Luc nur seine Jacke an. Das Oberteil hatte er sich ja entledigt.

"Warum gibst du ihm den nicht selbst? Ich bin nicht die Post."
"Weil ich mich ihm oder seinem Haus nicht nähern darf. Kontaktverbot."

What... Jetzt war auch nicht mehr dran zu denken wie heiß der Barkeeper neben mir war. Stattdessen überlegte ich für was man ein Kontaktverbot bekam. Hatte er versucht Luc umzubringen? Ihn entführt? Oder noch schlimmeres? Dann hätte Luc aber Angst vor ihm und das hatte er nicht... Vielleicht...

"Ihr hattet doch was miteinander. Und weil er minderjährig ist hast du Stress bekommen! Oder hast du ihn glatt vergewalt..."
"Hast du sie noch alle?!"

Es war klar was ich sagen wollte, doch es brauchte nur seinen aggro Blick um mich zum Schweigen zu bringen. Ich wette, würden wir nicht im Auto sitzen, hätte er mich sicher nicht nur verbal angegriffen. Der ließ sich ja genauso schnell aus der Fassung bringen wie Luc.. Immer chilliemillie und dann boom.

"Ich wills wissen. Warum darfst du ihn nicht sehen. Dan hat dich auch angesehen als würde er dich lieber tot sehen."

Er hatte gar keine Lust zu antworten und wollte aussteigen, aber da war ich diesmal schneller. Mit einem Klick war die Zentralverriegelung aktiviert und er versuchte, ohne Erfolg, die Tür zu öffnen. Bis er sich schließlich mit einem genervten seufzen wieder in den Sitz fallen ließ.

"Hier von wird nie jemand erfahren. Sonst fahre ich zu dir und bringe dich persönlich zum Schweigen."
"Klar."

Wie ernst er das meinte, wusste ich in dem Moment noch nicht. Aber meine Neugierde war größer als alles andere. Damit würde ich endlich etwas wissen, was vielleicht nicht mal Luc selbst wusste. Aber Dan und Tom und ich würde endlich erfahren was hier los war. Und bei Gott warum selbst sein nachdenklicher Gesichtsausdruck mich so an machte. Irgendwoher kannte ich den doch.

"Also warum darfst du keinen Kontakt zu Luc haben? Egal was es ist.. Du bekommst trotzdem meine Nummer."

Bei meiner Aussage sah er mich nur schweigend an. Hielt mir dann aber tatsächlich seinen Arm hin, auf den ich meine Nummer schrieb. Weshalb auch immer. Danach war sein Blick wieder stur auf dem Armaturenbrett.

"Luc ist ein ganz besonderer Junge. Habe ich nur ziemlich spät gesehen. Als es zu spät war eigentlich. Als seine Mutter mir sagte, sie sei schwanger... Habe ich mich aus dem Staub gemacht. Ich war grad aus der Schule raus und wollte mein Leben leben, nicht die Verantwortung für einen Schreihals... Partys, Urlaub, alles eben. Ein paar Jahre später... Als meine Eltern einen Autounfall hatten... Bin ich zu ihr... Luc konnte mittlerweile laufen, reden, malen... Ich glaube fünf war er da... Ich habe ein paar Wochen bei ihnen gewohnt.. Ihre Krankheit war ziemlich offensichtlich, aber ich habe es nicht verstanden. Ich habe sie so oft angeschrien sie soll sich endlich mal normal benehmen.. Aber.. Das war nicht möglich..."

"Hast du sie..."
"Ja. Ich habe auch zugeschlagen. Und als ich einen Tag von der Arbeit kam.. War alles voll Polizei... Sie hing an dem Balken.. Luc wurde mir weggenommen... Und ich verhaftet. Sie sagten ich hätte sie erwürgt und das alles inszeniert. Drei Jahre saß ich im Gefängnis bis das geklärt wurde. Ich gebe mir immernoch die Schuld daran. Aber ich war mehr als überfordert... Das soll keine Ausrede sein... Nur der Grund warum ich versuche deinen Kopf zu waschen... Damit du es besser machst..."

"Warum hast du Luc danach nicht wieder gesehen? Er weiß nicht mal wer du bist.."
"Das Kontaktverbot... Sie hielten mich schließlich immernoch für den Mörder seiner Mutter... Das wurde revidiert, aber das Kontaktverbot blieb. Wenn ich mich nicht daran halte, dann Lande ich im Gefängnis... Obwohl ich eigentlich nichts gemacht habe. Darum kümmert sich halt niemand. Und nein... Ich hatte nie das Sorgerecht oder soetwas. Ich sehe ihn nur wenn er in meiner Bar aufschlägt... Ich habe mich seit dem ziemlich verändert. Ich schlage nicht mal mehr eine Mücke.. Aber selbst das psychologische Gutachten hat nichts gebracht. Ich habe in dieser Nacht nicht nur meine Freundin, sondern auch meinen Sohn verloren."

Danach war es still. Wir hingen beide unseren Gedanken nach. Das alles war echt scheiße gelaufen. Aber ich wusste jetzt warum ich ihn so anziehend fand. Er war Luc in älter. Luc hatte seine Augen. Sein Lachen. Wenn Luc in ein paar Jahren so aussieht wie sein... Was war es.. Erzeuger? Dann... Würde ich ihn auf keinen Fall mehr verlassen können. So wie er es vorausgesagt hatte.

"Also siehst du dir seit neun Jahren die scheiße an die um ihn rum passiert und kannst nichts machen."
"Jap... Ich meine.. Ich habe ihn nicht zum ersten Mal vom Dach geholt... Er hat schon öfter bei mir auf der Couch geschlafen.. Vorallem wenn er nicht zurück zu seiner Pflegefamilie wollte. Stundenlang habe ich ihm zugehört.. Egal in welcher Verfassung und doch konnte ich ihm nie helfen. Selbst das war verboten... Nur weil es ein öffentlicher Raum war, den ich nicht meiden konnte, weil ich da arbeite, maximal geduldet."
"Manchmal redest du echt schräg.. Weißt du das?"

Nun sah er doch zum ersten Mal wieder zu mir und ich könnte schwören, er war kurz davor ein paar Tränen zu verlieren. So stark wie dieser Mann vor einem wirkte, aber jetzt... Fuck... Ich hatte einen Erwachsenen Mann zum weinen gebracht... Wer würde das nicht bei so viel scheiße wie er erlebt hat... Wenn das alles wieder hoch kommt... Ich hoffte ich würde sowas niemals erleben. Naja... Luc war genauso krank wie seine Mutter... Sagen wir.. Hoffentlich würde ich soetwas nie erleben.

"Ich.. Habe angefangen Jura zu studieren... Meine Eltern und Großeltern... Alles Anwälte."
"Und stattdessen arbeitest du hinter einer Bar? Ist das Teil des Absturzes oder.."
"Ich wollte immer in einem Club arbeiten. Ausserdem bin ich der Inhaber. Dazu produziere ich meine eigene Musik und leg sogar auf. Das ist kein Absturz. Das ist mein Traum. Das einzige was mich am Leben hält. Jetzt mach diese scheiß Tür auf."

KopfvollWhere stories live. Discover now