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Pov Luc

"Wo ist Paul? Ich kann ihn seit gestern nicht mehr finden."
"Der ist weg. In die Welt außerhalb."

Entlassen? In den letzten Monaten hatte ich tatsächlich vergessen, dass es eine Welt außerhalb dieser Mauern gab. Hier drin war alles gut. Es gab geregelte Tagesabläufe, ich hatte meine Freunde, meinem Kopf ging es so gut wie noch nie und wenn man einen Anfall hatte war man nicht der komische oder der auf den man achten musste, sondern völlig normal.

Bis auf Jeremiah waren hier alle gleich. Der war ein Sonderfall. Wie lange war ich eigentlich schon hier? Ich hatte komplett das Zeitgefühl verloren, seit dem niemand mehr zu Besuch kam. Genau wie es prophezeit wurde. Irgendwann kamen sie nicht mehr.

"Ich entlass mich selbst und geh zurück nach Hause."

Ganz langsam sah ich von meinem Buch auf zu Alexis. Dieser saß wie immer an meinem Fenster und rauchte. Aber ja, ich hatte tatsächlich ein Buch in der Hand und las wie jeder normale Mensch.

"Wenn du gehst... Bin ich hier alleine."

Dann wäre es vorbei mit der Normalität. Nun sah der blonde ebenfalls zu mir, dachte nach und zuckte seine Schultern.

"Ohne Paul halt ich das mit Jeremiah nicht aus. Is echt toxisch. Du kannst ja deinen Dad anrufen, dass er dich abholen soll, normale Eltern machen sowas. Ich kann dich ja schwer hier allein lassen, du würdest.. Irre werden!"

Bei dem Wort irre grinsten wir beide etwas. Als wären wir nicht deswegen hier... Aber gut. Dann.. Musste ich das machen... Zurück... Raus. In die Welt voll mit Reizüberflutung und schlechten Angeboten, in der mich jeder behandelt wie einen Kranken. Das war hier nie so gewesen. Hier war ich nur einer von vielen und das fühlte sich verdammt gut an.

"Was ist toxisch? Ich kenne das nur von Gift.."
"Das er Sex mit mir will und ich dafür nichts bekomme außer dass er meint es war gut genug, dass er mich am Leben lässt. Aber als wenn er hier ne Leiche verschwinden lassen kann, die so nervig ist wie ich. Ich würde euch auch nach meinem Tod gehörig auf die Nerven gehen."

Oh.. Das heißt toxisch... Abhängigkeit vom anderen... Und sowas.. Gewalt... Angst... Die Alexis irgendwie nicht hatte.

"Und wenn ich mit Jeremiah rede? Immerhin sind wir Zwillinge und so."
"Genau. Darum halt ich es ja auch nicht aus. Jedes Mal wenn ich komplett durch hier her komm und dich seh, hab ich für nen Moment Angst er ist es... Nenene. Sorry man. Das soll keine Beleidigung sein, aber du bist halt der Eineiige Zwilling von dem Typen der mich seit Jahren als sein Sexventil benutzt, weil es keine Frauen mehr gibt, also.. "

Weiter kam er nicht. Es klopfte und dann wurde die Tür geöffnet. Ich hielt meinen Atem an, nicht das es Jeremiah war... So wie in Horrorfilmen.. Man sprach darüber und schon passierte es... Aber zum Vorschein kam einer unserer Stationspfleger und hielt Alexis eine Mappe mit Unterlagen hin.

"Ich habe mir gedacht, dass ich Sie hier finde. Das sind Ihre Entlassungspapiere. Das Taxi wartet in zwei Stunden am Haupteingang. Die Zigarette habe ich mal nicht gesehen."
"Darf ich mal telefonieren? Ganz kurz? Es ist wirklich dringend.. Bitte.."

Bitten und Betteln um Kontakt zur Familie haben zu dürfen, dass war Alltag geworden. Er schien eine Weile zu überlegen, nickte dann aber und brachte mich ins Betreuerzimmer. Alexis folgte uns erst, bog dann aber in Richtung seines Zimmers ab.

"Fünf Minuten kann ich dir geben."

Schnell nahm ich den Hörer entgegen und überlegte erst wen ich anrufen sollte. Aber schlussendlich fiel meine Wahl auf Joe. Dan war seit Monaten nicht mehr hier, vielleicht war es ihm gar nicht mehr wichtig, dass ich zurück kam. Aber Joe war mein Papa. Es klingelte.. Und klingelte... Und klingelte... Mailbox.

KopfvollWhere stories live. Discover now