Kapitel 10 - Jonas

2.9K 148 1
                                    

Es ist jetzt endlich Samstag und ich will mich gerade auf den Weg in den Club machen, als Tim sich mir in den Weg stellt.

"Wohin gehst du, Jojo?", fragt er neugierig.

"Mit meinen Freunden feiern", antworte ich möglichst geduldig. Ich soll noch Verena und ein paar Freundinnen abholen, die werden wahrscheinlich richtig zickig, wenn ich zu spät komme und das wäre mir heute echt zu anstrengend.

"Was feiert ihr denn?", fragt der kleine Plagegeist weiter.

Ich brauche eine Idee... Irgendwas, damit er es gut sein lässt... Auf einen Geburtstag würde er mitkommen wollen, die Diskussion wäre zu lang... Ich spreche aus Erfahrung.

Und schon habe ich einen Einfall: "Feiern ist nur ein anderes Wort für Tanzen gehen, ich brauche noch ein paar Schritte für einen Tanz in der Schule und das möchte ich jetzt machen."

"Ich will mitkommen und dir helfen!", fordert mein kleiner Bruder. Ich hab glatt vergessen, dass er seit zwei Jahren das Tanzen für sich entdeckt hat und es liebt, wenn ich ihm ein paar Schritte zeige. Er hat sogar wirklich Talent und lernt recht schnell... wie konnte ich das nur vergessen?

Ich fahre mir mit den Händen durchs Gesicht: "Das geht nicht, du bist noch zu klein, Tim."

"Ich will aber mitkommen!"

Ich brauche jetzt sofort einen Plan B... Irgendetwas... Was überzeugt einen fünfjährigen davon, zu Hause zu bleiben?

"Ich zeig dir morgen Abend den Tanz und du hilfst mir dann ihn fertig zu machen und zu verbessern. Okay?"

"Das ist gut. Dann geb ich dir noch gute Tipps ", erklärt er stolz. Natürlich, er ist ja der Experte und ich der Unwissende, der ihm nur das Meiste, was er kann beigebracht hat. Aber immerhin hat der Kleine ordentliches Selbstbewusstsein.

"Tim! Du musst langsam ins Bett!", ruft Paps plötzlich aus dem Wohnzimmer.

Sein Ernst? Hätte das nicht fünf Minuten früher kommen können? Das hätte mir einiges an Überzeugungsarbeit erspart.

Ich blicke nochmal zu meinen Bruder hinab: "Na los Kleiner, ab in die Falle."

Er nickt lächelnd, drückt kurz meine Beine, weiter reicht er mir noch nicht, wünscht mir viel Spaß und verschwindet dann.

Erleichtert seufze ich. Die erste Hürde des Abends ist geschafft. Nicht, dass ich nicht gerne mal etwas mit Tim unternehme, aber bis er alt genug zum Feiern ist, bin ich schon fast ein Greis

Nachdem ich mich noch mit einem "Ciao Paps" verabschiedet habe, verlasse ich endlich unser kleines Haus und gehe auf mein Auto zu. Ja, ich wurde heute zum Fahrer degradiert, also keinen Alkohol für mich... Dabei ist mit etwas Alkohol im Blut alles etwas schöner. Tja, Pech für mich. Aber betrunken fahren werde ich bestimmt nicht. Ich hänge an meinem Führerschein.

"Warum lässt du uns so lange warten, Jonas? Es war ganz schön kalt draußen", beschwert Verena sich, als sie etwas später einsteigt, direkt.

Ich seufze: "Sorry, ich wurde aufgehalten. Aber gibt es nicht so einen Spruch? Wer schön sein will muss leiden?"

Ich grinse sie kurz an, bevor ich mich wieder auf die Straße konzentriere.

Die beiden Mädchen hinten, keine Ahnung wie die heißen, fangen an zu kichern. Naja, so lustig war das jetzt nicht. Ich wollte Verena damit eher etwas auf die Palme bringen.

Sie legt eine Hand auf meinen Oberschenkel: "Dann muss ich ja jetzt wunderschön sein, so wie du mich immer leiden lässt", sagt sie im verführerischen Ton. Ihre Hand beginnt mein Bein auf und ab zu fahren. Was genau will sie damit bezwecken? Selbst wenn ihre Hand etwas in mir auslösen würde, wäre das doch für uns alle wahnsinnig gefährlich, wenn sie mich so ablenken würde.

"Klar", murmle ich, genervt von ihrer Hand, "könntest du damit aufhören? Ich muss fahren", frage ich deshalb.

Aus dem Augenwinkel sehe ich wie sie grinst, während ihre Hand endlich wieder verschwindet. Keine Ahnung, was sie jetzt denkt, aber es interessiert mich auch nicht wirklich.

"Hast du für heute Nacht besondere Pläne?", fragt Verena nach kurzem Schweigen.

"Ne, ich wollt ein bisschen Tanzen und dann schauen was sich so ergibt", deute ich an.

"Achso, das hört sich doch gut an. Wir könnten..."

"Wir sind da, steigt schon mal aus und geht rein. Ich suche noch einen Parkplatz", unterbreche ich sie. Wahrscheinlich wollte sie mich schon für später zu sich einladen, ich bin gar nicht so abgeneigt. Wenn Verena betrunken ist, ist sie ganz umgänglich, aber wie ich schon sagte, ich gucke mal was sich so ergibt und mache bestimmt vorher keine Versprechungen. Ich bin vielleicht ein Badboy, aber zu meinem Wort stehe ich. Und deshalb verpflichte ich mich nicht schon jetzt mit ihr nach Hause zu gehen. Obwohl das gar keine schlechte Option ist.

"Bis später, Jonas", verabschieden sich die drei im Chor (wie machen die das?) und ich begebe mich auf die Parkplatzsuche.

Kurze Zeit später finde ich mich schon mit Damian, Ben und dien anderen an der Bar wieder. Verena und ihre Freundinnen sind fürs erste vergessen.
Mürrisch sehe ich den anderen zu, wie sie sich zuerst ein Bier nach dem nächsten runterkippen, um dann mit dem härteren Zeug weiterzumachen. Na toll und ich muss die nachher nach Hause kutschieren, wehe einer von denen kotzt in mein Auto! Dann können die das mit ihren Klamotten wieder sauber machen und mir eine Reinigung bezahlen!

Plötzlich spüre ich einen Körper an meinem Rücken.

"Lust zu tanzen?", flüstert mir eine weibliche Stimme heiser ins Ohr.

Ich drehe mich um und betrachte die Schönheit vor mir: Top Figur, nicht zu viel Kleidung, ein schönes Gesicht und natürlich Blond. Was will ich mehr?

Ich beginne zu grinsen: "Klar."

Und schon finde ich mich mit der unbekannten Schönheit, ich hab es nicht für nötig gehalten, nach ihrem Namen zu fragen, eng umschlungen auf der Tanzfläche wieder.

Jetzt legt sie ihre Hände in meinen Nacken und sieht mich erwartungsvoll mit leicht geöffneten Lippen an. Ihr blick wechselt immer wieder zwischen meinen Augen und meinen Lippen.
Was für eine Andeutung...

Ich beuge mich vor und fange an sie zu küssen. Es fühlt sich gut an. Dieses Mädchen hat es echt drauf, aber es ist nicht überragend. Einen Kuss, der mich wirklich umgehauen hat, hatte ich wohl noch nie... Da sind die peinlichen Küsse, die meine Mutter mir in der Grundschule gegeben hat, noch am nächsten dran. Die haben mich vor Peinlichkeit nämlich fast umgehauen.

Nicht abschweifen Jonas! Du bist gerade beschäftigt!

Und schon konzentriere ich mich wieder auf den mittlerweile ganz schön leidenschaftlichen Kuss. Zu mindestens wirkt er leidenschaftlich.

Als ich nach einer Weile einen kurzen Blick auf die anderen Tanzenden werfe, entdecke ich sie.

Emilia.

Sie hüpft ausgelassen mit ihren Freunden zum Takt der Musik. Tanzen sieht ja wohl anders aus. Soll sie nicht zu den besten Tänzerinnen des Jahrgangs gehören?

Ich wende mich von meiner Bekanntschaft ab und mache mich auf den Weg. Das wollen wir jetzt mal herausfinden. Ich höre noch wie die Blondie irgendwas sagt und einen Schmollmund zieht, aber das ist gerade nicht so wichtig.

Jetzt wird die kleine Prinzessin sehen mit wem sie sich angelegt hat.

Dance into my SoulWhere stories live. Discover now