Kapitel 17 - Mia

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Ich hatte zwei Choreos für heute vorbereitet. Die eine habe ich gestern am Morgen gemacht, weil ich  einen Ersatz gebraucht habe. Für die andere hatte ich die Idee schon am Freitag. Doch da wusste ich ja noch nicht, dass ich am nächsten Abend zum selben Lied von einem ekelhaften Typen begrabscht werden würde...

Sonntagmorgen kam dann auch die Erkenntnis darüber, was wirklich passiert ist, bei mir an. Ich hab mich quasi den ganzen Tag in meinem Zimmer eingesperrt und geweint. Niemanden wollte ich sehen und bloß nicht darüber reden. Meine Eltern konnte ich zum Glück damit abwimmeln, dass ich noch was für die Schule tun müsse. Dass ich erst nachts, als alle geschlafen haben, etwas gegessen habe, scheint ihnen nicht aufgefallen zu sein. Überrascht mich jetzt nicht wirklich. Ist auch nicht so wichtig.

Ich fühle mich immer noch so benutzt, wasche mir ständig die Hände und war heute vor der Schule dreimal duschen...

Dazu kommt, dass ich an allen möglichen Stellen blaue Flecke habe. Zum Glück verursachen die aber keine allzu großen Schmerzen. Anders als in meinem Gesicht:  meine rechte Gesichtshälfte ist etwas angeschwollen, leuchtet dunkelblau bis Lila und schmerzt dauerhaft. Also hab ich heute Morgen kurzerhand zum Make-up gegriffen und  mir so eine gefühlt 2kg schwere Schicht Schminke aufgetragen. Immerhin hat sie ihren Sinn erfüllt, niemand hat bemerkt wie mein Gesicht zugerichtet ist. Dafür schauen Emily und Clara mich schon den ganzen Tag komisch an, weil ihnen natürlich aufgefallen ist, dass ich so krass geschminkt bin.

Naja, jetzt stehe ich erstmal hier und überlege, welche Choreo ich tanze...

Die zu Work finde ich immer noch super, aber dieses Lied möchte ich eigentlich nie wieder hören und die andere, zu Team von Iggy Azalea ist vielleicht nicht schlecht, aber Welten davon entfernt... Die habe ich ja auch nur gemacht, weil ich irgendetwas anderes gebraucht habe. Mein Herzblut ist einfach in dieser ersten Choreo zu diesem schrecklichen Lied.

"Mein Gott Emilia! Willst du jetzt ohne Musik tanzen oder was?", fragt Verena jetzt genervt.

"Nein, ich überlege nur, welcher Song dich mehr umhaut", antworte ich reflexartig und muss bei ihrem erstaunten Blick ein Grinsen unterdrücken. Ich weiß nicht genau warum, aber seit Ben mich aufgezogen hat, fällt es mir viel leichter wieder Konter zu geben und daran Spaß zu haben. Irgendwas hat Ben in mir ausgelöst.

"Na komm schon, spann uns nicht auf die Folter, du hast es sowieso zu jedem Lied drauf", ermutigt mich Ben jetzt auch noch.

Ich kann nicht anders als ihn anzulächeln, wahrscheinlich sollte ich ihm dafür danken, dass er meine Laune angehoben hat, aber ich weiß nicht wie. Das ist ja auch das erste Mal, dass ich wirklich mit ihm zu tun habe und eigentlich kann ich mir auch gar nicht erklären, warum er nett zu mir ist.

Darüber kann ich mir aber auch später Gedanken machen. Mein Entschluss steht jetzt erst mal fest.

Ich sehe zu Jonas. Das erste Mal heute, denn vorher habe ich mich einfach nicht getraut. Seine Reaktion auf mich hätte ich heute nicht ertragen können. Wahrscheinlich hätte er entweder mitleidig geguckt oder mich überheblich angegrinst.
Ich hoffe einfach, dass er das Lied am Samstag nicht wahrgenommen hat. Falls doch, hoffe ich, dass er einfach nichts dazu sagt.

Ich spüre wie sich ein Kloß in meinen Hals bildet und versuche ihn herunterzuschlucken.

Du kriegst das schon hin, ermutigt mich die Stimme in meinem Kopf.

Ich nicke und reiche Jamie die Musik. Anscheinend kennt er sich gut mit der Anlage aus.

Jetzt stelle ich mich vor die anderen und schaue sie an. Gerade, als ich in meiner Anfangsposition stehe, fällt mir ein, dass ich andersrum beginnen wollte.

Dance into my SoulWhere stories live. Discover now