Kapitel 40 - Jonas

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Emilia hat kein Wort gesagt, seit wir von der Hochzeit verschwunden, oder eher geflohen, sind.

Als ich zu ihr nach Hause gefahren bin, hatte ich schon Angst, dass ich jetzt ihre Sachen packen müsste, dabei hab ich ja nicht mal gewusst, wo ihr Zimmer war.

Aber sie hat mich überrascht, indem sie stumm ausgestiegen und in ihr Zimmer gelaufen ist, um ein paar Klamotten und sonstiges in eine Reisetasche zu stopfen. Ich bin ihr zwar gefolgt, habe aber keine Ahnung, ob sie mich bemerkt hat. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als ich ihr die Tasche abgenommen und ins Auto getragen habe.

Mittlerweile sind wir schon bei mir zu Hause angekommen und sie hat immer noch kein Wort gesagt. Wenn überhaupt nickt sie oder schüttelt den Kopf. Damit kann ich wirklich nicht viel anfangen, aber so hab ich immerhin erfahren, dass sie etwas trinken möchte und konnte ihr ein Glas Wasser geben.

Sie sitzt jetzt auf der Couch und hat die Knie bis zum Kinn angezogen. Anscheinend hat Emilia irgendwann ein paar Tränen vergossen, weil sie leichte schwarze Streifen im Gesicht hat.
Ich greife nach einer Decke und lege sie etwas unbeholfen über ihre Schultern. Sofort kuschelt sie sich hinein.

Ich setze mich mit etwas Abstand neben sie und fahre mir durch die Haare.

Der Tag hat doch so gut angefangen. Emilia sah toll aus, diese Hochzeit war wahnsinnig lustig und der Tango war genial. Genauso wie dieser Kuss. Als ich sie geküsst habe, ist mir klar geworden, was der Ausdruck ‚Schmetterlinge im Bauch haben' bedeutet. Es hat total gekribbelt und ich habe alles um mich herum vergessen. Bis auf sie. Das war das aller erste Mal, dass ich etwas bei einem Kuss gespürt habe, daran könnte ich mich wirklich gewöhnen.

Aber dann kam ihr Vater. Wenn Emilia nicht zwischen uns gestanden hätte, wäre ich wohl auf ihn losgegangen. Er kann sie doch nicht so zusammenscheißen! Und dann auch noch vor ihrer Familie! Man hat ihr angesehen, wie schrecklich die Situation für sie war. Und als wäre das nicht genug, wollte der Arsch sie auch noch schlagen! Das war echt zu viel. Zum Glück hat sich ihre Mutter eingeschaltet.

Allerdings hilft mir das jetzt gerade auch nicht weiter. Woher soll ich denn wissen, was ich tun soll?

„Emilia, kann ich irgendwas für dich tun?"

Sie schüttelt den Kopf. Und kuschelt sich noch tiefer in die Decke.

Das ist ja zum Haare raufen!

„Emilia. Bitte, rede mit mir. Das macht mich wahnsinnig. Was soll ich tun? Sag mir irgendwas." Ich höre mich so verzweifelt an wie ich bin und habe keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so planlos war.

„Bitte nenn mich nicht mehr so", flüstert sie jetzt, so dass ich sie kaum höre.

„Was?", frage ich perplex. Vielleicht habe ich sie wirklich falsch verstanden.

Sie räuspert sich und spricht jetzt schon etwas lauter: „Nenn mich nicht mehr Emilia. Das tun nur meine Eltern und Lehrer. Ich will dich mit keinen von beiden in Verbindung bringen."

Ich nicke: „Okay, kein Problem. Kann ich sonst was für dich tun? Willst du reden?"

Sie schüttelt den Kopf, aber antwortet trotzdem: „Nein, ja... Ach, keine Ahnung. Das war jetzt irgendwie zu viel an Emotionen auf einmal." Sie seufzt. „Aber wahrscheinlich sollten wir über diesen Kuss reden, oder?"

„Das hat Zeit" und das sage ich jetzt nicht nur, weil ich deswegen selber noch verwirrt bin und erstmal einen klaren Kopf bekommen muss, „das, was danach passiert ist, hat Vorrang. Soll ich Emily herholen? Dann kannst du mit ihr reden. Die ist dafür vielleicht besser geeignet." Mich graut es jetzt schon davor, sie hier hereinzulassen, aber keiner außer Emilia... Mia und mir ist hier und wahrscheinlich wäre das ganz gut für sie.

Dance into my SoulWhere stories live. Discover now