Prolog

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Die hohen Pfennigabsätze klackten bei jedem schnellen Schritt laut auf dem Ziegelsteinpflaster des von Pfützen übersäten Wegs. Immer wenn die in Schwarz gehüllte Frau unachtsam vor Hast in eine solche Pfütze trat, spritzte das Wasser an ihren Beinen hoch und benässte den Saum ihres langen Mantels.
Wie ein Schatten glitt sie durch die dunklen Straßen, sich immer wieder mit wildem Blick umschauend.
Sie schien ein genaues Ziel zu haben.
Erst auf den zweiten Blick konnte man erkennen, dass sie nicht allein war.
Das Baby, das sie hielt, drückte sie schützend an ihre Brust, zwischen die Falten ihres schwarzen Gewands.
Nicht einmal zwei Wochen war es alt.
Die Hektik um sich herum nahm es noch gar nicht wahr, es fühlte sich warm und geborgen an der Brust seiner Mutter.
Die Frau verlangsamte ihre Schritte in einer Seitengasse und sah sich erneut um, ehe sie schnell die Stufen zu einer Haustür hinaufstieg.
Nachdem sie mehrmals hektisch geklopft und geklingelt hatte, wurde die Tür einen Spalt aufgezogen.
Das verwitterte Gesicht eines Mannes mittleren Alters schaute misstrauisch heraus, doch als er die Frau erkannte, öffnete er die Tür ganz.
»Was willst du hier?«,fragte er, nicht gerade freundlich und ohne jegliche Begrüßung.
»Sie haben mich gefunden, bitte nimm meine Tochter zu euch, sie kann nichts für all das«,sprach die Frau gedrängt, während sie den Mann vor sich aus bittenden Augen ansah und ihm das Kind hinstreckte.
Dieser betrachtete sie jedoch nur mit abfälligem Blick.
»Warum sollte ich meine Familie für deine in Gefahr bringen?«,entgegnete er mit harter Stimme.
»Ohne mich hättest du deine Familie nicht«,erinnerte ihn die Frau gedämpft an vergangene Tage und blickte ihn aus unerlässlichen Augen an. Für einen Moment erwiderte er den Blick der Schwarzgekleideten nur kalt, dann seufzte er und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht.
»Ich mach' das für das Kind, nicht für dich«,knurrte er und nahm ihr das kleine Bündel aus den Armen.
»Danke «,flüsterte sie aufrichtig.
»Verschwinde jetzt«,wies ihr Gegenüber sie jedoch nur harsch an.
Sie streckte die Hand aus, um ihrer Tochter, welche sie nun aus großen blauen Augen ansah, ein letztes Mal sanft über den Kopf zu streichen, bevor ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde. Sie stieg die Stufen hinunter und entfernte sich eiligen Schrittes wieder vom Haus ihres alten Freundes.
Sie hatte schon den halben Weg nachhause geschafft, da vernahm sie Schritte hinter sich.
Zunächst die einer Person, dann zwei, dann drei, dann vier.
Sie hielt nicht an, drehte sich nicht um, genauso wenig rannte sie los.
Sie wusste wer sie verfolgte.
Ruhig bog sie in eine Seitengasse ab.
Zum Anhalten wurde sie gezwungen, als ein stämmiger Mann aus einem Hauseingang, ein paar Meter vor ihr trat und ihr dort den Weg versperrte.
»Wo ist das Kind?«,hörte sie eine bekannte Stimme.
»Nicht hier«,antwortete sie und ein Grinsen umspielte ihre Lippen, als sie sich umdrehte. Nun, da sie ihre Tochter in Sicherheit wusste, hatte sie auch ihre Selbstsicherheit wiedergefunden.
Drei der Männer blockierten dort den Weg, einer war vorgetreten.
Sein Gesicht, das unter einer großen, schwarzen Kapuze hervorschaute, kannte sie.
Sie waren sich schon einmal begegnet.
»Du weißt was ich meine, Lorina!«,knurrte ihr Gegenüber und musterte sie hasserfüllt.
»Natürlich«,schmunzelte sie,»Aber denkst du wirklich ich würde es dir verraten, Deimos
Seinen Namen betonte sie fast verächtlich.
»Wir werden sie sowieso finden«,drohte der Mann und nun war er an der Reihe zu grinsen,»So wie auch alle anderen.«
»Natürlich«,erwiderte sein Gegenüber unbeeindruckt,»So wie euch das die letzten Jahrhunderte schon gelungen ist.«
»Genug mit leeren Worten«,knurrte der Mann und setzte dazu an auf sie zuzugehen.
Doch noch bevor er einen Schritt in ihre Richtung machen konnte, hob Lorina ihre Hand und er erstarrte. Beinahe konnte man hören wie sein Herz schneller schlug und das Blut immer schneller durch seine Adern pumpte, während seine Atmung sich überschlug.
»Du hast noch immer nicht gelernt bessere Diskussionen zu führen.«
Ihre Stimme war fest aber beinahe gelangweilt.
Ein angestrengtes Grinsen legte sich auf seine Lippen, während sein Gesicht langsam eine tiefrote Farbe annahm. »Und du lässt dich noch immer zu leicht ablenken.«
Verwunderte kniff sie die Augen zusammen, doch ehe sie etwas erwidern konnte, bohrte sich scharfer Stahl in ihren Rücken.
Auf den Mann hinter ihr hatte sie nicht geachtet.
Abrupt brach der Zauber ab und Deimos Herz nahm wieder seinen normalen Rhythmus an.
»Du wirst sie nicht kriegen«,presste Lorina zitternd hervor, bevor die Gestalt hinter ihr den Dolch herauszog, nur um ihn noch ein zweites Mal zwischen ihre Rippen zu jagen. Rasch sickerte Blut hervor und benässte den dicken Stoff des Mantels. Die Beine der Frau gaben nach und sie sackte auf den harten Pflastersteinen in sich zusammen. Ihr Herz hörte auf zu schlagen noch bevor sie auftraf.
Deimos richtete seine Kleidung, den Blick auf die Leiche fixiert.
»Sucht das Kind«,wies er die Männer hinter sich an,»Und lasst die tote Hexe verschwinden.«

Die Bluthexen I - Denn Blut ist gefährlichOnde histórias criam vida. Descubra agora