Eins

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»Miss Havering!«
Ich gebe ein verschlafenes Brummen von mir. Die Erkenntnis trifft mich ein paar Sekunden später und ich schieße auf meinem Platz in die Höhe. Die Blicke aller Schüler sind auf mich gerichtet, ein paar kichern.
»Wahrscheinlich wäre es besser, wenn Sie ihre Konzentration auf den Unterricht fokussieren. Ihre Noten sind dieses Jahr nicht so berauschend.«
»Natürlich Mrs. Lindh«,murmele ich gespielt vorbildlich und senke meinen Blick auf meinen Block vor mir. Am liebsten würde ich ihr irgendetwas an den Kopf werfen, sowohl physisch als auch verbal, aber nach dem letzten Mal wäre das wohl nicht wirklich klug. Noch einen Vortrag vom Direktor und zehn Stunden Nachsitzen kann ich wirklich nicht gebrauchen.
»Gut«,kommt es nur noch von vorn, ehe sie mit dem Unterricht fortfährt. Ich seufze und mache mich daran abzuschreiben. Mit meinen Noten hat sie schon recht, ich hab mich dieses Jahr ziemlich verschlechtert, vorallem in ihrem Unterricht. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass das schlichtweg daran liegt, dass die Schnepfe genauso wenig unterrichten kann, wie sie freundlich ist. Die Schulglocke erlöst mich schließlich aus der Stunde. Während ich zusammenpacke, sehe ich aus dem Augenwinkel, wie Yesko an meinen Tisch herantritt.
»Kein Wort, klar? Und wehe du erzählst es Mom und Dad!«,warne ich ihn grinsend und schultere meine Schultasche, bevor ich ihm aus dem Raum folge. Mein Bruder hebt abwehrend die Hände.
»Hab nichts gesagt«,grinst er.
»Ich hatte wenig Schlaf, ok? Ich hab gestern Abend mein Geschichtsreferat noch fertig gemacht«
»Ach, Geschichtsreferat, Miena? Erzähl mir nichts, ich hab dich um Zwei in dein Zimmer schleichen hören.«
»Verdammt.«
Er lacht.
»Schon gut, Mom und Dad erfahren nichts.«
Ich seufze. Anscheinend bin ich ziemlich schlecht im Schleichen. Hoffentlich haben Mom und Dad mich nicht auch gehört, dann hätte ich quasi mein Todesurteil unterschrieben.
»Ich glaube da wartet jemand auf dich«,brummt Yesko und nickt in Richtung meines Spindes. Ich folge seinem Blick, wobei ich mich auf Zehenspitzen stellen muss, um über die ganzen Köpfe hinweg sehen zu können. Da entdecke ich Bill, lässig an meinem Schrank gelehnt und muss lächeln.
»Wartest du draußen?«,frage ich Yesko, der die Augen verdreht.
»Wie immer«,gibt er als Antwort und verschwindet dann schon zwischen den anderen Schülern, die zum Ausgang strömen, bevor ich noch etwas erwidern kann. Seufzend mache ich mich daran, mich durch den Strom an Menschen zu Bill durchzudrängeln. Als der Junge mich entdeckt, grinst er und kommt mir entgegen.
»He-«
Weiter komme ich nicht, da er mich schon in seine Arme gezogen hat und seine Lippen auf meinen liegen. Ich grinse in den Kuss, ehe ich ihn erwidere. Dann schiebe ich ihn allerdings vor mir.
»Nette Begrüßung«,raune ich grinsend.
»Natürlich, Baby«,erwidert mein Freund und drückt mir einen Kuss auf die Nasenspitze. Ich lache und winde mich dann aus seiner festen Umklammerung. Es ist mir meistens unangenehm mich so in der Öffentlichkeit - vorallem in der Schule - zu zeigen.
»Hast du Schluss?«,frage ich stattdessen und mache mir an dem störrischen Vorhängeschloss meines Spindes zu schaffen.
»Nein, ich hab noch Sport«,entgegnet er und schiebt wortlos meine Hände beiseite, um das Schloss mit einem kräftigen Ruck zu öffnen.
»Kommst du heute mit auf die Party von Jake?«,meint er, woraufhin ich ihm einen fragenden Blick zuwerfe.
»Wer?«,hake ich nach.
»Jake, mein Kumpel, du hast ihn mal kennengelernt«,erklärt Bill und zieht eine Augenbraue hoch.
»Ach ja, Jake, genau.«
Ich habe keine Ahnung wer der Typ ist.
»Eigentlich muss ich für Biologie morgen lernen«,entgegne ich dann unentschlossen und packe meine Bücher in den Schrank.
»Ach komm, das kannst du auch davor machen«,versucht er mich zu überreden.
»Wer kommt denn noch?«,frage ich nachdenklich und fische meinen schwarzen Motorradhelm aus dem Spind, ehe ich ihn wieder schließe.
»Ich hab gehört, dass auch ein paar aus eurem Jahrgang kommen. Vielleicht kommt Amber ja«,meint Bill und zuckt mit den Schultern.
»Stimmt, sie verschmäht nie eine Party, ich frag sie nachher mal.«
»Also kommst du mit?«
Ich seufze wieder und nicke dann. Ein Lächeln schleicht sich auf Bill's Lippen.
»Ich hol dich um neun ab, ich muss jetzt los«,lächelt er, dann zieht er mich noch einmal an seine Brust, um seine Lippen auf meine zu drücken. »Geh jetzt, sonst kommst du zu spät«,murmele ich in den Kuss und schiebe ihn grinsend von mir.
»Bis dann«,verabschiedet er sich noch und verschwindet dann Richtung Sporthalle. Ein paar Sekunden stehe ich noch da und sehe ihm grinsend nach, bevor ich mich schnell auf den Weg nach draußen mache. Wie immer wartet Yesko schon am Motorrad, doch heute steht er dort nicht allein. Ein Mädchen ist bei ihm, blonde, lange Haare, Beine wie ein Supermodel und ein blankes Zahnpasta-Lächeln. Während sie reden, fährt mein Bruder sich mehrmals durch das braune Haar, was ich bei ihm als nervöse Geste kenne - und er ist selten nervös! Wieder schleicht sich ein Grinsen auf meine Lippen, während ich die Beiden beobachte. Als der Blick des Mädchens auf mich fällt, verabschiedet sie sich mit einem kurzen Winken, um wieder zu ihren Freundinnen hinüber zu gehen. Immer noch grinsend laufe ich zu meinem Bruder.
»Das hat lange gedauert«,murrt er, sobald ich bei ihm ankomme.
»Du hattest doch Gesellschaft«,grinse ich und setze mir den Motorradhelm auf.
»Stalker«,entgegnet er und tut es mir gleich.
»Wer ist sie?«,frage ich, während ich mich hinter ihn setze.
»Niemand.«
»Sah nicht aus wie niemand.«
»Sei leise«,weist Yesko mich an und startet den Motor.
»Du magst sie«,stelle ich grinsend fest und kralle meine Finger in die Seiten seiner Jacke. Ich höre ihn nur seufzen, was für mich ein eindeutiges 'Ja' ist, bevor er ohne Vorwarnung Gas gibt, sodass ich meine Beine noch gerade rechtzeitig anziehen kann.

Die Bluthexen I - Denn Blut ist gefährlichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt