Fünfzehn

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»Was? Nein!«,protestieren Yesko und ich gleichzeitig und gleichermaßen empört. Yeskos Starre scheint augenblicklich wieder aufgehoben.
Alysanne seufzt.
»Miena, es ist zu deiner eigenen Sicherheit«,argumentiert sie,»Und zu der deiner Familie.«
Den zweiten Satz spricht sie leiser und eindringlicher mit einem deutlichen Hinweis auf Mum und die zwei verbleibenden Familienmitglieder. So als würde sie ganz genau wissen, dass sie meine Meinung damit beeinflussen kann.
Ich sehe sie einen Moment still an.
Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie Yesko ungläubig zwischen Alysanne und mir hin und her blickt. »Miena, du ziehst doch nicht etwa wirklich in Betracht mi-«,redet er auf mich ein, doch ich unterbreche ihn.
»Ich komme mit«,verkünde ich leise, aber mit fester Stimme.
»Was?«,ruft Yesko entsetzt und ich bilde mir ein, auch ein Stück Verletztheit aus seiner Stimme heraus zu hören.
Alysanne hingegen lehnt sich sichtlich zufrieden zurück.
»Weise Entscheidung«,kommentiert sie leicht nickend. Ich wende den Blick nicht von ihr ab, weil ich es nicht wage Yesko anzusehen, dessen vorwurfsvollen Blick ich auch so auf meiner Haut brennen spüre. Seine Hand hat er meiner entzogen.
»Miena, du weißt doch nicht mal wohin diese verfluchte Reise geht!«,knurrt Yesko. Sein Misstrauen Alysanne gegenüber scheint in den letzten Minuten um ein Vielfaches gewachsen zu sein - und er ist sonst nie misstrauisch.
»Wir werden nach Dysia gehen. Die Heimatstätte der Bluthexen. Dort wirst du sicher sein vor den Lyceray und gleichzeitig die Ausbildung absolvieren, die dich zu einer vollwertigen Bluthexe machen wird«,erklärt Alysanne ruhig und ich nicke ausdruckslos, betäubt von der Informationsflut der letzten Minuten und der Entscheidung, die ich anscheinend gerade getroffen habe. Sie wirft einen Blick auf die Uhr und ihre Augen weiten sich kurz. »Ich weiß, dass du wahrscheinlich noch tausende Fragen hast, doch wir müssen so bald wie möglich los, ich werde dir alle weiteren Fragen unterwegs beantworten können«,meint sie. »Eine Frage noch«,bitte ich schnell und sehe die Frau fragend an. Sie nickt.
»Eine«
Kurz sortiere ich meine Gedanken und ordne alle Fragen nach Wichtigkeit, als mir eine in die Hände fällt, welche ich ohne weiter darüber nachzudenken ausspreche. »Wenn diese Gemeinden die Einzigen sind, die von der Wesenwelt wissen, wie kann es dann sein, dass du ganz offensichtlich auch von allem weißt?«,frage ich Dad, der mit verschränkten Armen am Küchentresen lehnt und sehe ihn skeptisch an. Auch Yesko wendet den Blick von mir ab, um ebenfalls abwartend zu Dad zu sehen. Dieser fährt sich mit der Hand übers Kinn, während er mich ansieht. »Ich bin kein Mensch«,antwortet er nach einigen stillen Sekunden. »Was bist du dann?«,hakt Yesko misstrauisch nach. »Ein Nyade«,meint er und lässt uns auf dieser verwirrenden Antwort sitzen. Bei einer Bluthexe konnte man sich wenigstens etwas vorstellen, doch das Wort Nyade lässt mich, und Yesko anscheinend ebenfalls, völlig im Dunkeln stehen. Zum Glück erbarmt sich Alysanne, es uns zu erklären.
»Nyaden sind menschliche Wesen deren Körper ein starkes, lähmendes und tödliches Gift erzeugen können, was sie durch Berührungen übertragen. Es führt innerhalb von ein paar Minuten zum Tod und nur ihr Blut ist das Gegenmittel für das Gift«,erklärt sie, während Yesko und ich Dad mustern. In meinem Kopf fügt sich ein Puzzleteil zusammen.
»Die Männer gestern...sie sind vor dir zurückgewichen«,spreche ich meine Gedanken laut aus und Dad nickt leicht.
»Sie trauen es sich nicht einfach einen Nyaden anzugreifen. Nicht ohne Vorkehrungen«,antwortet er.
»Und ... Mum?«,fragt Yesko und deutet mit einem leichten Nicken in Richtung Wohnzimmer.
»Sie war ein Mensch«,erklärt Dad,»Aber sie wusste was ich bin.«
Seine Stimme klingt wieder so verändert, als er über sie spricht.
»Also...«,beginnt Yesko und pausiert dann kurz nachdenklich. »Bist du auch ein Halbwesen«,beende ich leise seinen Satz und sehe zu meinem Bruder oder Nicht-Bruder, was auch immer er ist.
Seine Mimik lässt nicht erraten was er denkt, aber mir kommt schon wieder etwas Anderes in den Sinn.
»Aber werden sie dann nicht auch hinter euch her sein, diese Ly...«
»Lyceray«,hilft mir Alysanne auf die Sprünge, als sie merkt, dass der Name mir nicht mehr einfällt. »Ihr seid ja auch Wesen, werden sie es nicht auch auf euch abgesehen haben?«,stelle ich besorgt die Frage an Dad. »Die Jagd auf Bluthexen wird ihnen Wichtiger sein«,entgegnet er nur trocken.
Ich betrachte sein mir so vertrautes, aber nun gleichzeitig auch fremdes Gesicht prüfend, doch bevor ich weitere Zweifel aussprechen kann meldet sich Alysanne zu Wort.
»Miena, du solltest jetzt packen«,wirft sie ein und sieht mich an,»Nur das Nötigste. Viel Gepäck wird uns nur aufhalten.«
Ich nicke nach ein paar Sekunden leicht seufzend und stehe auf.
»Ich helfe dir«,fügt Yesko schnell hinzu und erhebt sich ebenfalls.
»Beeilt euch.«

Die Bluthexen I - Denn Blut ist gefährlichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt