Fünfunddreißig

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Ich hatte die erste Wache übernommen und Keith dann im Morgengrauen geweckt, um selbst noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Ich versuche nicht noch einmal meine Kräfte zu finden, obwohl ich genug Zeit dafür hätte. Zu frustrierend war der erste Versuch und ich befürchtete durchzudrehen, wenn ich es erneut versuchen würde.

Ich wache auf, als die Sonne sich auf den Mittagsstand zu bewegt. Keith, der zu meinen Füßen auf der Isomatte sitzt, murmele ich ein »Morgen« zu, welches er erwidert. Während der Junge sich entfernt, um sich zu waschen und zu erleichtern rappelte ich mich langsam auf, die Steifheit aus meinen Gliedern vertreibend. Ich habe mir gerade umständlich die Wasserflasche geangelt, die ein paar Meter entfernt im Gras liegt, als ich Keith nach mir rufen höre.
Automatisch bin ich wacher, doch ich schieße nicht sofort auf die Füße, da seine Stimme nicht alarmiert klingt. Seufzend zwinge ich mich schließlich dennoch auf die Beine und laufe in Richtung seiner Stimme, meine Jacke enger um mich wickelnd gegen die morgendliche feuchte Frische.
Er hatte an der Rückseite durch ein Tor den Hof verlassen und ich halte in dem Bogen an.
»Keith?«,frage ich, während ich mich perplex auf dem dicht zugewachsenen, ehemaligen Weg umsehe. Seine Stimme antwortet mir von rechts und ich folge ihr um die Hausecke, wo ich Keith bei einem alten Wagen vorfinde, der zur Hälfte mit einer Plane bedeckt ist.
»Vielleicht könnten wir den zum Laufen bringen«,meint er und sieht zu mir hinüber, die Arme vor der Brust verschränkt. Ich hingegen hebe eine Augenbraue.
»Kennt sich denn einer von uns beiden mit Autos aus?«,frage ich und Keith legt den Blick zurück auf den Wagen, während er sich mit der Hand nachdenklich über den Nacken fährt.
»Denkst du nicht, dass es einen Versuch wert wäre?«,erwidert er dann,»Es würde uns Tage einsparen.«
»Und wenn wir ihn reparieren und einen Kilometer fahren, um dann mitten auf der Straße stehen zu bleiben, weil der Tank leer ist, haben wir einen ganzen Tag verschwendet«,drücke ich meine Kritik an der Idee aus, gehe aber dennoch zu ihm hinüber.
Der hochgewachsene Junge zieht die Plane ganz von dem Auto herunter und wirbelt damit eine Staubwolke auf. Der ursprünglich rote Lack fehlt an mehreren Stellen und enthüllt rostige Flecken. Die Beifahrertür hat eine große Delle und lässt sich nur quietschend und unter großem Kraftaufwand öffnen.
»Könntest du überhaupt fahren?«,frage ich, während er sich auf den Beifahrersitz sinken lässt, um den Innenraum nach den Schlüsseln zu durchsuchen. Dadurch, dass Yesko und ich das Motorrad hatten, habe ich nie Autofahren gelernt.
»Nein, aber so schwer kann das doch nicht sein«,entgegnet er und ich hebe skeptisch die Augenbrauen, dann muss ich plötzlich anfangen zu lachen. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Autofahren die eine Sache ist, die Keith McCarney nicht beherrscht? Er könnte stundenlang etwas über Wesen und Magie erzählen und nebenbei vielleicht Gedichte in Blutsprache rezitieren, aber an Autofahren scheitert es.
»Was?«,fragt der Junge gedämpft aus dem Inneren des Wagens, während er die Sonnenblenden wieder nach oben klappt und stattdessen die Türfächer durchwühlt.
»Nichts«,grinse ich und presse die Lippen aufeinander.
»Denkst du wirklich es wird so einfach sein?«,frage ich dann auf sein Vorhaben den Schlüssel zu finden hin und lege einen Arm auf der geöffneten Tür ab, während ich ihm zusehe.
Jedoch hält er keine drei Sekunden später einen abgenutzten Autoschlüssel vor sich in die Luft.
»Ja«,erwidert er und erhebt sich lächelnd aus dem Beifahrersitz, um zur Fahrerseite zu gehen. Ich seufze und schüttele schmunzelnd den Kopf, während ich mich stattdessen auf den Beifahrersitz sinken lasse. Die Luft in dem Wagen ist abgestanden und muffig.
Keith muss erst einmal den Sitz nach hinten stellen, damit seine langen Beine in den Fußraum passen und steckt dann den Schlüssel ins Zündschloss. Er tritt die Kupplung durch und dreht den Schlüssel. Der Wagen aber gibt nur ein erstorbenes Stottern von sich, ähnlich dem Husten eines alten Mannes. Er versucht es ein zweites und ein drittes Mal, doch auch das ist wenig erfolgreich.
Ich blicke erwartungsvoll zu ihm hinüber.
»Und jetzt?«,frage ich.
Der Junge schwingt sich nur wieder aus dem Wagen und geht zur Motorhaube, um diese aufzuklappen. Ich seufze, erhebe mich ebenfalls wieder aus dem Beifahrersitz und geselle mich zu ihm. Die Motorhaubenklappe quietscht, als Keith den dünnen Metallstab aufstellt, damit sie nicht wieder herunterfällt.
Meine Augenbrauen heben sich leicht, während ich die Hände auf dem Rand aufstütze und die vielen verschiedenen Motorteile betrachte, die sich vor uns ausstrecken.
»Hast du eine Ahnung was das alles ist?«,frage ich und blicke zu Keith hinüber. Wir haben Motoren allgemein zwar in der Schule behandelt, doch geblieben ist davon nicht wirklich viel.
»Halbwegs«,entgegnet Keith nur, was meine Überzeugung, dass wir den Wagen zum Laufen bringen könnten dennoch nicht übermäßig steigert. Alles mögliche könnte kaputt sein.
Keith beginnt unterschiedliche Teile des Motors zu überprüfen, während ich nur ratlos zusehe und versuche mir einen Überblick über die verschiedenen Teile zu verschaffen. Er säubert ein paar Verbindungen und versucht erneut den Motor zu starten, doch nichts passiert.
Als er zurück zu mir nach vorn kommt, luge ich gerade am Motor vorbei tiefer in das Kabelchaos hinein. Ich runzele leicht die Stirn.
»Könnte es an dem heraus gefallenen Kabel liegen?«,frage ich und blicke schmunzelnd zu ihm hinüber. Das wäre viel zu einfach.
Aber auch Keith runzelt die Stirn und schlängelt die Hand am Motorkasten vorbei, um die Verbindung zurück in einen kleineren Kasten zu stecken.
Dann geht er wieder zur Fahrerseite und setzt sich hinein, um erneut zu versuchen das Auto anzulassen. Beim ersten Mal stottert es lange, doch beim zweiten Mal heult der Motor auf und erwacht zum Leben. Ich kann ein Lachen nicht zurückhalten.
So ein Glück hatten wir all die Wochen noch nicht.
Da wir Angst haben, dass der Motor beim nächsten Mal schon nicht mehr anspringt, bleibt Keith beim Auto, während ich gehe um schnell unsere Sachen zusammenzuklauben und dann zurück zu eilen. Ich werfe alles auf den Rücksitz und lasse mich dann auf den Beifahrersitz fallen. Keith sitzt am Steuer und studiert eine Karte, die er scheinbar im noch offen stehenden Handschuhfach gefunden hat.
»Der Tank ist laut Anzeige noch halb voll, damit sollten wir ein Stück kommen«,meint er und drückt mir die Karte in die Hand, um die Handbremse zu lösen. Ich betrachte ihn skeptisch, während er den ersten Gang einlegt.
»Weißt du was du machst?«,frage ich prüfend und er nickt.
Das Auto macht einen Satz nach vorn und ich halte mich automatisch am Türgriff fest. Ich hebe die Augenbrauen in seine Richtung.
»Halbwegs.«

Die Bluthexen I - Denn Blut ist gefährlichDonde viven las historias. Descúbrelo ahora