Neunzehn

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Es ist als hätte sich sein Gesicht in mein Gehirn eingebrannt.
Bei seinem Anblick taucht in meinem Kopf sofort wieder das Bild auf, wie er Mum ein Messer an die Kehle hält.
Er ist es. Ohne Zweifel.
»Miena, was ist?«,fragt Keith erneut, diesmal eindringlicher. Er scheint zu sehen, dass es etwas Ernstes ist.
»Lyceray«,bringe ich nur kurzatmig heraus und sehe ihn an,»In dem schwarzen Wagen, das sind Lyceray!«
Die Augen des Jungen weiten sich kurz, ehe er sich wieder fasst.
Er richtet sich ein wenig auf, um über das Amaturenbrett erst zum Tankstellenhaus, dann zum Parkplatz zu sehen.
»Ich sehe Alysanne nirgends«,informiert er mich kurz,»Das Auto hat gehalten.«
»Was machen wir jetzt?«,frage ich mit aufkeimender Panik.
Keiths Gesicht verzieht sich zu einer ernsten, grübelnden Miene.
Auch ich rutsche in meinem Sitz vorsichtig wieder nach oben, langsam, so als könnte uns das davor bewahren entdeckt zu werden und luge aus dem schmalen Fenster hinter unserer Sitzbank. Der Wagen hat tatsächlich einige Meter entfernt gehalten, was sich im Inneren abspielt kann man durch die verdunkelten Scheiben nicht erkennen.
Dann öffnet sich die Fahrertür.
»Fuck, was-«,will ich ansetzen und drehe mich auf meinem Sitz wieder herum, da sehe ich Alysanne aus dem Laden eilen.
Ihr Gesicht ist zu einer ernsten Miene verzogen - sie weiß auch, dass sie hier sind.
Mein Herz klopft so laut, dass ich denke, man müsste es in der angespannten Stille hören und ich fühle mich hilflos - ausgeliefert.
Ein Blick über die Schulter verrät mir, dass aus dem Wagen bereits drei Lyceray gestiegen sind und auf den Pick-Up zukommen.
Nur den großen erkenne ich, den der Mum umgebracht hat.
Einen Moment befürchte ich, dass sie einfach auf Alysanne schießen werden und warte nur noch auf den Knall.
Doch der Pick-Up steht näher am Tankstellenhäuschen, als an dem Wagen der Lyceray. Alysanne schwingt sich ins Auto und startet den Motor noch bevor ihre Tür ins Schloss fällt.
Im Seitenspiegel sehe ich die Lyceray fluchend ebenfalls zurück zum Wagen spurten und hineinspringen. Derweile tritt Alysanne heftig auf das Gaspedal, sodass der Pick-Up, begleitet vom Aufheulen des Motors, einen Satz nach vorn macht und uns in die Sitze drückt.
Wir sind bereits an der Ausfahrt, als der schwarze Wagen die Verfolgung aufnimmt.
Alysanne drängelt sich vor einem blauen Volvo auf die Straße, wofür sie ein wütendes Hupen erhält, dem allerdings gerade keiner von uns Beachtung schenkt.
Alysannes Blick richtet sich in den Rückspiegel. Die Lyceray versuchen sich ebenfalls auf die Straße zu drängen.
»Ghorx nsÿ ik javz, vrandac nsÿ rymlar
Mein Blick hängt an ihr, als sich, noch bevor sie die letzten Worte spricht, feine Linien, rot wie Blut, um ihre Lippen ausbreiten, ein lebendiges Netz von Adern.
Hinter uns ertönt ein lauter Knall und reißt mich aus der Starre.
Der schwarze Wagen steht halb auf der Straße, aus der Motorhaube dringt schwerer, schwarzer Qualm.
Mit einem Seufzen - ob vor Erleichterung oder Erschöpfung lässt sich nicht sagen - sinkt Alysanne in ihren Sitz, die Linien um ihren Mund ziehen sich langsam zurück, bis das Rot gänzlich mit ihren Lippen verschmolzen ist.
Ich wusste nicht, dass ich die Luft angehalten habe, doch nun atme ich tief aus und lasse mich dann ebenfalls zurück gegen die Rückenlehne fallen, während ich die Augen schließe.
»Haben sie keine Waffen? Warum haben sie nicht auf dich geschossen?«,frage ich und öffne die Augenlider wieder, um Alysanne von der Seite anzuschauen.
»Sie hatten bestimmt welche, Lyceray haben jegliche Art von Waffen. Aber sie dürfen nicht auffallen«,entgegnet sie fast beiläufig und wirft immer wieder einen Blick in den Rückspiegel, in welchem die Rauchwolke immer kleiner wird und bald komplett am Horizont verschwunden ist. »Das ist das Gesetz. Es muss verhindert werden, dass Menschen von der Wesenwelt erfahren.«
»Aber wieso halten sie sich da-«
Sie unterbricht mich.
»Was würde passieren, wenn die ganze Menschheit plötzlich erfahren würde, dass es Hexen gibt? Dass es Wesen und Magie wirklich gibt?«
Ich bleibe einen Moment stumm.
»Sie würden Angst bekommen«,überlege ich,»Sich gegenseitig nicht mehr vertrauen, weil Wesen wie Menschen aussehen können.«
Alysanne nickt langsam.
»Sie könnten sich und uns damit großen Schaden zufügen, wenn uns alle nicht sogar auslöschen.«
»Und das ist nicht das was die Lyceray wollen«,vervollständige ich den Gedankengang.

Die Bluthexen I - Denn Blut ist gefährlichWhere stories live. Discover now