Achtundzwanzig

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Ich kann mich nicht daran erinnern wann ich das letzte Mal so sanft aufgewacht bin. Das Geräusch von Regen auf dem Holzdach holt mich langsam aus dem Schlaf, nur damit ich mich herumdrehe und das Gesicht wieder schläfrig im Kissen vergrabe. Es tut gut nicht sofort aufstehen und weiterwandern zu müssen. Keith scheint es genauso zu gehen, denn auch von der anderen Seite der Matratze kommt noch kein Lebenszeichen. Es scheint gedämmtes Licht in das Zimmer und beleuchtet die Holzmöbel spärlich. Erst nachdem ich noch eine ganze Weile gedöst habe setze ich mich vorsichtig auf und suche den Raum mit den Augen nach einer Uhr ab. Dem Licht nach zu urteilen würde ich sagen es ist erst Acht, doch mein Gefühl verrät mir, dass es viel später sein muss. Tatsächlich steht auf der Kommode eine Uhr, deren Zeiger auf kurz vor Elf stehen.
Ich werfe einen Blick hinüber zu Keith, von dem allerdings nicht mehr zu sehen ist, als der dunkelblonde Haarschopf. Sein Rücken hebt sich langsam und regelmäßig und ich muss leicht lächeln, ehe ich mich aus dem Bett schiebe. Die Kälte des Holzbodens spüre ich durch die dicken Socken die mir das Mädchen gestern gegeben hat als ich um das Bett herum zum Bad tappe. Leise schließe ich dessen Tür hinter mir.
Nachdem ich auf dem Klo war halte ich das Verlangen nach einer Dusche nicht mehr aus und schlüpfe aus den geliehenen Sachen und in die gläserne Duschkabine.
Zwar hatte ich in dem Fluss gebadet, bevor wir zum Jahrmarkt gekommen waren, doch davon fühlt man sich auch nicht zwingend sauber. Ich hab weder Shampoo noch Duschbad, doch das ist mir relativ egal. Ich wasche mich gründlich mit dem lauwarmen Wasser ab und spüle meine Haare aus, ehe ich schon wieder aus der Dusche steige. Ich traue mir nicht noch mehr Wasser zu verbrauchen. In einem offenen Regal finde ich Handtücher und nehme mir eines, um mich abzutrocknen, ehe ich wieder in die Sachen schlüpfe.
Aus meinem Rucksack hole ich mir meine Zahnbürste und Zahnpasta um mir die Zähne zu putzen.
Als ich mit der ganzen Prozedur fertig bin fühle ich mich viel wohler in meiner Haut, doch aus dem Spiegel über dem Waschbecken schaut mich dennoch ein fremdes Gesicht an. Nicht nur die nun kurzen Haare sind ungewohnt, mein ganzes Gesicht kommt mir so fremd vor. Waren meine Augen immer schon so hart und meine Lippen so schmal? Wie lang sind die Schatten unter meinen Augen schon da?
Jetzt wo sie nass sind, fällt mir auf wie unregelmäßig meine Haare wirklich geschnitten sind, weswegen ich mich nach einer Schere umsehe. Schließlich werde ich in einer Schublade fündig. Ich krame meine Haarbürste aus dem Rucksack, um meine Haare, die sich bereits wieder wellen durchzukämmen und dann vorm Spiegel die überstehenden Strähnen nach und nach gerade zu schneiden. Es fühlt sich so banal an. So als wären gerade geschnittene Haare etwas, um das ich mir Sorgen machen müsste. Allerdings schadet es vermutlich auch nicht auf Willas und Nettles etwas zivilisierter zu wirken.
Als ich fertig bin blicke ich erneut mein Spiegelbild an. Automatisch frage ich mich was Yesko sagen würde, würde er die kurzen Haare sehen. Amber fände sie sicher spitze. Und Bill?
Ich reiße mich vom Spiegel los und schüttle leicht den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben. Die abgeschnittenen Haare spüle ich den Abfluss hinunter und wasche mir das Gesicht dann nochmal mit kaltem Wasser ab. Das Handtuch hänge ich auf und verlasse das Bad dann leise wieder ohne einen weiteren Blick in den Spiegel zu werfen.
Keith liegt noch im Bett und schläft scheinbar, weshalb ich mich aus dem Zimmer schleiche. Jetzt wo Schlaf aufgefüllt ist meldet sich mein Hunger.
Der Flur wird leicht vom gegenüberliegenden Fenster beleuchtet und ich tappe zur Treppe, um sie hinunterzusteigen und durch den Türbogen in das vermutete Wohnzimmer gehe.
Alles ist dem gleichen Stil eingerichtet, wie auch das Zimmer oben.
Die linke Hälfte des Raumes scheint als Esszimmer zu fungieren wohingegen auf der rechten Seite zwei bequem aussehende Sofas und ein Sessel vor einem Kamin stehen. Ich tappe weiter in den Raum hinein und sehe mich um, als mich eine Stimme hinter mir zusammenzucken lässt.
»Gut geschlafen?«
Erschrocken drehe ich mich herum, um einen Türbogen zur Küche zu entdecken.
Willas sitzt an einem kleineren Tisch dort, eine Schüssel vor sich.
Ich nicke, während ich abwäge, ob das wirklich ein amüsiertes Schmunzeln seinerseits über meine Erschrecken war.
»Ich hab eure Dusche benutzt, ich hoffe das ist kein Problem«,füge ich dann fast entschuldigend hinzu, während ich zu ihm in die Küche gehe.
Der Junge am Tisch hingegen winkt ab und isst weiter. Ich frage mich gerade wo seine Schwester ist, als hinter mir sanfte Schritte zu vernehmen sind.
»Oh, Guten Morgen«,ertönt nur eine Sekunde darauf die klare Stimme von Nettles und ich sehe über meine Schulter zu dem Mädchen. »Morgen«,erwidere ich, mir ein leichtes Lächeln abringend.
»Hast du gut geschlafen?«,fragt auch sie mich und ich nicke erneut, die Arme um meine Mitte gelegt. »Hungrig?«,fügt sie dann lächelnd hinzu, während sie an mir vorbei zur Theke geht. »Ja«,antworte ich diesmal, leicht schmunzelnd,»Ich sollte Keith wecken, er wird auch etwas essen wollen.«
»Sind Cornflakes okay?«,höre ich Nettles noch, als ich die Küche verlasse und rufe nur ein »Klar« zurück. Hauptsache es kommt nicht aus einer Dose.
Die Stufen knarren wieder unter meinen Füßen und als ich zurück ins Zimmer komme liegt Keith immer noch schlafend im Bett.
»Keith«,rufe ich ihn von der Tür aus. Zurück kommt nur ein Brummen. »Keith komm, es gibt Frühstück.«
Erneut ertönt ein Stöhnen, dann antwortet er. »Haben wir nicht gesagt das Bett ist ein gutes Argument?«,erwidert er und ich schmunzele. »Ist Essen, das nicht aus einer Dose kommt, nicht auch ein gutes?«,grinse ich und verschränke abwartend die Arme vor der Brust. Kurz schweigt er, ehe er sich seufzend aufsetzt. »Du hast gewonnen«,gibt er klein bei und schiebt sich aus dem Bett, um mir hinunter zu folgen.

Die Bluthexen I - Denn Blut ist gefährlichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt