Sechs

676 50 16
                                    

»Ich gehe jetzt zu Bill!«,rufe ich durch das Haus. Als keine Antwort kommt, rolle ich mit den Augen und überprüfe noch einmal mein Aussehen im Spiegel, da klingelt es neben mir an der Haustür.
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und öffne die Tür. Ein mir allzu bekanntes Gesicht erscheint und meine Kinnlade verabschiedet sich kurz Richtung Erdboden. »Hey, was machst du denn hier?«,frage ich meine beste Freundin perplex und umarme sie.
»Yesko hat mir gesagt, dass du Gesellschaft bräuchtest«,antwortet sie grinsend und zieht die Augenbrauen hoch.
»Komm erstmal rein«,meine ich immer noch leicht verwundert, ehe mir klar wird, was Yesko damit bewirken wollte.
Damit ich nicht zu Bill gehe, lädt er Amber ein. So ein Arschloch.
Nachdem ich meine Schuhe ebenfalls wieder ausgezogen hab, gehe ich mit Amber im Schlepptau die Treppe hinauf.
Yesko steht in der Tür zu seinem Zimmer und ich kann nicht anders, als ihn mit grimmigem Ausdruck gegen den Arm zu boxen.
»Das hast du absichtlich gemacht!«,zische ich und verleiere die Augen, als er nur triumphierend grinst.
Dann folge ich Amber in mein Zimmer, während ich Bill eine Nachricht schreibe, dass ich doch nicht kommen kann und schließe die Tür hinter mir.
»Also erzähl!«,fordert mich meine Freundin auf, während sie sich auf das Bett fallen lässt. Ich ziehe verwundert die Augenbrauen zusammen.
»Was meinst du?«
»Yesko hat nur angedeutet, dass du im Krankenhaus gewesen bist. Dass ich es zuerst von ihm erfahren musste ist schon schlimm genug, jetzt lass dir nicht noch den Rest aus der Nase ziehen«,entgegnet sie mit gehobenen Augenbrauen, während sie sich auf den Bauch rollt und das Kinn in die Hände stützt, den Blick abwartend auf mich gelegt.
Ich seufze und lasse mich rücklings auf meinem Schreibtischstuhl nieder, bevor ich beginne die Geschichte zum vierten Mal zu erzählen. Dabei belasse ich es auch bei Amber bei der offiziellen Version mit dem Stromschlag.
»Und die Jungs liegen jetzt im Koma?«,fragt das Mädchen, als ich geendet habe und zieht die Augenbrauen leicht zusammen. Ich nicke und lege die verschränkten Arme auf die Lehne des Drehstuhles, um das Kinn hineinzulegen.
»Mhh«,überlegt sie,»Doch eine heftige Reaktion auf einen Stromschlag mit so einer geringen Spannung. Und das auch noch bei allen drei Jungen.«
Ich brumme nur kurz und starre auf einen Schmutzfleck an der gegenüberliegenden Wand, während ich nachdenke.
Sollte ich es Amber erzählen?
Das was ich glaube gesehen zu haben?
Immerhin ist sie meine beste Freundin und das schon lange.
Mein Blick schweift zu ihrem ebenfalls gedankenverlorenen Blick. Wohl sinniert sie in Gedanken immer noch über das Koma der fremden Jugendlichen.
Eine Strähne ihrer schulterlangen, hellblonden Haare hat sich aus der Menge der Anderen gelöst und hängt ihr nun im Gesicht.
»Amber?«,frage ich, woraufhin das Mädchen kurz den Kopf schüttelt, als wolle sie Gedanken vertreiben und mich dann fragend ansieht.
»Du glaubst doch an Übernatürliches, stimmts?«,frage ich vorsichtig. Allerdings dient die Frage nicht dazu mich zu vergewissern, dass es so ist, sondern eher dazu, das Thema einzuleiten.
»Ja, weißt du doch«,gibt meine Freundin verwundert zurück und setzt sich langsam auf.
Ich beiße unruhig auf meiner Unterlippe herum.
»Kann ich dir etwas erzählen, für das du mich nicht gleich für verrückt erklärst?«,frage ich weiter, woraufhin sie noch verwirrter scheint.
»Kommt darauf an, ob es verrückt ist«,antwortet sie und zieht nun nur eine Augenbraue hoch.
»Es ist ziemlich verrückt.«
»Gut«,grinst sie,»Was ist es?«
»Also gut«,murmele ich und hole einmal tief Luft, bevor ich zu sprechen beginne.
»Das mit dem Stromschlag ... Ich glaube das ist nicht wahr. Ich habe etwas anderes gesehen. Ich...«
Ich stöhne auf und fahre mir durch das braune Haar, während Amber mich unentwegt ansieht.
»Also als dieser Junge näher kam, obwohl ich ihn gewarnt hatte, da ... irgendwas ist da mit mir passiert. Ich habe geschrien, dass ich sagte er solle nicht näher kommen. Aber dieser Schrei klang nicht normal und ich habe ohne darüber nachzudenken meine Hände ausgestreckt, als aus denen dann rote...«
Ich werde immer leiser, als ich zum Zweiten mal feststellen muss, dass das komplett irrsinnig klingt.
Amber hingegen mustert mich fast schon gespannt.
»Erzähl weiter«,fordert sie mich auf.
»Aus meinen Händen kamen rote Blitze und sie sind in die Jungs eingedrungen...ihre Adern haben geleuchtet und...«
Ich stöhne auf und vergrabe das Gesicht in meinen Händen.
»Ich hab das Gefühl verrückt zu werden, Amber«,murmele ich und schiele zu meiner Freundin hoch.
Ihr Blick ist nachdenklich auf mich gerichtet.
»Hast du das sonst noch jemandem erzählt?«,fragt sie unerwartet, was mich erst einmal aus der Bahn wirft.
»Ja...ja, Mum«,stottere ich verwirrt und sehe nun wieder ganz auf.
»Was hat sie dazu gesagt?«
Ich zucke die Schultern.
»Sie hat mir gesagt, dass ich mir das eingebildet hätte und dass das, was ich gesehen habe, die Reaktion der Jungs auf den Stromschlag gewesen wäre«,gebe ich das, was meine Mutter erzählt hat, wieder.
»Mhh«,gibt Amber nachdenklich zurück und richtet den Blick auf meine Bettwäsche, an der sie herumspielt.
»Ich würde das gerne glauben, aber warum fühle ich mich dann so schuldig?«,frage ich einfach weiter. Meine Stimme gibt langsam nach.
»Ich denke, weil das, was du gesehen hast wahr ist und dein Unterbewusstsein weiß das«,gibt Amber zurück.
»Aber mal ehrlich, warum und vorallem wie sollte ich rote Blitze aus meinen Händen schießen lassen können?«,frage ich meine beste Freundin beinahe herausfordernd.
»Ich weiß nicht...wurdest du in letzter Zeit von einer verseuchten Spinne gebissen?«
Ein Grinsen erscheint auf ihren Lippen, ehe sie dem Ersten was ich in die Finger bekomme - in diesem Fall ein zusammengeknülltes Shirt vom Boden - ausweicht.
»Amber das ist eine ernste Angelegenheit!«,lache ich,»Und ich bin nicht Spiderman!«
Amber zieht eine gespielt nachdenkliche Miene, und meint:»Mhh schade, das wäre nämlich echt cool.«
»Ernsthaft jetzt, wie sollte das gehen?«,frage ich nun wieder ernst.
»Ich weiß es doch auch nicht!«,entgegnet sie, fügt dann aber grinsend noch etwas hinzu.
»Aber ich weiß wo wir es erfahren könnten.«

Die Bluthexen I - Denn Blut ist gefährlichحيث تعيش القصص. اكتشف الآن