Kapitel 6

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Mit Klitschnass geschwitzten Händen saß ich zu Hause auf meinem Bett und lies mein Handy langsam von einer Hand zur anderen wandern. Seit Stunden zerbrach mir mein Hirn darüber wie ich es bloß schaffen sollte in so kurzer Zeit zwei Mathethemen zu verstehen.
Kurzerhand und ohne groß nachzudenken tippte ich die Nummer der Nachhilfeanzeige in mein Handy ein und erschrak ich nächsten Moment als es in der Leitung tutete.
Ich hatte mir nicht einmal überlegt was ich hätte sagen sollen, doch dafür war keine Zeit mehr, denn schon antwortete eine warme, raue Frauenstimme am anderen Ende der Leitung.
„Hallo.“
„Äh…öh.“ Irgendwie war ich gerade etwas geschockt über meine voreilige Handlung.
„Hallo, wer ist da?“ Ihre Stimme wurde genervter.
„Äh…hallo hier ist Sarah. Ich rufe wegen der Nachhilfeanzeige an.“ Froh darüber wenigstens einen Ton herausgebracht zu haben, strich ich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr.
„Ach so, ja in welchen Fächern kann ich dir denn behilflich sein.“ Ihre Stimme wurde wieder angenehmer und ich kam mir nicht mehr ganz so bescheuert vor.
„Naja in Mathe könnte ich noch etwas Hilfe brauchen.“
„Klar ich helf dir gerne“, dröhnte sie fröhlich aus dem Hörer.
„Das Problem ist“, ich versuchte meine Stimme unter Kontrolle zu halten, „ich muss zwei komplette Mathethemen in sechs Tagen in mein Kopf kriegen.“
„Oh“, ihre Stimme senkte sich. Gleich würde sie absagen und ich könnte mir eine neue Nachhilfe suchen, „das schaffen wir, ich würde sagen morgen um zehn bei mir. Ich muss jetzt los Tschüss.“
Ohne dass ich noch etwas erwidern konnte legte sie auf. Erstaunt starrte ich auf das Display meines Handys. Sie hatte wirklich zu gesagt. Jetzt musste ich nur noch die acht Euro pro Nachhilfesunde auftreiben.
Ich lies mich auf mein Kissen fallen und stopfte mir ein Gummibärchen in den Mund, dann schloss ich die Augen. Das war jetzt erst einmal das kleinere Problem.

Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker, obwohl es Wochenende war. Ich hasste das, samstags und sonntags war eigentlich mein einziges Ziel dass ich erreichen wollte, Essen und auszuruhen. Doch ich musste das mit der Nachhilfe einfach durchziehen.
Müde schleppte ich mich, nachdem ich mich umgezogen hatte, die Treppe hinunter.
Meiner Mutter hatte ich gestern Abend noch erzählt ich würde zu Phil gehen, denn sie weis eigentlich so gut wie nichts über meine schlechten Noten in Mathe. Meine Arbeiten unterschreibt Papa immer, weil der nicht so ein großes Tamtam daraus macht und mich meistens und mit einem schiefen Blick anstarrt, der aber trotzdem dazu führt, dass ich mir vornehme besser zu werden. Doch dies gelingt mir nie.
Im Haus war es still. Papa arbeitet jeden Samstagmorgen in der Redaktion unserer Stadtzeitung. ‚Als Journalist kann man sich nicht ausruhen‘, sagt er immer wenn wir uns beschweren dass er zu viel arbeitet. Mama war wahrscheinlich einkaufen und Toni, den ich gerade äußerst beneidete, lag noch in seinem Bett.
Ohne etwas zu Frühstücken schlüpfte ich in meine Jacke und verließ das Haus.
Ich überlegte wie ich mich wenigstens etwas aufmuntern könnte, denn ich hatte die schlimme Befürchtung vor lauter schlechter Laune zu sterben.
‚Ich mach es für Bella. Ich mach es für Bella. Ich mache es für Bella.‘, sagte ich innerlich zu mir während ich meine eingefrorenen Hände tiefer in meine Jackentaschen Steckte und meine Nase hinter meinen Schal drückte. Es half nicht wirklich etwas.
Als ich den Gehweg der Hauptstraße entlang lief, kramte ich den Zettel auf der ich mir die Adresse geschrieben hatte aus meiner Tasche. Die Straße in der meine Nachhilfe wartete lag nicht mehr weit entfernt und langsam machte sich Nervosität in mir breit. Ich war gespannt auf was für eine Person ich treffen würde und fragte mich ob ich Mathe bei ihr besser verstehen würde.
Meine Schritte beschleunigten sich, als ich das große, moderne Haus vor mir sah.
Noch einmal verglich ich die Hausnummer die an der weiß gestrichenen Fassade stand mit der auf meinem Zettel. Identisch. Das war es also.
Mit spitzen und immer noch kalten Fingern drückte ich die Klingel. Nach ein paar Sekunden öffnete mir ein freundlich lächelndes Mädchen die Tür. Sie war schätzungsweise drei älter als ich und hatte ein Lächeln das mir ziemlich bekannt vor kam.
„Hallo, du musst wohl Sarah sein. Ich bin Pia.“ Ihre braune Lockenmähne wippte während sie sprach auf und ab.
„Hi, äh ja.“ Sie reichte mir ihre Hand und ich nahm sie freundlich in meine.
Staunend lief ich hinter ihr her zu dem großen Esstisch im Wohnzimmer. Dieses Haus war einfach riesig.
„Dann wollen wir mal Anfangen, wir haben noch viel vor.“ Sie nahm mir meine Jacke ab und setzte sich zu mir an den Tisch, während ich nur stumm und etwas verlegen nickte.

Hundert WünscheWhere stories live. Discover now