Kapitel 22

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Ich langweilte mich zu Tode an diesem Vormittag. Draußen segelten pro Sekunde gefühlte eine Million weiße Flocken vom Himmel und neben mir knisterte der Kamin. Moritz und Toni spielten anscheinend immer noch dämliche Spiele und Tante Amanda kochte in der Küche ihren Kartoffeleintopf.
Irgendwie war ich total nervös. Ich konnte es kaum erwarten wie bald Papa anrief und uns endlich verkündete ob ich ein Bruder oder eine Schwester bekomme und ob alles glatt lief.
Doch nichts. Vergebliche zwei Stunde saß ich da und hörte dem Kamin beim lodern und dem Eintopf beim blubbern zu.
Ja, ich langweilte mich wirklich fast zu Tode.
Irgendwann kam Moritz die Treppe hinunter gelaufen und setzte sich neben mich.
„Was ist?“, fragte er, als er meinen starrenden Blick ins Feuer bemerkte. Kurz beugte er sich vor um mit mir Augenkontakt aufzunehmen, „bist du sauer weil ich mit Toni was gemacht habe?“ Er lachte.
Ich wollte ja eigentlich nicht sauer sein. Es war ja seine Sache was er tat.
„Ne“, gab ich zurück und lief in die Küche. Ein Duft von gekochten Kartoffeln und Schnittlauch stieg mir in die Nase.
„Wollen wir nach dem Mittagessen irgendwas zusammen machen?“ Er lief mir hinterher.
„Was willst du hier schon machen? Da gibt’s nur Wald und Schnee.“ Ich musste lachen. Mir war klar, dass er nur irgendetwas gesagt hatte, um zu testen ob ich noch sauer bin.
„Ja wir könnten doch ne Schneewanderung machen.“ Er lachte, Ironie klang in seiner Stimme.  
„Okay“, ich wurde ernst.
Verdattert schaute er mich an.
„Wirklich?“, fragte er verwundert.
„Du hast es doch vorgeschlagen“, lachend schöpfte ich einen Löffel Kartoffelmatsche aus dem Topf.
„Na gut.“ Er tat beleidigt. Ich wusste er hasste Wandern, eine kleine Rache musste sein, nachdem er mich allein hier unten fast verschimmeln lies.

Nach dem Mittagessen, was leckerer war als es aussah, hatte Papa immer noch nicht angerufen.
Als Moritz und ich uns in unsere Wintersachen zwängten, lief Toni die Treppe hinunter.
„Was macht ihr?“, fragte er neugierig.
„Wir gehen raus, ein bisschen…Wandern.“, gab Moritz von sich.
Toni sprang wie ein kleines Kind auf und ab.
„Yeah, ich komme mit.“ Er war gerade dabei seine Schuhe anzuziehen als ich ihn stoppte.
„Vergiss es.“, fauchte ich ihn an.
„Hey, ich kann hingehen wo ich will.“, sagte er und riss sich los, als ich ihn an seinem Oberarm festhielt.
„Amanda“, schrie ich in die Küche und lief ein Stück auf meine Tante zu, die um die Ecke kam.
„Könntest du bitte Toni sagen, er soll da bleiben.“, sagte ich so leise, dass es die anderen nicht hören konnte. , „er soll nicht bei allem dabei sein, was ich mit Moritz mache.“
Amanda verstand, doch ich glaube wohl eher in einer anderen Hinsicht.
Amanda lief zu Toni und flüsterte ihm irgendetwas ins Ohr, worauf er mich dumm angrinste und dann wieder nach oben ging.

Moritz und ich verließen das Haus. Es war kalt, sehr kalt.
Wir schwiegen, was immer öfters in letzter Zeit vorkam. Der Schnee knarrte unter unseren Füßen und immer wieder fielen ein paar Flocken vom grauen Himmel.
Ich weis nicht wie lange wir gerade aus liefen und die meiste Zeit nichts sagten. Manchmal begann einer von uns ein Thema, doch dass war dann auch wieder schnell ausgesprochen. Dann schwiegen wir wieder.
Irgendwann, als es schon dämmerte, liefen wir wieder zurück. Es war wirklich seltsam. Früher redeten Moritz und ich stundenlang über total unnötiges Zeug, es gab nie nur eine Sekunde in der wir uns anschwiegen. Bella war sogar manchmal richtig genervt, weil sie nie zu Wort kam. Doch jetzt? Es war ja nicht so, dass ich kein guten Gesprächsstoff hatte, aber irgendwie war alles einfach zu doof oder unnötig.
„Sollen wir noch hier draußen bleiben? Ich hab keine Lust auf Toni, er nervt.“, fragte ich und lief ohne eine Antwort abzuwarten in Amandas Garten.
Dort setzte ich mich auf den großen Stein unter der alten Eiche. Es war der einzige Sitzplatz auf dem sich kein Schnee abgelegt hatte.
Moritz setzte sich neben mich.
„Sei froh, dass du nur einen Bruder hast. Ich hab gleich mehrere von der Sorte.“ Er lachte kurz auf. Doch sah dann schnell wieder von mir in die weite Ferne des Abendhimmels.
Es dämmerte und ich konnte nur die Umrisse seines Gesichts sehen.
„Was ist?“, fragte ich, als ich bemerkte, wie er unruhig seine Finger verknotete.
„Nichts, es ist nur...“ Sein Blick wanderte in meine Richtung. Ich sah ihn mit schief gelegtem Kopf skeptisch an.
„Ja?“, fragte ich verwirrt, weil er immer unruhiger wurde und ich Angst hatte er würde jeden Moment seine Finger brechen.
„Ich überlege schon den ganzen Tag ob ich dich darauf ansprechen soll.“ Er sah wieder in die Ferne.
Mein Herz fing an zu klopfen, wie an diesem einen Abend in der Hütte. Ich versuchte die Gefühle die in mir aufbrodelten zu unterdrücken. Ich hatte mich doch für Phil entschieden endgültig. Zumal ich die Gefühle für Moritz nie wirklich verstand. Doch meine Neugierde war zu groß.
„Was ist?“, fragte ich wieder.
Moritz zögerte kurz.
„Du weist doch noch, dieser Abend in der Hütte.“ Seine Stimme kratze und mein Puls war nun endgültig auf die doppelte Geschwindigkeit angestiegen, sodass ich es  nicht mehr unterdrücken konnte.
Nervös erinnerte ich mich an diesen Abend. Es war total schön, abgesehen von meiner Verletzung.
Ich sah Moritz an und hoffte insgeheim, dass dieser Abend sich heute wiederholen würde.
„Ich wollte…“, er stand auf und lief zum Gartenzaun. Ich hinterher, weil ich von der Entfernung wohl nichts von seiner Erklärung verstanden hätte.
„Ich wollte dich küssen, doch ich glaube es war ein Fehler. Wir sind beste Freunde und die Gefühle an dem Abend endstanden einfach nur aus der Situation heraus. Es tut mir Leid.“ Er sah mir in die Augen.
Ich lies mich seine Aussage noch einmal durch den Kopf gehen und musste feststellen das ich ziemlich enttäuscht war. Ich wollte mit dem Thema abschließen, klar und jetzt hatte ich die besten Voraussetzungen, doch alles zu unterdrücken änderte nichts an meinen Gefühlen.
„Ja, ich verstehen das. Vergessen.“, antwortete ich und versuchte krampfhaft mir nichts anmerken zu lassen. Dann lief ich ohne ein Wort zurück ins Haus.
Das Thema Moritz war nun ein für alle Mal abgehakt.

Eine Stunde später, lag ich mit einer Tasse warmem Kakao auf der Couch vor dem brodelten Kamin. Papa hatte sich immer noch nicht gemeldet und die Sache mit Moritz hallte nun schon zum hundertsten Mal in meinem Kopf wieder.
Hatte ich mir wirklich nur eingebildet das Moritz vielleicht doch mehr als nur Freundschaft für mich empfindet?
Verwirrt nippte ich an der Tasse, als Amanda den Raum betrat und sich neben mich legte.
„Und habt ihr geredet?“, sie grinste, doch als sie meinen Gesichtsausdruck begutachtete verzog sich auch ihre Miene wieder.
„Ja, doch er hat mir gesagt, er würde nichts für mich empfinden und seine Andeutungen waren ein Fehler. Ich bin total verwirrt.“
Amanda rückte noch ein Stück näher.
„Vielleicht ist es ja besser. So musst du dich nicht entscheiden. Manchmal muss das Schicksal für sich sprechen.“ Sie legte ihren Arm um meine Schulter und zog mich an sich.
Ich schloss meine Augen. Es tat gut mal wieder von jemandem in den Arm genommen zu werden. Leicht gab Amanda mir einen Kuss auf meine Haare.
Einige Zeit lagen wir nur so da, sahen in das Kaminfeuer. Ich war zu müde um mir Gedanken um meine Gefühle zu machen und irgendwie war ich froh darüber, denn so konnten nicht wieder dumme Entscheidungen dabei entstehen.
Gerade als ich meine Tasse auf den Couchtisch gestellt hatte, schrillte das Telefon. Ich beugte mich vor um zu erkennen wer anrief. Mein Herz fing an zu wummern als Papas Nummer auf dem Display aufleuchtete.

Endlich wieder ein Kapitel :-)
Es tut mir Leid, dass ich so lange nicht mehr geschrieben habe. Aber ich bin zurzeit sehr mit Schule und Lernen beschäftigt. Außerdem schreibe ich noch an einem anderen Buch das ich vielleicht an einen Verlag schicken möchte. Schreibt mir mal in die Kommentare ob ihr eine kleine Leseprobe daraus wollt. :-)

Ich versuchte so schnell wie möglich zu updaten. Was denkt ihr, bekommt Sarah einen Bruder oder eine Schwester? Namenvorschläge?

Danke für eure Geduld zwischen den Kapiteln. :-D :-)

Lysell <33  
 


  

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