Kapitel 17

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Vor drei Jahren erkrankte Bellas Cousin Tim, der damals ein Jahr alt war, an Krebs. Leukämie. Die Ärzte merkten es früh genug und so wurde er in das Kinderkrebskrankenhaus Sommerzeit eingeliefert. Monatelang unterzog er sich Chemotherapie. Doch er verlor nie die Lebensfreude. Die vielen Pfleger und andreren Kinder die um ihn herum waren und das gleiche Schicksal hatten, stimmten ihn fröhlich.
Nach ungefähr eineinhalb Jahren, wurden passende Stammzellen für ihn gefunden und er konnte geheilt werden.
Bella liebte ihren Cousin. Sie hatte sich immer kleinere Geschwister gewünscht, aber nie welche gehabt. Sie war so glücklich als Tim auf die Welt kam. Als er noch ganz klein war, hat sie die Nachmittage damit verbracht auf ihn aufzupassen, wenn seine Eltern bei der Arbeit waren oder eine Auszeit brauchten.
Es war schrecklich für sie als er die Diagnose von dem Arzt gesagt bekam. Ziemlich oft war sie bei ihm im Krankenhaus. Und sie wusste genau, was für eine Arbeit die Pfleger dort leisten. Sie haben seine Lebensfreude erhalten auch wenn er noch so jung war, er hatte schmerzen. Und ich glaube für seine Eltern und Bella, war es einfach das schönste, sein Lachen trotz dem Krebs und der schwere Zeit zu sehen.

Ich schluckte. Ganz genau wusste ich, dass sie jetzt auch anderen Kindern Mut machen wollte. Ihnen zeigen, dass es sich lohnt zu kämpfen. Wenn es auch nur zwei Tage sind, die sie dort verbringen wollte. Sie hätte es mit ihrem ganzen Herzen getan.        
Vorsichtig schweifte mein Blick in seine Richtung. Er sah mich an. Wissend nickten wir uns ohne Worte zu und er verstand dass Er anrufen sollte.
Ich schleppte währenddessen meinen Körper in Richtung Küche und schenkte in zwei Gläser Mineralwasser ein.
Meine Mutter kam die Treppe heruntergelaufen. Ich sah im Augenwinkel wie sie ihre Jacke anzog, dann kurz ins Wohnzimmer spähte und schließlich an die Küchentür gelaufen kam.
Ich drehte meinen Kopf ganz in ihre Richtung, weil sie nur da stand und keinen Ton von sich gab. Stattdessen grinste sie vor sich hin.
Mit den Gläsern in den Händen lief ich auf sie zu.
„Was ist los?“, fragte ich verwirrt.
Ihr grinsen wurde nur noch breiter, doch sie sagte nichts. Schüttelte nur kurz ihre hellbraunen Locken und verlies dann das Haus.
Komisch, dachte ich mir als ich vorsichtig, weil ich die Gläser ein wenig zu voll gefüllt hatte, ins Wohnzimmer lief.
War das wegen Moritz?
Mir viel wieder dieses eine Gespräch ein. Es war noch nicht so lange her, aber mir kam es vor wie eine Ewigkeit. Dort hatte sie so komische Andeutungen gemacht, von wegen ich hätte einen Freund. Dachte sie etwa Moritz und ich…?
Ruckartig schüttelte ich meinen Kopf und blickte zu ihm, der gerade den roten Hörer seines Handys drückte.
„Und?“ Die Couch ließ ein leises Quietschen von sich als ich mich darauf schmiss.
„Es war irgend so eine Frau Brender am Telefon.“ Dass war nicht dass was ich wissen wollte. Mit meinem Blick zeigte ich es ihm auch, sodass er weiterredete.
„Und sie hat gesagt, sie würde sich sehr darüber freuen, wenn wir die nächsten zwei Tage bei ihr auf der Krankenstation verbringen würde.“ Er lachte und fuchtelte kurz mit seinen Händen durch die Gegend.    
„So schnell und kurzfristig?“ Ich hob meine Augenbrauen, freute mich aber. Dass ging wirklich schnell. Ich überlegte. Heute war Freitag. Also würde ich das ganze Wochenende nicht zu Hause sein.
Super. Denn ich hatte immer noch keine Lust mich mit irgendwelchen Weihnachtsvorbereitungen oder Babysachen auseinander zu setzten.
Er nickte und ich freute mich.
Ein paar Minuten später, holte ich ein paar alte DVDs aus der Vitrine und wir schoben einen den wir spontan ausgesucht hatten, in den Player.
Doch irgendwie bekamen wir fast nichts von dem Film mit, denn wir redeten die ganze Zeit.
Ausgelassen. Fast schon wieder richtig glücklich.
Irgendetwas war an diesem Abend anders, und ich glaube dass merkte wir beide.
Wir redeten und redeten und ich sah plötzlich in ihm nicht mehr nur meinen besten Freund, sondern etwas anderes noch. So eine Art Bruder? Ich konnte es an diesem Abend nicht genau sagen, doch ich wusste, dass er mir, auf welche Art auch immer, unglaublich wichtig war.

Schnee rieselte leise und ganz still auf den Erdboden als ich hochschreckte und senkrecht in meinem Bett saß. Es war das Klingeln meines Weckers, das mich so erschrak.
Ich rieb mir in den Augen, in der Hoffnung ich würde danach nicht mehr all so schläfrig sein.
Ich starrte in die Luft. Wie war ich gestern in mein Bett gekommen und wer hatte meinen Wecker gestellt?
Ich schmiss die Bettdecke zur Seite und krabbelte aus dem Bett, so gut es mit meinem Fuß eben ging.
Moritz und ich mussten wohl gestern Abend auf dem Sofa eingeschlafen sein. 
Weil ich humpelte, machte es laute Geräusche als ich die Treppe runter und in die Küche lief.
Alle saßen an einem gedeckten Frühstückstisch. Mama wollte jetzt alles schön machen, weil sie wahrscheinlich Angst hatte, dass ich mich wieder vernachlässigt fühlen würde.
„Morgen“, flötete sie und schnappte mir das letzten Vollkornbrötchen weg. Ich nickte nur kurz.
Mir lag etwas anderes auf den Lippen.
„Wie bin ich gestern Abend in mein Bett gekommen?“ Ich hatte wirklich keine Ahnung.
„Als ich nach Hause gekommen bin, lagen du und Moritz schlafend auf dem Sofa. Da hab ich euch geweckt und dich im Halbschlaf in dein Zimmer geführt. Moritz hab ich dann zu sich gefahren.“ Sie grinste schon wieder so. Am besten gar nicht darauf eingehen.
„Und wer hat meinen Wecker gestellt?“ Dass war das Rätselhafte, denn er war genau so gestellt, dass ich pünktlich zum Krankenhaus kommen würde.
„Ich hab einen Zettel auf dem Tisch liegen sehen, auf dem stand, wichtiger Termin und die Uhrzeit. Noch etwas. Ich habe dir von einer Freundin Krücken mitgebracht, damit du besser laufen kannst.“
„Danke“, sagte ich lächelnd. Irgendwie hatte ich das Gefühl die ‚alte Mama‘ war zurück.
„Und weist du was?“, fing mein Bruder an und ich bemerkte wie Mama ihm unterm Tisch einen Herzhafte Tritt gab.
„Was denn?“, wandte er sich kurz an sie, dann wieder an mich. Er grinste breit.
„Ihr habt gekuschelt.“ Jetzt prustete er los.
Ich hielt kurz den Atem an. Dass durfte doch nicht war sein. Musste mir immer so etwas passieren. Und ausgerechnet vor meiner sowieso falsch denkenden Mutter und meinem nervigen, dreizehnjährigen Bruder. Papa war dass im Moment relativ egal. Er las die Zeitschrift der Konkurrenz und ärgerte sich über die zu guten Artikel darin.
Toni lachte immer noch und ich war genervt. Irgendwie fühlte ich mich ertappt, obwohl da ja gar nichts war.
„Halt die Klappe Toni“, patzte ich ihn an und verschwand im Badezimmer.

Hundert WünscheWhere stories live. Discover now