Kapitel 24

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Weil ich am Abend zu vor, einfach zu genervt von allem war, ging ich gleich nach dem Streit mit Toni schlafen. Nicht einmal mehr mein Handy hatte ich noch angeschaltet, was ich generell immer tat.

Diese Nacht musste es ziemlich kalt draußen gewesen sein, denn an der Fensterscheibe hingen hunderte kleine Eiskristalle, die ich bewundere nachdem ich mich aus meiner warmen Decke gepellt hatte. Zuerst drückte ich den Anschaltknopf meines Handys. Auf dessen Display, nachdem es hochgefahren war, drei Nachrichten von Phil erschienen.
„Wieso bist du im Krankenhaus? Ist etwas passiert? Sarah?“
 Danach folgten hunderte Fragezeichen. Ich lächelte. Er hatte sich Sorgen gemacht weil er dachte mir wäre etwas passiert. Diese Nachricht bestätigte mir, wenn auch nur minimal, dass er mich doch irgendwie mögen musste.
Ich beschloss ihm gleich die Einladung wegen heute Abend zu schicken.
Danach schloss ich das Nachrichtenfenster und erblickte das Foto mit Bella, welches ich als mein Hintergrund eingespeichert hatte. Mit dem Zeigefinger fuhr ich leicht darüber.
Bella wäre sicherlich total stolz gewesen, dass ich mittlerweile ‚normal‘ mit Phil reden konnte. Fast schon ganz ohne zu stottern oder mich ständig zu verhaspeln. Ein Lächeln zog sich durch mein Gesicht. Sie wäre bestimmt so stolz gewesen, wie ich es war als sie nach monatelanger Schwärmerei endlich Bruno angesprochen hatte.
Ich lief zu Tür. Im Augenwinkel sah ich Bellas Buch auf dem Nachttisch liegen.
‚Die Wünsche‘, ging die Stimme durch mein Kopf und ich beschloss Moritz vorzuschlagen den nächsten Wunsch zu lesen.
Immer noch träge, so wie meistens kurz nach dem aufstehen, klopfte ich an seine Tür. Als niemand öffnete oder ein ‚herein‘ von sich gab, schob ich sie mit einem Ruck auf. Das Zimmer war leer. Verwirrt ging ich nach unten.
Tante Amanda wischte den Boden und Toni saß auf der Couch und schaute Fern. Irgend so eine Sendung, die nur Morgens lief weil Mittag die Einschaltquoten höher waren und die Chance bestand zu viele könnten sie sehen und diesen Sender einfach nur für total unterbelichtet erklären.
„Wo ist Moritz?“, fragte ich verwirrt und lies mich neben Toni fallen. Der Streit von gestern Abend hatten wir beide schon längst wieder vergessen, so wie es immer war.
„Er hat gesagt er trifft sich mit einer Judith glaube ich.“, antwortete Amanda, weil Toni zu fasziniert von dieser Sendung war.
„Judith?“, gab ich laut zurück, doch bereute es im nächsten Moment weil es wohl eindeutig zu auffällig war wie ich mein entsetzten zeigte. „Äh…ach so. Ja okay.“ Versuchte ich mich zu verbessern, doch meine Tante hatte längst begriffen.

Der Tag war Sterbens langweilig. Das einzig spannende war, als mir Phil nach dem Mittagessen schrieb, er würde sehr gerne kommen. Ich hoffte nur, dass er den Weg hier her überhaupt finden würde.
Nun war es kurz vor sechs. Phil würde in einer Stunde kommen, das Essen war gerade in Arbeit und Moritz inzwischen auch wieder hier. Noch kein einziges Wort hatte ich heute mit ihm gewechselt also auch nicht auf die Wünsche angesprochen, was mich ärgerte. Denn zurzeit vernachlässigte ich sie total.
Ich stieg unter die Dusche und nahm mir danach irgendetwas zum anziehen. Nichts besonderes ich sah aus wie immer.
Aus Moritz Zimmer drangen die Stimmen von ihm und Toni. Ich wäre fast der Versuchung gefolgt zu lauschen, doch da ich Toni gestern so eine Szene deswegen gemacht hatte, war dies wohl eher untaktisch.

Also lief ich nach unten, deckte den Tisch im Wintergarten meiner Tante in dem schon unzählige Teelichter auf den Fensterbänken standen, schob die Lasagne in den Ofen und stand schließlich nervös vor dem Spiegel.
Keine Ahnung ob Moritz inzwischen mitbekommen hatte, wer hier heute zu Besuch kam. Ich pustete mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Mir war es auch mittlerweile egal. Ich wollte jetzt keine Rücksicht auf ihn nehmen und mich in ein paar Jahren darüber ärgern, dass ich mich nicht für Phil entschieden hatte.
In dem Moment als ich schon wieder mit den Gedanken bei Moritz war, klingelte es an der Tür. Mein Herz wummere so stark wie schon lange nicht mehr.
Dann öffnete ich die Tür mit einem Ruck. Phil stand da, angelehnt an den Türrahmen, mit einem Lächeln im Gesicht.
„Hey“, hauchte er und sein warmer Atem stieg in die Luft.
„Hi“, gab ich zurück und war schon wieder geflashed von seinem Aussehen. Wie schön er doch war.
Er kam auf mich zu und umarmte mich, was mich erst sehr verwunderte doch im nächsten Moment unheimlich glücklich machte. Wie ich feststellen musste, raubte mir sein Geruch wiedermal meinen verstand und ich vergaß vor lauter Phil-Duft die Tür zuschließen, was er dann lächelnd übernahm.
Ich bemühte mich nicht total den Verstand zu verlieren und betrat die Küche.
„Hast du Hunger?“, fragte ich lächelnd und deutete auf die Lasagne im Ofen.
„Klar.“ Er pellte sich aus seiner Jacke und hing sie auf den Küchenstuhl. Dann liefen wir in den Wintergarten. Ich stellte das dampfende Essen auf den Tisch und setzte mich, er mir gegenüber.
Wir aßen und es war alles perfekt. Draußen rieselten die weißen Flocken vom Himmel und hier drinnen flackerten die Teelichter auf und ab.
„Wohnst du hier?“, fragte er mich.
„Nein. Meine Tante wohnt hier. Ich und mein Bruder sind nur gerade hier, weil meine Mutter gestern ein Baby bekommen hat. Wie ich dir schon erzählt habe.“ Wie durch ein Wunder konnte ich auf einmal normal mit ihm reden.
„Oh toll.“, er lächelte, „und ich dachte wirklich du wärst im Krankenhaus. Ich habe mir schon richtige Sorgen gemacht als du nicht mehr zurück geschrieben hast.“
Innerlich hätte ich bei diesem Satz vor Freude platzen können. Phil hatte sich wirklich Sorgen um mich gemacht. Ich wartete einige Sekunden bevor ich antwortete, weil ich Angst hatte meine Stimme würde einen Satz in die Höhe machen.
„Tut mir Leid. Ich musste das Handy ausschalten.“ Puh. Sie klang halbwegs normal. Eine weitere Gabel schob ich mir in den Mund. Das Essen schmeckte wirklich super. Ein Glück hatte ich Amanda, denn alleine hätte das alles in einer Katastrophe geendet.
Wir aßen zu Ende. Als ich den Tisch abgeräumt hatte, sah ich Phil wie er sich Fotos in dem Regal im Wohnzimmer ansah.
„Bist das du?“, fragte er und deutete auf ein Foto von mir als ich nackig als Baby in einem kleinen aufblasbaren Pool saß.
„Ja…Oh Gott, wie peinlich.“, ich musste lachen.
„Quatsch“, gab er zurück und setzte sich aufs Sofa.
Vorsichtig zündete ich den Kamin an und setzte mich dann anschließend neben ihn. Wieder kam mir sein Duft in die Nase und ich musste automatisch ein Stück näher zu ihm hin rutschen.
Lange saßen wir da, redeten nichts, hörten nur dem Kamin beim knistern zu.
„Kannst du tanzen?“, fragte er nach einer Weile.
Ich schaute ihn skeptisch an. „Ich und tanzen? Vergiss es.“
„Na dann, ist heute die beste Möglichkeit es zu lernen.“ Er stand auf, zückte sein Handy, lies langsame Musik laufen und reichte mir dann die Hand.
„Na los. Komm schon.“, lachte er, als er bemerkte wie ich unsicher wurde.
Nach kurzem zögern stand ich auf. Meine rechte Hand legte er auf seine Schulter die linke nahm er in seine. Tief blickte ich ihm in die Augen und befürchtete ernsthaft jeden Moment ohnmächtig zu werden. Langsam setzte er seine Hand an meine Hüfte.
„So, als erstes gehst du mit deinem rechten Fuß einen Schritt zurück.“
„Glaub mir, ich kann das wirklich nicht. Ich bin total schlecht in sowas.“ Ich sah auf unsere Füße hinunter, dann wieder in Phils Gesicht.
„Ach papperlapapp. Ich führe dich.“
Langsam ‚tanzten‘ wir durch den Raum. Naja, ich ging wohl eher, doch Phil konnte es richtig gut.
„Wieso kannst du so gut tanzen?“
„Keine Ahnung. Meine Mutter sagt immer das liegt in der Familie. Aber ich glaube man braucht einfach das richtige Mädchen dazu.“ Er blickte mir direkt in die Augen. Wie wohl ich mich doch in seinen Armen fühlte.
Irgendwann blieben wir stehen und er schob sanft mit seiner Hand eine Haarsträhne die mir ins Gesicht gefallen war hinter mein Ohr. Wir redeten nichts und ich hatte schon Angst er könnte meinen lauten Herzschlag hören.
Langsam nahm er mein Gesicht in beide Hände und unsere Köpfe näherten sich einander, als sie nur noch ein paar Zentimeter voneinander entfernt waren und ich glaubte mein Herz hätte kurz ausgesetzt, hörte ich einen Schritt hinter mir.
„Hast du dich also doch von ihm einwickeln lassen?“, hörte ich Moritz Stimme hinter mir.
Erschrocken drehte ich mich um. Worauf Phil mein Gesicht los lies und Moritz verwirrt ansah.
Seine Stimme klang ganz anders als sonst, viel tiefer.
Ich konnte von hier seine schnellen Atme erkennen.
„Was hast du denn jetzt für ein Problem?“, fragte Phil und ging ein Schritt auf Moritz zu.
„Du bist mein Problem, klar!“ Auch er lief auf Phil zu, bis sie schließlich direkt voreinander standen.
Scheiße! Was hatte Moriz vor?
„Lass Sarah in Ruhe. Ich weis doch das du sie nur verarscht, so wie jedes Mädchen!“, schrie er schon fast.
„Ach komm, nur weil du keine abkriegst. Was willst du jetzt von mir? Verpiss dich doch du Spast!“, schrie Phil zurück. Er wollte weglaufen, doch Moritz platze nun endgültig der Kragen. Er zog Phil am Oberarm zurück und schlug ihm direkt ins Gesicht.
Phil hielt sich kurz die Nase, doch wehrte sich und zwar doppelt so stark. Mit voller Wucht holte er aus und schlug nun Moritz mit seiner Faust auf die Nase, sodass dieser torkelte, mich lange halb auf dem Boden liegend ansah und dann schließlich wieder die Treppe hochrannte.
Das alles passierte innerhalb von ein paar Sekunden und ich realisierte erst kurze Zeit später was geschehen war. Moritz hatte mir doch gesagt, er würde nichts für mich empfinden und jetzt machte er so einen Aufstand? Was sollte das? Ich war total durcheinander und bemerkte erst ein paar Augenblicke später, dass Phil in die Küche lief und seine Jacke schnappte.
„Was machst du?“, fragte ich verwirrt und lief ihm schnell hinterher.
„Ich gehe!“ Er war sauer und unter seiner Nase kam ein bisschen Blut zum Vorschein.
„Was…warum?“ Hecktisch lief er zur Tür.
„Ich habe kein Bock auf irgend so ein Typ, der dich die ganze Zeit ‚beschützen‘ will, weil er glaubt ich bin ja so böse. Ist er dein Ex oder was? Wenn ja dann solltest du die Sache mal schleunigst mit ihm klären und ihm sagen, dass er sich verpissen soll. Was macht er überhaupt hier?“ Er riss die Tür auf. „Ach weist du was, es ist mir egal was er hier verloren hat. Nur sag ihm er soll mich in Zukunft in Ruhe lassen. Er pöbelt mich ja sogar an, wenn ich gerade nichts mit dir unternehme!“
Phil lief los. Ohne das ich noch irgendetwas sagen konnte.
Wütend schloss ich die Tür und rannte in den zweiten Stock. Dann stampfte ich zu Moritz Zimmer und lief ohne zu klopfen rein.
„Was fällt dir eigentlich ein? Spinnst du total Phil einfach ohne Grund zu schlagen. Und warum pöbelst du ihn an. Ich versteh dich einfach nicht. Kannst du es mir nicht einmal gönnen. Warum tust du das?“
Er drehte seinen Kopf in meine Richtung. Aus seiner Nase tropfte Blut, welches er mit seiner Hand aufhielt.
Dann kam er auf mich zu und ich sah wie gläsern seine Augen waren.
„Ich will nicht dass es dir schlecht geht. Verstehst du das? Ich will für dich da sein. Dich beschützen. Ich weis wie sehr du Phil magst und ich akzeptiere dass du mich nicht so sehr magst. Doch er ist schlecht für dich. Versteh das.“
Seine Augen füllten sich mit Tränen und ich spürte wie auch bei mir eine Träne die Wange herunter lief. Ich war einfach so wütend und enttäuscht zugleich. Er hatte den ganzen Abend kaputt gemacht. Wäre er nicht gekommen, dann hätte ich Phil geküsst.
„Ich verstehe gar nichts mehr. Früher warst du anders. Da hättest du dich für mich gefreut und nicht alles dafür getan es kaputt zu machen.“
Ich verließ den Raum und schloss die Tür hinter mir. Wieder löste sich eine Träne in meinem Auge.
Weinend schmiss ich mich in mein Bett. Moritz verwirrte mich immer mehr. Hatte er Gefühle für mich oder nicht? Wenn ja, dann hatte ich an diesem Abend beschlossen die von meiner Seite aus zu unterdrücken. Doch wird Phil mir verzeihen?
Mit dieser Frage öffnete sich meine Zimmertür. Toni kam herein und setzte sich zu mir auf die Bettkannte.
„Alles okay?“, fragte er, während er die Bettdecke unter mir rauszog, sich neben mich kuschelte und uns beide zudeckte.
„Nein“, schluchzte ich. „Jungs sind so scheiße.“
„Mhh…alle außer Brüder.“ Er lächelte mich an.
„Ja, da hast du recht.“ Schluchzend kuschelte ich mich an ihn. Bis ich irgendwann in meinen Tränen einschlief.

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Hoffe ihr habt euch von dem Special nicht allzu viel erhofft und es gefällt euch trotzdem.
Wird Sarah Moritz verzeihen? Und wie geht es mit den Wünschen weiter?

Bald gibt’s ein neues Kapitel. :-)

Ps: Sorry wenn ich für eure Buchbewertungen lange brauche. Aber bald update ich dort gleich mehrere Bewertungen auf einmal. :-)

Lysell <33            

Hundert WünscheWhere stories live. Discover now