Kapitel 20

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„…Also fuhren wir los. Es war eine ziemlich neblige Nacht. Bella war glücklich, irgendwie frei.
Ich fuhr, ohne irgendwelche bedenken. Doch ich spürte schon bald, dass irgendwas nicht stimmte. Ich weis nicht ob es letztendlich am Auto lag, dass erst einen Tag zuvor aus der Werkstatt kam. Jedenfalls, war es bald so neblig dass ich fast nichts sehen konnte. Bella schlief auf dem Beifahrer sitz und immer wieder sah ich zu ihr hinüber. Es war so beruhigend in ihr lächelndes Gesicht zu schauen.
Die Stunden vergingen und ich fuhr, ich war kein bisschen müde. Je weiter wir weg fuhren, desto freier fühlte ich mich. Doch dann ging alles ganz schnell. Ich sah ein braunes etwas über die Straße huschen, erschrak mich, schlug das Lenkrad stark nach rechts. Dann verlor ich die Kontrolle über das Auto und wir rasten die Böschung hinunter. Dann weis ich nichts mehr, ich wurde im Krankhaus wach.“, er fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht, „man sagte mir, dass es ein Reh war, was mir vor das Auto gerannt war. Die Polizei hatte es zehn Meter weiter gefunden. Doch als sie mir sagten, dass Bella noch am Unfallort verstarb, dachte ich es wäre ein schrecklicher Traum. Ich war geschockt. Redete mehrere Tage nichts, eine Woche, zwei Wochen. Keine Ahnung wie lange ich schwieg. Mein Blick war leer. Doch ich weinte nicht. Nicht einmal habe ich seid sie Tod ist geweint. Es ist alles so ausdruckslos. Als hätte ihr Tod meinen ganzen Emotionen weggesprengt. Und wenn ich in den Spiegel blickte, sehe ich nur den verdammten Mörder, der den wichtigsten Menschen in seinem Leben getötet hat. Alle wollten mir einreden ich wäre nicht schuld gewesen, ich begriff es auch irgendwann, doch die Schuldgefühle die ich mir jeden Tag machte, waren kaum auszuhalten. Ich vermisse sie jede einzelne Sekunden die ich lebe.
Als ich aus dem Krankenhaus draußen war, saß ich nur zu Hause rum. Ich schmiss meine Ausbildung hin. War meistens gereizt. Tja, dann hat mich meine Mutter vor zwei Wochen rausgeschmissen. Ich werde mir das alles nie verzeihen können.“ Er blickte aus dem Fenster.
Ich dachte immer der Unfall lief ganz anders ab. Ich dachte immer, er wäre leichtsinnig gefahren und dann die Böschung hinunter gerast. Doch er war gar nicht schuld?
Irgendwie tat er mir unendlich Leid. Ihm musste es auch so gehen wie mir und Moritz. Vielleicht sogar noch schlimmer.
Keiner sagte etwas. Die Uhr an der Wand tickte. Draußen quietschten Autoreifen.
„Warum hast du nie mit uns darüber gesprochen? Du hättest und doch sagen können wie es wirklich war… .“ Ein dicker fetter Kloss steckte mir im Hals. Wir alle hatten ihn immer beschuldigt. Zu unrecht.
„Ich wusste doch wie ihr denkt. Ich..ich wollte warten bis ihr bereit seid auf mich zu zukommen.“
Tief atmete ich ein. Ich bekam auf einmal eine ganz andere Sicht auf den Unfall.
Und ich wollte plötzlich nicht mehr ‚mir‘ helfen, dieses Schicksal zu verarbeiten, sondern Bruno.
„Warst du schon mal auf ihrem Grab?“, meine Stimme kratzte im Hals.
Bruno schüttelte seine schwarzen Haare. „Nein, ich konnte nicht.“
„Was…was hältst du davon, wenn wir drei zusammen hingehen?“ Moritz nickte neben mir.
„Was? Jetzt?...ich weis nicht.“
„Für Sarah und mich, war es anfang genauso schwer, doch jetzt, ist es der beste Ort um ihr nahe zu sein.“
Bruno zögerte kurz, stand aber dann auf und began seine Jacke anzuziehen.
„Vielleicht habt ihr recht…“

Auf dem Weg zum Friedhof sprachen wir nichts. Bruno sah nachdenklich aus und ich glaube es war am besten ihn für einen Moment in Ruhe zu lassen.
Kurz vor Bella Grab, würde er immer langsamer und blieb fast stehen.
„Komm, du schaffst das.“ Ich blickte zu ihm zurück. Ich wusste wie er sich fühlte, denn genauso ging es mir das erste Mal auch.
Er sah geschafft aus. Moritz ging schon ein Stück vor. Ich lief nach hinten und nahm Brunos Hand. So hatte es auch meine Mutter bei mir getan, als wir nach das erste Mal nach Bellas Tod hier waren.
Dann lief ich los.  Immer wieder blieb er kurz stehen, schaute entweder in den Himmel oder zum Boden. Ich hielt dann auch an und wartete bis er bereit war weiter zu gehen.
Dann waren wir da. Ich ließ Brunos Hand los. Mein Herz schlug schnell.
Doch was dann passierte lässt mir heute immer noch eine Gänsehaut bereiten.
Als Bruno direkt vor Bellas Grab stand, rieselten leicht weiße Flocken zu Boden. Moritz und ich standen ein Stück weiter hinten, neben ihm.
 Er hatte die Hände vor seinem Bauch gefaltet.
„Honey“, flüsterte er, so hatte er sie immer genannt, jedesmal musste sie dann lachen, weil sie es so kitschig fand. Doch mir erzählte sie immer, sie liebte es wenn er sie so nannten und Bruno wusste das auch. Langsam sank er in die Hocke. Ich sah wie eine Träne seine Wange hinunter lief. Er weinte, dass erste Mal nach Bellas Tod. Es war einer der ergreifendsten Momente, seid langem.  
Dann lies er sich ganz auf die Knie in den Schnee fallen.
„Es tut mir alles so, so Leid“, murmelte er unter schluchzen weiter.
Moritz und ich knieten uns hinter ihn und legten unsere Hände um ihn. Bald saßen wir, uns umarmend, in einem Kreis vor Bellas Grab und weinten.
Irgendwie hatte ich in diesem Moment das Gefühl, Bella war uns ganz nah. Saß irgendwo zwischen Holzbank und Weide und schluchzte mit uns.

Dieser Tag schaffte mich. Es war ein Gefühlswirrwar hoch 1000. Doch schlimmer wie bei Moritz und Phil. Ich hatte heute endlich begriffen, dass Bruno nicht schuld an Bellas Tod war.
Nachdem wir halb eingefroren und total durch geheult, den Friedhof verließen, liefen wir mit Bruno nach Hause. Bruno versprach uns, morgen noch einmal mit seinem Chef zu Telefonieren, wegen der Ausbildung, und auch mit seiner Mutter zu reden.
Wie gesagt, der Tag machte mich total fertig und ich war froh wieder zu Hause zu sein.
Mama stand in der Küche und machte Tee für mich, den sie wenig später zu mir ins Wohnzimmer trug. Sie hielt ihren Bauch und Rücken gleichzeitig. Und jammerte wieder über ihre Schwangerschaftsschmerzen.
„Du siehst ja total geschafft aus. Ist was?“, fragte sie und hielt mir den dampfenden Tee hin.
Ich hatte keine Lust ihr alles zu erzählen. Zu lange Geschichte mit zu vielen Emotionen, die sie nicht versteht.
„Nein, nein. Alles in Ordnung.“ Ich pellte mich aus meinem Schal.
„Na dann“, vorsichtig zog sie ein Blatt Papier hinter ihrem Rücken hervor. „das habe ich heute beim aufräumen in deinem Zimmer gefunden.“ Sie reichte mir das Blatt Paper, auf dem gefühlten eine Million Mal ‚Phil‘ und dahinter ein Herz stand. Mist! Das hatte ich neulich gemalt, als ich wieder in so einer ‚Liebesphase‘ war.
„Wer ist denn dieser Phil? Du kannst ihn ja gerne Mal mit zu uns bringen.“
Oh Gott, wie peinlich. Schnell stand ich auf.
„Mama, auf so etwas spricht man jemand in meinem Alter nicht an!“
Ich lief in mein Zimmer. Erst dachte sie, ich wäre mit Moritz zusammen und nun war Phil dran. Wollte sie irgendwie erzwingen, dass ich einen Freund habe, oder wie soll ich das verstehen?       
     

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Lysell <33

     

Hundert WünscheWhere stories live. Discover now