14. Der Toss

417 43 1
                                    

"Schatz, aufstehen!", rief mir Papa vom Flur aus zu und brachte mich so zum Aufstehen. "Ja!", rief ich verschlafen zurück und stand auf. Sofort fiel mir auf, dass ich meine Beine wieder spürte. Mein Tag wurde damit einmal besser.

Als wir fertig gerichtet an der Tür standen, rollte Papa den Rollstuhl her. "Bereit?" Ich nickte und lief voraus. Es fühlte sich wirklich toll an, völlig frei und unbeschwert zu laufen.

"Und, aufgeregt?", fragte er, als wir im Auto zur Schule fuhren. "Ne du, ich war schon öfter in der Schule....", antwortete ich mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. Er lachte nur und beließ es dabei. Einige Minuten später waren wie auch schon in der Schule. Ich schluckte einmal nervös auf und stieg aus. Hoffentlich würde alles gut werden. "Viel Spaß!", rief Dad mir hinterher und ich winkte zu ihm zurück.

"Alles wird gut, es wird nichts passieren." In diesem Moment wusste ich, dass der Tag schlecht ausgehen würde. Es war wie ein Fluch, wenn ich sagte, dass alles okay war, dann wurde der Tag zum schlimmsten in meinem Leben.

"Ayuuu!!" Bei dem Klang des Schreies wurde ich nur nervöser und keine Sekunde später warf sich Noya um meinen Hals. "Hi Noya, dir gehts gut?" Er grinste nur breit und nickte. "Mir gings nie besser!", rief er voller Freude und sprang förmlich voraus, ich ihm hinterher.

Doch ich blieb nur stehen, mit dem Blick zu Boden gerichtet. Das schien Noya auch mitzubekommen, denn er drehte sich um und schaute mich verwundert an. "Was ist los, Ayu?", fragte er, mit seiner typischen besorgten Stimme.

"Noya. Bitte hab immer im Hinterkopf, dass dein Glück nur für einen Augenblick anhält." Nun verwandelte sich seine Sorge in Verwirrung und er legte den Kopf schief. "Ich versteh nicht ganz?", meinte er und tritt von einem Fuß auf den anderen.

"Schau mal. Stell dir einen Apfel vor. Auf der einen Seite schön, rot und saftig. Auf der anderen Seite eingedrückt und verfault. Der Apfel repräsentiert das Leben. Wenn du glücklich bist, dann ist deine Trauer aber immer noch da. Der Apfel ist in sekundenschnelle umgedreht und die traurige, faulige Seite kommt zum Vorschein. Genauso anders herum."

Ich atmete tief durch. "Tut mir leid, falls diese Metapher schwer zu verstehen war." Dann rannte ich an ihm vorbei ins Gebäude. Seine Fragen wollte ich einfach nicht hören, ich wusste nicht mal selber, was ich da geredet hab.

"Pünktlich, ein Glück", murmelte ich am Klassenzimmer angekommen und schaute mich in der Klasse um. Einige schienen noch Hausaufgaben zu machen, andere redeten miteinander. Ich setzte mich nur stumm auf meinen Platz und holte die Sachen für die Stunde heraus. "Murase-san! Schön dich wieder zu sehe-..." Verwundert schaute ich hoch, wer da mit mir redete. Chikara Ennoshita, aus dem Volleyballteam.

"Was ist los? Ennoshita-kun?", fragte ich, mit einem fragenden Blick. "Das sollte ich fragen. Du siehst aus wie eine wandelnde Leiche!" Um seiner Aussage Ausdruck zu verleihen zog er sein Handy heraus und öffnete die Vorderkamera, hielt es mir vor das Gesicht. Tatächlich war meine Gesichtsfarbe nicht gerade gesund, sodass man meinen könnte, ich hätte meinen Kopf in Kreidestaub gehalten.

"Los, ins Krankenzimmer mit dir." Er wollte bereits mein Handgelenk greifen, doch ich zog es noch rechtzeitig weg. "Ich will nicht. Der Unterricht beginnt gleich." Sein ernster Blick verschwand nicht, dennoch drehte er sich um und ging ohne ein weiteres Wort zu seinem Platz zurück. Gleich darauf kam auch schon der Lehrer herein und begrüßte uns wie gewohnt. Eine ganze Woche hab ich diesen Satz jetzt schon nicht gehört.

"Guten Morgen Leute!"

Es ließ mich zufrieden lächeln. Die Stunde über kritzelte ich wieder meinen Block voll, da ich dem Stoff sowieso nicht mehr folgen konnte. Ennoshita würde mir bestimmt bei Gelegenheit mal alles erklären. Er war ein echt netter Junge, aber manchmal war er mit seiner Sorge ein wenig aufdringlich, was manchmal aber auch von Vorteil ist.

Der Abend und die Schönheit (Nishinoya x Oc❤)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt