49. Kapitel Er weiß es

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Er nickte, auch wenn es ein verängstigtes Nicken war, eins, dem man die Angst schon ansieht. "Also mein Vater... Er hat erzählt ich sei verletzt...", fing ich an, leise, um ihn nicht noch panischer zu machen als er ohne hin schon war. Klappte nur nicht so ganz.

"Und nun ja. Es ist keine Verletzung. Es ist eine Krankheit." Leise, ohne groß die Stille zu stören, fuhr ich fort, die schreckliche Information zu verkünden.

"Es ist Krebs. Noya, ich bin schon seit ich elf bin, an Krebs erkrankt."

Ruhe kehrte ein, ich wagte es erst gar nicht, von der Bettdecke aufzusehen, auf sie ohne Pause kleine Tränen hinab tropften. Auch er begann, laut zu schluchzen.

Ich wollte etwas sagen, aber es schien mir nicht der richtige Zeitpunkt. Ich hätte mich nur wieder dumm wie ich bin entschuldigt.

Langsam, hoffend er würde nicht all zu stark weinen, schaute ich zu ihm herauf. Er hielt sich die Hand vor den Mund, um kein allzu lautes Schluchzen entweichen zu lassen und weinte leise in seine Hände.

"Bitte komm her Yuu."

Das war es dann. Der Auslöser für seinen Zusammenbruch. Er fiel um meine Schulter, lag halb auf mir drauf und klammerte sich an mich wie ein Koalababy sich an seine Mutter krallt. Und das Weinen begann jetzt erst recht.

Er brach völlig verzweifelt in Tränen aus, während sich seine dünnen Finger in meine Schultern krallten und mich einen schmerzhaften Laut ausstoßen ließen.

Doch er ignorierte das, ließ weiter das Krankenhaushemd meine Tränen einweichen. Es tat weh ihm dabei zu zu sehen, gerade hatte er sich eine perfekte Welt zusammen gestellt, alles war wieder einigermaßen normal, nach dem Tod seiner Mutter. Und nun traf er auf mich. Vermutlich das beste, was ihm je passiert ist, und trotzdem sein größter Alptraum.

Und es wurde auch mein Alptraum.

"Yuu, bitte vergiss nicht, ich liebe dich. Egal was aus mir wird. Ich werde dich immer lieben, ich verspreche dir das", flüsterte ich ganz leise in sein Ohr, um ihn nicht aufzuschrecken. Er nickte nur und weinte weiter.

"Ich liebe dich auch", kam zurück, in sehr verweinter Stimme und auch nur sehr langsam. Ich lächelte.

"Ich bin glücklich dich getroffen zu haben."

Er nickte stumm und lächelte ein sehr gebrochenes Lächeln.

Etwas später ließ er widerwillig von mir ab, jedoch nur so, dass er immer noch auf dem Bett lag, sich mit den Armen neben mir abstützend, sodass er über mir gebeugt war. Man könnte fast schon sagen es sah sehr nach etwas Bestimmtem aus...

Er blickte mir sehr direkt mit seinen haselnussbraunen Augen in meine, während sein Gesicht wohl ganz unbewusst sehr nah an meines heran kam.

"Was ich jetzt tue wollte ich schon immer machen. Und jetzt da ich weiß, was Sache ist, weiß ich nicht, ob ich nochmal die Chance dazu bekomme."

Und da küsste er mich. Ganz lieb und zärtlich und nur ganz zurückhaltend. Ganz anders als auf dem Schulfest. Mit so viel Liebe und Fürsorge, dass mir auch gleich vor Entspannung die Augen zu fielen.

"Hey nun schlaf nicht wieder ein!", motzte er schmollend, lachte aber gleich wieder.

"Ich hoffe das macht diesen öden Kuss vom Schulfest wieder wett."

Das Lächeln, das ich seit Beginn des Kusses auf den Lippen hatte, blieb bis jetzt und sogar noch weiter.

"Das hat er auf jeden Fall Yuu, und jetzt küss mich nochmal du kleiner Traumprinz."

Das ließ er sich nicht zweimal sagen und küsste mich nochmal, und nochmal, und nochmal, jeder Kuss traumhafter als der letzte. Der Kuss begann langsam nach Salz zu schmecken, als ich die Augen aufmachte, konnte ich Tränen über Yuus Wangen rollen sehen. Behutsam strich ich über seine Bäckchen, um die Tränen wegzuwischen, und schloss wieder die Augen. Der Moment ging schier unendlich.

So war es auch nicht sonderlich überraschend, dass die Besucherzeit schneller vorbei war, als wir gucken konnten.

Der Abschied für einen Tag fiel schwerer den je, vor allem da er es ja nun wusste. Vermutlich würde er sich nun nur noch darüber Gedanken machen, alles um sich herum ausschalten. Aber er war stark. Ja, er würde es überstehen. So wie ich!

Also verabschiedeten wir uns, nachdem er wie ein kleines Kind quängelte, und dann von einer Krankenschwester an der Hand raus begleitet wurde, natürlich nur gegen Bestechung. Wenn er nun gehen würde, hätte er eine Extra Portion Reis von meiner Mum bekommen.

Doch so schnell ließ er sich nicht umstimmen. Es wurden dann drei Portionen und Eis zum Nachstich ausgehandelt.

"Dass ich ihm drei Portionen Reis wert bin schockiert mich zu tiefst", gab ich gespielt weinend von mir, als eine weitere Krankenschwester mir mein Abendessen brachte, und meine medizine Versorgung checkte. "Du hast da echt einen verdammt tollen Kerl abbekommen, ich bin richtig stolz", beichtete sie mir zwinkernd und fing an, nochmal meinen Blutdruck zu messen.

"Ja... nur er ist eben verdammt stur. Wenn es nach ihm ginge würde er wahrscheinlich am liebsten in mich rein klettern und die Tumore selber entfernen", seufzte ich laut vor mich hin.

"Er sorgt sich nun mal sehr um dich, er liebt dich sehr."

Ich nickte. Das stimmte voll und ganz. "Und ich liebe ihn dafür! Er opfert sich so auf für andere, ohne dabei an sich selber zu denken", erklärte ich und die Schwester nahm mir das Messgerät wieder ab. "Aber ich denke er weint viel, wenn er alleine ist."

Auch sie nickte nun. "Na ja, ruh dich erstmal aus ja? Für die Op morgen musst du ausgeruht sein."

Ich nickte. Es waren wohl wieder Knochen gesplittert und die mussten entfernt, beziehungsweise korrigiert werden. Denn wenn man das nicht schnell genug tut, kann es sein, dass die Splitter Organe verletzen, so wie damals, als ich aus heiterem Himmel Blut hustete.

Passiert glücklicher Weise nicht oft, aber hin und wieder passierte das.

Der Abend und die Schönheit (Nishinoya x Oc❤)Where stories live. Discover now