🔥7🔥

3.6K 550 34
                                    

Jungkook

Noch immer vollkommen paralysiert starre ich den Kadaver vor mir an. Mittlerweile liegt er in seinem eigenen Blut, welches sich immer weiter ausbreitet und mich ebenso bald erreicht hat. Erst als ich das realisiere, schaffe ich es, mich aus meiner Starre zu lösen.

"Seven", flüstere ich, doch meine Stimme versagt nur schon am Ende dieses Namens. 

Er ist tot. Diese Tatsache, diese drei Worte, spielen sich in meinem Kopf ab, wie bei einer Endlosschlaufe. Er ist tot. 

Seven ist tot. 

Ich kann mir diese Worte dennoch so oft ich auch will vor Augen halten, ich kann es nicht begreifen. Dieser Hund vor mir kann nicht tot sein, obwohl ich selbst erkenne, dass er nicht mehr lebt. Das viele Blut um ihn herum, die Wunde an seiner Brust, der schlaffe Körper, als ich ihn sachte hochhebe, der langsam kälter und kälter wird, all das zeugt von dem Tod des Hundes. 

Und dennoch kann ich es nicht wahrhaben. 

Ich lege ihn auf meinem Schoss ab, ignoriere den höllischen Schmerz in meiner Wade, durch seine Bisse und strecke die Hand aus, um durch das weiche Fell zu fahren. Doch Millimeter bevor meine Fingerspitzen sein Fell berühren, stoppe ich.

"Sie hätten dich nicht Phönix nennen sollen."

"Ein Phönix ist ein stolzes Tier, mit reiner Seele. Das bist du nicht."

"Er ist mein Gegenstück."

Ich spüre, wie meine Hand zu zittern beginnt, doch diesmal ist es nicht aufgrund der Kälte. Diesmal ist es aufgrund meiner Angst.

Der Angst vor mir selbst. 

Mit klopfendem Herzen ziehe ich meine Hand zurück und starre meinen Handrücken an, als könnte er mir irgendetwas offenbaren, was ich schon so lange wissen will. Ich muss mich geradezu dazu zwingen, meine Hand umzudrehen, doch als ich es dann tue, wünschte ich, ich hätte es nicht getan.

Mit einem lauten Aufschrei rutsche ich ich rückwärts durch den Schnee, als könnte ich davor fliehen, doch das nützt nichts. Mein Bein protestiert mit starkem Schmerz dagegen, also gebe ich es rasch wieder auf, stattdessen starre ich mit einem Aufschluchzen wieder meine Handflächen an.

Blut.

dunkles, rotes, frisches Blut klebt an ihnen. Aber nicht das meine. 

"Nein, nein, nein!", weine ich drauflos und packe den Leichnam auf meinem Schoss, um ihn an meine Brust zu drücken. Meine Tränen werden von dem weichen Fell aufgefangen und es interessiert mich nicht, ob ich nun meine ganze Kleidung mit Blut beschmiere, denn sein gesamter Bauch ist voll damit. 

Heulend kralle ich mich an dem Körper fest und schüttle dazu den Kopf. 

Ich habe Feuer. Ich bin ein Phönix, man hat mich nicht umsonst so genannt. Ein Phönix brennt. Ich besitze eine Fähigkeit mit Feuer, nichts anderes. 

Erst nach einigen Minuten, schaffe ich es, mich von dem Kadaver zu lösen und ihn schniefend zurück in den Schnee zu legen. Ich wage einen zweiten Blick auf meine Hände, aber diesmal sind sie sauber, nicht der kleinste Flecken Rot ist zu sehen, was mich erleichtert aufatmen lässt. Eine Halluzination. 

Es ist nicht meine Schuld. Ich habe nichts getan.

Mir ist klar, dass ich nicht für immer hier sitzen und den toten Hund anstarren kann. Doch ans Weiterlaufen kann ich auch nicht denken. Die Hetzjagd hat mir alles abverlangt, dazu kommt das verletzte Bein und Seven hier einfach tot liegen zu lassen kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.

Ich kann kein Grab für ihn machen, der Boden ist gefroren, ans graben ist also gar nicht zu denken. Und unter der Schneedecke wird er nur eingefroren, sodass er im nächsten Frühling auftaut und dann hier verwest. 

Aber ich kann auch nicht hierbleiben, wenn ich nicht sterben will.

Die Frage ist nur, möchte ich überhaupt noch leben? 

Der Tod erscheint mir als ein schöner, friedlicher Weg, wenn ich daran denke, wie anstrengend es jetzt ist. Ich werde gejagt, man will mich töten. Ich musste die zurücklassen, die mir am Herzen lagen, ich musste jemandem Lebewohl sagen, obwohl ich ihn niemals verlassen könnte. Taes Verlust schmerzt verdammt nochmals. Es schmerzt, wie ein grosses, fettes Loch in der Brust, als würde man dir jeden Knochen einzeln brechen

Ich vermisse ihn. Ich vermisse sein breites, glückliches Lachen, dass mir an diesem grausamen Ort ebenfalls ein Lachen entlocken konnte. Egal, wie trüb und dunkel meine Welt in der Station war, er hat sie aufgehellt, wenn er nur in meiner Nähe war. Er schaffte, dass ich mich für die kleinsten Dinge begeisterte und das schöne an meinem Leben gesehen hab. 

Es war nie viel, was er mir gegeben hat, doch für mich war es eine ganze Welt. Allein der Ring an meinem Finger ist mehr, als ich jemals erwartet oder gewollt hätte. Er hat so viel für das einfache Schmuckstück auf sich genommen, nur um mir eine solche Freude zu bereiten. Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, jedes Leiden in Kauf genommen, solange es mir Sicherheit gab. 

Wie soll man ohne einen Menschen klar kommen, wenn er zuvor wie Luft zum Atmen für dich war? Wenn er alles für dich war? Wenn er das war, was dich durchhalten liess, jeden Morgen aufstehen liess?

Entmutigt lasse ich mich rückwärts mit ausgebreiteten Armen in den weichen Schnee fallen, mache mir nichts mehr daraus, dass es eiskalt ist, meine Kleidung wieder durchnässt wird und starre noch oben, zu den weissen Wipfeln der Bäume.

Und traurigerweise muss ich in diesem Moment feststellen, dass es mir nichts ausmachen würde, jetzt hier liegen zu bleiben, die Augen zu schliessen, zu erfrieren und den Tod damit mit offenen Armen zu begrüssen.

Phoenix [Vkook]Where stories live. Discover now