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Jungkook

Schon seit Stunden quälen mich Magenkrämpfe vor lauter Hunger. Ich habe bereits versucht, meinen Magen mit etwas Schnee zu füllen, aber das hilft eher weniger.

Ich muss endlich aus diesem verdammten Wald raus und etwas zu Essen auftreiben. Und Schmerzmittel, denn mein Bein bringt mich noch um. Wenn das Geld, dass Yoongi für mich gestohlen hat, noch dazu reicht, dann wären ein Verband und eine Salbe für die Bisswunde auch nicht allzu schlecht.

Und andere Klamotten. Mein Oberteil ist Blutverschmiert und ein Ärmel fehlt, meine Hose ist ohnehin voller Blut und dreckig und gegen eine Dusche hätte ich auch nichts.

Aber bevor ich auch nur eines dieser Dinge kaufen kann, muss ich endlich hier raus und in die Stadt. Ich weiss nicht, wie lange meine wackeligen, schwachen Füsse mich noch tragen, wie viele Meter sie noch durchhalten, aber ich bin sicher, sollte ich vor Einbruch der Dunkelheit nichts gefunden haben, was meinen Hunger stillt und mich mit Energie versorgt, dann kann ich aufgeben.

Heute ist das Wetter nicht viel besser als gestern. Es ist immer noch klirrend kalt und der Himmel ist eine einzige, dicke, graue Wolkendecke, die mir verrät, dass es heute bestimmt wieder schneien wird. Ich muss noch vor dem Schneefall aus dem Wald raus. Sonst bin ich erledigt, denn durch die dicken Flocken werde ich langsamer vorankommen und mein Ziel wird sich immer weiter von mir entfernen.

Schwer atmend bleibe ich schliesslich stehen und schlinge meine Arme um den Stamm eines Baumes. Ich habe das Gefühl überhaupt keine Kraft mehr in meinen Gliedern zu haben, meine Knie zittern vor Anstrengung und ich würde alles dafür geben, mich zu setzen, aber dann wäre die Verlockung nicht mehr aufzustehen viel zu gross.

Ich würde alles dafür geben, Taehyung zu sehen. Absolut alles. 

Sein Lächeln zu sehen, in seine strahlenden, reinen, blauen Augen blicken zu können, seine Hand halten zu können, oder seine Stimme zu hören. Oder ein Kuss. Verdammt, für einen Kuss würde ich auf Knien betteln.

Sie waren immer etwas besonderes, egal wie oft wir uns bereits geküsst haben, jedes Mal, wenn er seine Lippen auf meine gedrückt hat, fühlte es sich an, wie ein erstes Mal. Ich konnte mich einfach nie darauf vorbereiten, selbst wenn ich irgendwie doch wusste, was geschah, war es jedes Mal anders. Immer regneten tausende von Gefühle auf mich ein und ich wusste nicht wohin mit ihnen, ich genoss die Nähe, die er mir damit schenkte und das Gefühl, nicht alleine zu sein.

Es hat mir geholfen und es würde mir auch jetzt helfen.

Wenn er nur vor mir stünde, mich an sich heranziehen würde. Vermutlich würde der Idiot grinsen oder so, weil alleine diese Taten mich nach Jahren noch immer aus der Bahn werfen würde. Seine Nähe würde mich durcheinanderbringen, genauso wie seine Hände an meiner Hüfte und sein Atem auf meiner nackten Haut. So wie ich Tae kenne, würde er sich erst nur zu meiner Schulter beugen und dort Küsse verteilen, bloss um mich wie Butter zum schmelzen zu bringen, bis ich mich an ihm klammere, in der Angst meine Beine könnten nachgeben. Das liebt er, die Kontrolle zu haben.

Er liebt es, zu wissen, wie mein Körper auf jede seiner Aktionen reagiert und er weiss auch, wie schwach er mich machen kann. Er weiss es und er spielt mit diesem Wissen. Das hat er schon immer, er hat mich jedes Mal solange in den Wahnsinn getrieben, bis ich nicht mehr Herr über meine eigenen Sinne war. Bis ich ihm meinen Körper praktisch angeboten habe. Zwar hat er mich so nie zu etwas gebracht, was ich sonst nicht tun wollte, das wäre gegen seine Moral, aber dennoch hat er mich gerne an jegliche Grenzen meiner Vernunft getrieben.

Und vermutlich würde er erst langsam wieder in mein Gesicht sehen, bis er mich erlösen würde und seine Lippen sanft gegen meine drücken würde.

Allein die Vorstellung lässt mein Herz schneller klopfen und erfüllt mich mit einer gewissen Wärme und Zufriedenheit. Doch so gut diese Wärme und diese Vorstellung auch tut, so schnell verschwindet beides wieder und macht kalter, gähnender Leere in meinem Inneren Platz, als mir bewusst wird, dass es wohl ein Ding der Unmöglichkeit sein wird.

Vermutlich werde ich ihn nicht einmal mehr sehen. Nie wieder. Er hat mich da rausgeholt, er hat mir ein freies Leben geschenkt und dabei sein eigenes hinten angestellt, vergessen und es vielleicht auch geopfert.

Ich senke den Blick und halte mir meine ausgestreckte Hand vor Augen. Am Ringfinger erkenne ich immer noch den silbernen Ring, mit dem eingeritzten Siegel, dem kleinen, filigranen Phönix, obendrauf. 

Tief Luft holend richte ich mich wieder auf und balle die Hände zu Fäusten. Was auch mit Tae geschehen ist, er würde in keiner Situation wollen, dass ich mir um ihn Sorgen mache oder gar wegen ihm aufgebe. Er würde mich eher anschreien, dass ich endlich mal an mich denken soll und etwas aus der Lage machen soll. Und ich will ihn nicht enttäuschen.

Ich werde diese verdammte Stadt erreichen und wenn ich dahin kriechen muss. 

Meine Schritte sind klein, meine Füsse schleifen über den Boden und ich stolpere mehrmals beinahe über meine eigenen Kampfstiefel, fange mich aber jedes Mal noch rechtzeitig. Ich irre noch einige Minuten durch den Wald, bis ich vorne auf einmal erkennen kann, wie es heller wird. 

Ich sehe keine weiteren Bäume, ich erkenne nur den Horizont zwischen den verbliebenen Stämmen. Mein Herz beginnt zu rasen und Hoffnung baut sich in meiner Brust auf. Bin ich am Waldrand angekommen?

Wie automatisch werde ich schneller, stütze mich an den Stämmen neben mir ab, während ich meine Schnitte immer mehr beschleunige und schliesslich die letzten Meter renne, selbst wenn das ziemlich anstrengend ist indem ganzen Schnee und mir ständig Zweige ins Gesicht peitschen. Es kommt mir unendlich lang vor, aber langsam wird es heller und ich erkenne tatsächlich keine weiteren Bäume mehr. 

Erst als ich nur noch etwa zwei Meter von den letzten Bäumen entfernt bin, verlangsame ich meine Schritte und stampfe wieder langsam, dennoch aufgeregt zum Ende. Von der Müdigkeit und der  Anstrengung ist nichts mehr zu spüren, was wohl an dem Adrenalin liegt, dass nun förmlich durch meine Adern rast. 

Schluckend stelle ich mich zwischen zwei dicke Baumstämme und erkenne nichts als unendliche Weite und riesige Bauten. Vor mir erstreckt sich eine riesige Stadt, mit Hochhäusern, die die Wolken berühren. Ich sehe Autos, Menschen dort unten auf den grossen Strassen, höre leises Hupen und allein dieser Anblick, lässt mich vor Freude aufschluchzen.

Völlig fertig falle ich auf die Knie, löse meinen Blick nicht von dem atemberaubenden Bild, dass sich mir da bietet und unternehme nichts gegen die Tränen, die unaufhaltsam über meine Wangen rollen. Ich war erst ein einziges Mal in meinem Leben so erleichtert und glücklich ,wie jetzt. Erschöpft lehne ich meinen Kopf gegen einen der Stämme neben mir und schniefe geräuschvoll, während die Tränen weiter meine Augen verlassen.

Da ist sie. Die Stadt.

Phoenix [Vkook]Where stories live. Discover now