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Jungkook 

Ängstlich schiebe ich mich durch die vielen, hektischen Leute und spüre auch deren schockierte Blicke auf mir, als sie mich mustern. Ich muss grauenhaft aussehen, wie aus einem Psychothriller oder Horrorfilm entsprungen, mit dem ganzen Blut an meinem Körper und so dreckig. Ich schäme mich fast schon, weiter in die Stadt vorgedrungen zu sein, aber hier gibt es Essen und eine Apotheke sicherlich auch und genau das ist, was ich brauche.

Die Schmerzen in meinem Bein sind immer noch da und ich hätte gerne etwas gegen sie, denn ich kann kaum laufen und sonst schmerzt es höllisch, ausserdem knurrt mein Magen immer noch und ich habe mich in dem Aufzug noch nicht getraut, in die Bäckerei zu gehen, an der ich vorbeigekommen bin. Vielleicht gibt es hier ja öffentliche Toiletten, dann könnte ich zumindest mein Gesicht etwas waschen.

Ich ziehe den Kopf etwas ein und senke den Blick auf die dreckige Strasse zu meinen Füssen, als ich den stechenden, misstrauischen Blick einer Frau mittleren Alters bemerke. Natürlich begegnet man mir feindselig, ich sehe auch nicht gerade freundlich aus und ich habe mir extra unbelebtere Strassen gesucht, was aber irgendwie doch nicht wirklich nützt.

Was mich aber schockiert ist, dass niemand auf die Idee käme, mich anzusprechen, zu fragen, was mit mir geschehen ist, seine Hilfe anzubieten oder derartiges. Für mich war es immer selbstverständlich bei anderen Leute, meine Hilfe anzubieten oder mich um sie zu kümmern, wenn es so aussah, das habe ich bei meinen Hyungs immer getan, aber hier ist das nicht so.

Aber da mir keiner helfen will, muss ich mir eben Hilfe selber holen, egal wie schrecklich ich aussehe. "E-entschuldigen Sie", flüstere ich leise und reibe mir mit den Händen über die Oberarme, um etwas Wärme zu erzeugen, während ich einen jungen Mann mit Piercings und Tattoos anspreche. Er bleibt stehen und mustert mich mit grossen Augen. "Wo sind die öffentlichen Toiletten?", frage ich ihn.

Er braucht einen Moment um sich zu fassen, blinzelt dann aber und vergräbt seine Hände in seinen Manteltaschen. "Junge, wie siehst du aus? Wen hast du umgebracht und wieso trägst du nichts wärmeres?", will er stattdessen wissen und mustert mich von Kopf bis Fuss. Seine Worte lassen mich unwillkürlich zusammenzucken und ich senke den Blick.

"I-ich habe niemanden umgebracht", wispere ich mit erstickter Stimme und bemühe mich darum, nicht in Tränen auszubrechen, denn diese Worte haben mich härter getroffen, als sie sollten. 

Ich bin kein Mörder.

Ich bin kein Monster.

Der Mann will etwas antworten, aber ich schüttle schon den Kopf. "V-vergessen Sie es", murmle ich leise, sehe ihn nicht mehr an und drehe mich um, um davon zu humpeln. "Hey, warte doch mal!", höre ich ihn sagen, "Du musst in ein Krankenhaus!"

Kaum hat er gesprochen, gefriert mir das Blut in den Adern und diesmal ist es nicht dank der klirrenden Kälte, die gerade hier herrscht, sondern dank der Angst, die mich in Sekundenschnelle packt und eisern festhält.

Es ist, als würde sie ihr fieses Lachen in meinem Kopf wiedergeben, zusammen mit ihren höhnischen Worten, dass es für mich kein Entkommen gibt. 

Ein Krankenhaus, mit ihren ewigen Fragen. "Wie ist das passiert, wie ist dein Name, wo wohnst du, wer sind deine Eltern, woher kommst du?" und so weiter. 

"N-nein!", rufe ich etwas zu hysterisch, denn es drehen sich auch andere Leute kurzzeitig zu mir um. Ich schenke dem jungen Mann doch noch einen Blick, schüttle aber vehement den Kopf. "Kein Krankenhaus, ich brauche kein Krankenhaus. Mir geht es gut, ich muss nur-"

"Schon gut, schon gut!" Beschwichtigend hebt er die Hände und bringt mich so wieder zum schweigen. "Ich kann dich mit zu mir nehmen", bietet er mir an, "Dann kannst du dich mal gründlich waschen und dir dickere Klamotten als diese Fetzen anziehen. Und vielleicht kann ich dir mit deinem Bein helfen."

Unsicher sehe ich ihn an, kralle meine Finger in den dünnen Stoff meines Pullovers und beisse auf meiner Unterlippe herum. Hobi Hyung sagte, ich soll niemandem vertrauen ausser ihnen und mir selbst.

Aber dieser Mann kennt mich nicht, oder? 

Und wenn er nur so tut? Wenn er einen von ihnen ist und ich ihn nur nicht kenne? Wenn er mich zurückbringt oder gleich umbringt, wenn ich ihm folge?

Mein Atem beschleunigt sich bei diesen Gedanken und mein Herz beginnt unnormal schnell zu schlagen, aus purer Angst. "D-das ist keine gute Idee, denke ich", erwidere ich deshalb mit heiserer Stimme.

Er schnaubt. "Es ist keine gute Idee, so draussen herumzurennen. Sieh mal, du bist ein gefundenes Fressen für jeden Kriminellen in dieser Stadt und zudem ist es Winter und in diesen Kleidern erfrierst du. Dein Bein muss sich jemand ansehen und du kannst von Glück reden, dass ich jemanden kenne, der Medizinstudent ist."

Ich sehe ihn nur wieder misstrauisch an. Er seufzt ein weiteres Mal. "Mein Name ist Kris, wenn du dich dadurch besser fühlst? Ich bin dreiundzwanzig und komme gerade von meiner Vorlesung an der Uni, denn ich studiere Jura. Besser?", stellt er sich knapp vor.

Ich mustere Kris, der mich weiterhin abwartend ansieht, kann aber nichts auffälliges erkennen oder etwas, was ihn als einer von ihnen kennzeichnet. Er muss wohl wirklich ein normaler Student sein...

Und solange er mich nur nicht zur Polizei oder in ein Krankenhaus schleppt, ist doch alles in Ordnung, oder? 

Na ja, ob ich will oder nicht, dieser Mann ist wohl die einzige Chance, um in dieser Stadt länger als ein paar Stunden zu überleben.

Ich nicke also und humple wieder etwas auf ihn zu. "I-ich bin Jungkook."

Phoenix [Vkook]Where stories live. Discover now