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Jungkook

"Verzeihung", keuche ich überrascht, als ich wieder jemanden auf dem Gehsteig anremple. Ich schaue der Person aber nicht ins Gesicht, sondern ziehe den zu grossen Mantel, den ich mir von Kris' und Taos Jackenständer genommen habe, enger um meinen Körper.

Ich beschleunige meine Schritte wieder und schlängle mich weiter zwischen den Leuten hindurch. Mein hektischer Atem erzeugt weisse Wolken in der klirrend kalten Luft, der Lärm der Stadt dröhnt in meinen Ohren und bereitet mir Kopfschmerzen und meine Gedanken sind nur noch ein einziges Durcheinander.

Ich habe ein schlechtes Gewissen, denn immerhin bin ich mit den Kleidern von Tao und Kris abgehauen, doch diese Tatsache nimmt nur einen kleinen Teil des Chaos in meinem Kopf ein.

Der weitaus grössere ist die unfassbar Angst, die mein Herz noch viel mehr zum rasen und mich beinahe zum durchdrehen bringt. Dieser Teil verwirrt mich und macht mich traurig.

Und er ist auf den blonden Mann zurückzuführen, den ich in der Wohnung bewusstlos geschlagen habe. Der Gedanke an den besinnungslosen Yoongi, lässt mir die Tränen in die Augen steigen.

Ich wollte ihm nie wehtun. Das wollte ich wirklich nicht, auf keinen Fall. Er ist mein Hyung, zu ihm sehe ich auf, ich bewundere ihn für so vieles - zumindest war es so, bis zu diesem Tage.

In seinen dunklen Augen habe ich nur zwei Dinge erkannt; Wut und Hass. Und beides war gegen mich gerichtet.

Aber wieso nur? Was habe ich getan? Was ist in meiner Abwesenheit passiert? Yoongi Hyung sagte, ich habe gespielt. Was meint er damit? Was habe ich gespielt?

Was ist geschehen?

Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich wieder jemanden anremple, doch diesmal entschuldige ich mich nicht mehr. Ich biege in die nächste Strasse und werde dann einen hektischen Blick zurück zu der, aus der ich gerade gekommen bin. Kein blond gefärbter Haarschopf, der mir folgt, kein verdächtiger, schwarzer Nebel in der Nähe. Erleichterung durchflutet mich, genauso wie mein schlechtes Gewissen steigt.

Ich habe ihn einfach bewusstlos geschlagen. Egal, ob er mich verletzen wollte oder nicht, es hätte bestimmt eine bessere Lösung gegeben, als ihm ein Buch gegen den Kopf zu hauen. Ich hätte ihn nicht einfach dort liegen lassen sollen. Und ich hätte diesen Mantel nicht klauen sollen, aber ohne ihn wäre mir nur wieder so schrecklich kalt. Besonders mit dem langsam einsetzen Schneefall.

Ich weiss nicht, was ich tun soll und wo ich hinsoll. Es gibt nichts, was mir in den Sinn käme, und kein Ort, der sicher wäre und gleichzeitig auch warm. Auf der Strasse kann ich nicht überleben, das hat mir Namjoon Hyung gesagt, und ich glaube ihm das aufs Wort. 

Aber zu Kris und Tao kann ich doch auch nicht zurück, damit würde ich sie nur ebenfalls in Gefahr bringen. Wenn Yoongi darauf aus ist, mich umzubringen, dann wird er sicherlich auch jeden verletzen, der sich ihm dabei in den Weg stellt oder mir bloss hilft. Ich verstehe nur nicht, wieso?

Er sah so... mörderisch und hasserfüllt aus. Ich zweifle keine Sekunde daran, ob er mich tatsächlich getötet hätte, wenn er gekonnt hätte - er hätte es getan. Er hätte mir dieses Messer in die Brust gerammt oder mir damit die Kehle aufgeschlitzt, egal was, solange ich dabei draufgehe. Doch die Verwirrung löst dieses Wissen in mir nicht auf. 

Ich habe ihn doch nie verärgert, er hat mich doch nicht gehasst zuvor?

Als ich meine Gedanken weiterspinne, werde ich langsamer und langsamer, als eine schreckliche Vorstellung in meinem Kopf Gestalt annimmt. Was wenn... Oh Gott nein.

Wieder drehe ich den Kopf, um über meine Schulter zurück zu sehen, ob mich jemand verfolgt. Glücklicherweise ist dem nicht so, von Yoongi Hyung ist nach wie vor keine Spur. Doch je klarer mein Gedankengang wird, je länger ich ihn mir vorstelle und je mehr Angst in mir aufkommt, desto mehr wünsche ich mir, dass er mich vielleicht mehr verletzt hätte, als mir nur diesen Schnitt auf dem Oberarm zuzufügen. 

Was, wenn einer von ihnen zu Schaden gekommen ist?! Weil er mir zur Flucht verholfen hat? Es wäre meine Schuld, wenn es ihnen schlecht ginge, es wäre ganz allein meine. Sie müssen leiden, wegen mir, das haben sie nicht verdient. Gott, bitte lass es nicht das gewesen sein.

Aber ich kann mir auch etwas anderes nicht vorstellen. Yoongi Hyung hätte sonst keinen Grund, um auf mich los zugehen. Er ist ein Mensch, der die Leute beschützt, die er liebt - und zwar mit allen Mitteln, koste es was es wolle und sollte es ihm selbst noch so wehtun. Wird doch jemand verletzt, rächt er sich. Das ist sein Wesen, so ist er, so kenne ich ihn und nicht anders. Seinen Liebenden wird ein Haar gekrümmt und er ist bereit, sich dafür zu revanchieren. Und das tut er auch.

Es wäre nur verständlich, wenn er mir etwas antun will, weil einer der anderen Schmerzen erleiden musste, wegen meiner Flucht. Aber wenn er mich direkt töten will, dann muss es unfassbar schlimm um die Person stehen.

Und damit bleibe ich auf offener Strasse stehen, drehe mich langsam um und blicke durch das dichter werdende Schneegestöber zurück. Das darf nicht wahr sein.

Yoongi Hyung rächt sich, das ist wahr - aber er ist dabei immer fair. 

Wenn er mich tatsächlich töten will, dann hat das zu bedeuten, dass jemand gestorben ist. Jemand aus unserer Gruppe, jemand, der mir geholfen hat. Mir wird kalt, als ich den Gedanken zu Ende bringe. 

Wen hat es getroffen? Etwa Namjoon Hyung? Oder Jimin? Der kleine, Schwarzhaarige, mit dem breiten Lächeln und seiner neckischen Seite? Bitte nicht, Gott, das würde mir im Herzen wehtun. Oder war es doch Hobi Hyung? Yoongi hängst so sehr an ihm, den Tod seines Engels könnte er nicht verkraften, das würde erklären, wie kaltblütig er dadurch wird und wie sehr er dafür Rache will. Der Gedanke an einen toten Hobi lässt mir die Tränen in die Augen schiessen. Ausgerechnet er? Er hat doch nicht einmal einer Fliege etwas zuleide getan, er kann nicht lügen, er ist die reinste Person, die ich kenne. 

Oder war es... war es Taehyung? Yoongi hatte besonders für ihn einen Beschützerinstinkt, die beiden waren sich ähnlich und haben oft nächtelang miteinander geredet. Yoongi Hyung war Taehyungs erste Ansprechsperson, wenn ihn etwas beschäftigt hat.

Die Vorstellung, dass Taehyung wegen mir tot sein könnte, lässt mein Herz in tausend Teile zerbersten.

Phoenix [Vkook]Where stories live. Discover now