IV

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Ich hatte noch nie ängstliche Werwölfe gesehen. Doch in diesem Moment schien ängstlich nicht einmal mehr auszureichen um die Panik der Leute auf der Tribüne zu beschreiben.
Mein Gegenüber war erschrocken einige Meter von mir weg gewichen und ich nutzte die Chance um noch etwas mehr Abstand zwischen uns zu bringen.

Kurz tauschte ich mit dem Jungen mir gegenüber einen panischen Blick bevor wir uns beide fast synchron umdrehten und los rannten. Ich steuerte so schnell ich konnte auf dir  Tür zu, durch die ich die Arena betreten hatte. Nur noch wenige Meter trennten mich von der rettenden Tür, als erneut dieses knurrende Geräusch ertönte. 

Die unglaubliche Lautstärke und Macht dieses Geräusches zwang mich in die Knie und eine Gänsehaut schien meinen ganzen Körper in Besitz zu nehmen. 

Im nächsten Moment schien ein Schatten über mich hinweg zu fliegen. Erschrocken riss ich meinen Kopf nach oben, in Erwartung etwas auf mich fliegen zu sehen, doch das was ich erblickte war viel schlimmer. 

Es war ein Wolf. Ein unglaublicher Wolf. Inzwischen hatte ich schon öfters Werwölfe in ihrer Wolfsgestalt gesehen doch noch nie so einen. Er war riesig und sein Fell schien das Mondlicht zu reflektieren, denn es schimmerte in einem unglaublichen Silber. 

Doch noch wichtiger war, dass der Wolf nicht auf mich sprang, sondern über mich hinweg. Überrascht drehte ich mich wieder Richtung Arena und beobachtete wie der Wolf mit großen Sprüngen durch die Arena sprintete. 

Zuerst dachte ich er hätte den anderen Ausgang im Visier, bis ich noch einmal genau hinguckte und feststellte das sein Blick auf etwas anderes gerichtete war. Oder besser auf jemand anderen.

Ich war mir sicher das der Wolf auf den Jungen zu steuerte der gerade noch fast mein Leben beendet hatte. Wenige Sekunde bestätigte sich mein Gedanke.

Der Wolf drückte sich mit seinen Hinterbeinen stark vom Boden ab und krachte genau in den Jungen hinein. Das unangenehme Geräusch von brechenden Knochen würde ich wohl nicht so schnell aus meinem Gedächtnis streichen können.

Ich war mir nicht sicher, aber es war wahrscheinlich das der Junge nun bereits tot war. Ich wünschte es mir für ihn, denn der Wolf begann seine Zähne in das Fleisch des Jungen zu graben und ihn mit seinen Pfoten anzugreifen.

Ein schriller, schmerzerfüllter Schrei zeigte mir, das der Junge bis eben nicht tot gewesen war. Ich fragte mich ob das wohl der Blutdurst ist, von dem immer geredet worden war.

Auf einmal viel mir die unheimliche Stille in der Arena auf. Die Wölfe die zuvor noch auf den Tribünen gesessen hatte, waren schon längst verschwunden. Der Junge schien tot. Nur noch ich und der Wolf waren hier.

Ohne groß nachzudenken drehte ich mich wieder herum und griff nach der silbernen Türklinke die hoffentlich mein Weg in die Freiheit war. Zu meiner eigenen Überraschung ließ sich die Tür öffnen und ohne weitere Gedanken an all das was geschehen war zu verschwenden, rannte ich los.

Ich glaube in all der Zeit als Kämpferin, war ich noch nie so froh über meine gute Ausdauer gewesen wie jetzt.

So schnell ich konnte folgte ich dem Gang aus dem ich gekommen war. Es dauerte nicht lange bis sich der Weg teilte und verschiedene Richtungen einschlug. Ich hatte keine Ahnung wo ich her gekommen war und auch nicht die Zeit um lange darüber nachzudenken.

Ich hielt mich einfach immer rechts und rannte weiter und weiter. Es dauerte nicht lange bis mir bewusst wurde, dass ich definitiv komplett falsch gelaufen war, doch ich hatte zu viel Angst anzuhalten und umzudrehen, nachdem ich gesehen hatte wie dieses Biest über den Jungen hergefallen war.

Also lief ich weiter und weiter. Nachdem ich ein weiteres Mal rechts abgebogen war strich ein leichter Luftzug meine heiße Haut.

Ich war draußen. Auf der Hauptstraße. Ich hatte sie erst einmal in meinem Leben gesehen und das war viele Jahre her.

Kurz blieb ich steht und atmete durch. Auf der Straße waren sicher hunderte von Wölfen unterwegs und zwar in ihrer Wolf als auch in ihrer menschlichen Form. Sie waren hektisch und schienen es eilig zu haben, doch keiner von ihnen sah so panisch aus wie die in der Arena.

Ich blieb stehen und fragte mich was ich tun sollte. Ich könnte versuchen zurück zum Trainingslager zu gehen. Ich wusste aber nicht ob diese mich überhaupt aufnehmen würden, nachdem ich bei meinem Kampf so lächerlich versagt hatte. Selbst wenn sie mir gestatten würden weiterhin ein Kämpfer zu sein, nach dieser Niederlage würde ich alle meine hart erarbeiteten Privilegien verlieren. Sie würden mich wieder als schwach betiteln, mich dauerhaft zum Kochdienst eintragen und mir alles nehmen was ich hatte.

Doch was für eine andere Option hatte ich? Es kam keinen anderen Ort an den ich gehen könnte, oder? Ganz dunkel erinnerte ich mich an die Geschichten einiger Kämpfer die von einer anderen Arena gekommen waren. Sie hatten erzählt das es nördlich der Stadt ein Gebiet gäbe das Wölfe kaum betreten würden. Es wäre so sehr zerstört wurden, das es sich nicht gelohnt hatte es wieder auf zubauen und zu verwenden, also hatte man es einfach ignoriert und abgesperrt.

Es war zwar nicht der beste Ort und ich wusste nicht ob die Geschichte wirklich stimmte, doch ich hielt es für die beste Option die ich hatte. Bei dem Gedanken daran endlich frei zu sein begann mein Bauch zu kribbeln und ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen. Es war zumindest einen Versuch wert. Nach Norden würde ich nur der Straße folgen müssen.

Ich überlegte kurz wann wohl der beste Moment wäre um sich unter die Wölfe zu mischen. Leider wusste ich viel zu wenig über sie. Würden sie riechen können das ich ein Mensch bin? Würden sie es sehen?

Die Entscheidung wann der passende Moment gekommen war, wurde mir allerdings plötzlich abgenommen. 

Dieses Mal war es kein Brüllen oder Knurren wie zuvor. Es klang nicht so aggressiv, es schien eher ein dunkles unzufriedenes grummeln zu sein. Doch die Tatsache, das es aus der Arena kam, ließ mich vermuten das es sich wieder um den silbernen Wolf handelte. Ich hatte das Geräusch als viel weniger bedrohlich eingestuft als das zuvor, doch die Wölfe auf der Straße schienen das anders zu sehen. Sie beschleunigten ihren Schritt und schienen erneut panisch verschwinden zu wollen. 

Das war meine Chance. 

Ohne viel Zeit zu verschwenden rannte ich los und mischte mich unter die Wölfe. Eigentlich hätte ich nicht erwartet, dass das funktionieren würde. Ich hatte erwartet das mich die Wölfe entweder sofort ergreifen oder mich in dieser Massenhysterie auf den Boden werfen und ich zertrampelt werde. 

Doch das war nicht der Fall. Anfangs schien ich sogar überraschend gut in der Menge unterzugehen, doch das änderte sich schnell. 

Anstatt mir böse Blick zuzuwerfen schienen die Blicke der Wölfe genau in die Gegenrichtung zu blicken. 

Anstatt mich durch die Gegend zu schubsen schienen sie Abstand zu halten. 

Irritiert merkte ich irgendwann das sich  im 5 Meter Radius um mich herum nicht eine Person auf hielt. Stattdessen quetschten sich die Wölfe immer mehr aneinander und an den Rand der Straße und versuchten so schnell und so weit wie möglich von mir weg zu kommen. 

Ungläubig blieb ich auf der Straße stehen und beobachtete ein paar Sekunden lang das Schauspiel. Dann wurde mir klar das sich das jeder Zeit wieder ändern könnte und sie mich dann jagen würden. Doch gerade als ich meinen Blick wieder nach Norden wand und meine ersten Schritte in die Richtung machen wollte, viel mir auf, dass nur wenige Meter vor mir eine muskulöse Brust aufragte. 

Fight, Love or DieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt